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Materialien zum Ethikunterricht


Friedensethik

Stand: 20.06.2007

  

1.) Aphorismen über Krieg und Frieden

 Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.
Bertolt Brecht (1898-1956), dt. Dramatiker u. Dichter

 

Der übernächste Krieg wird nur noch mit Pfeil und Bogen entschieden. 
Albert Einstein (1879-1955), dt.-amerik. Physiker

 

Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende. 
John F. Kennedy (1917-63), amerik. Politiker, 35. Präs. d. USA (1961-63)

 

Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer. Aischylos (525-456), griech. Dichter

 

Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst. 
Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916), östr. Schriftstellerin

 

Der Krieg ist der Vater aller Dinge. - Heraklit, griech. Philosoph, 540-480 vuZ

 

Nicht der Krieg, der Frieden ist der Vater aller Dinge. 
Willy Brandt (1913-92), dt. Politiker (SPD)

 

Wo immer wir sind, müssen wir alle in unserem täglichen Leben der jahrhundertealten Überzeugung gerecht werden, dass Frieden und Freiheit Hand in Hand gehen. 
John F. Kennedy (1917-63), amerik. Politiker, 35. Präs. d. USA (1961-63)

 

2.) Mögliche Ursachen für Krieg

Wenn man die zahlreichen Kriege in der Geschichte und Gegenwart untersucht, so findet man unterschiedliche Ursachen:

  • Gebietsansprüche
    So wurden im Nationalsozialismus die Eroberungskriege im Osten damit begründet, die Bewohner des dicht besiedelten Deutschlands seien ein „Volk ohne Raum“
  • Ressourcen-Ansprüche
    Die jüngsten Kriege im Nahen Osten und Persischen Golf werden beeinflusst vom Erdöl. Ein Großteil dieses Rohstoffs auf der Erde wird in dieser Region gefördert. Der Irak unter Saddam Hussein besetzte 1990 den Ölstaat Kuwait. Die USA und andere westliche Staaten intervenieren in diese Konfliktregion, weil die dortige Vorherrschaft die wirtschaftliche und damit letztlich auch die militärische Stellung in der Welt bestimmt.
  • Kolonialismus
    Bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg war der Kolonialbesitz westlicher Mächte Grund für Unabhängigkeitskriege, aber auch Kriege der Kolonialmächte untereinander. Ein Beispiel ist der Algerienkrieg von 1954-1962. Weil Frankreich den Algeriern die Unabhängigkeit versagte, begann die algerische Befreiungsfront FLN den bewaffneten Kampf, der mit der Erlangung der Unabhängigkeit Algeriens endete.
  • Wirtschaftliche Interessen
    Die bekanntesten Kriege dieser Art in der Antike waren die 3 Punischen Kriege (zw. 264 – 146 v.u.Z.). Das junge Römische Reich, soeben Herr über ganz Italien geworden, machte der alteingesessenen See- und Handelsmacht der Karthager den Mittelmeerraum streitig.
  • Ideologische Differenzen
    Der Vietnamkrieg begann zwar zunächst als Kolonialkrieg zwischen Frankreich und vietnamesischen Widerstandskämpfern. Als jedoch 1955 die USA in die Kämpfe eintrat, ging es ihr in erster Linie darum, die Ausbreitung des Kommunismus in Asien zu stoppen. 1956 wurde ein Wahlsieg der kommunistischen Viet Minh erwartet. Die USA verhinderte in Süd-Vietnam die Wahl und unterstützte den Diktator Diêm mit massiver Waffenhilfe.
  • Ethnische Unterschiede, Nationalismus, Rassismus
    Der Zerfall Jugoslawiens war bedingt durch die Jahrzehnte alten Konflikten zwischen Serben, Kroaten, Kosovo-Albanern, Bosniern usw., die mit Ende der Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien im Jahre 1992 wieder aufbrachen und zum Bürgerkrieg führten. Der 2. Weltkrieg wurde von Deutschland aus nationalistisch-rassistischen Gründen begonnen
  • Religiöse Motive
    Zu den religiös motivierten Kriegen zählen die Sachsenkriege, die der christliche Kaiser Karl der Große gegen die heidnischen Sachsen führte, um diese zu christianisieren. Karls Sieg wurde mit dem sog. Blutgericht von Verden besiegelt. Er ließ 4500 Niedersachsen in Verden an der Aller enthaupten. Ein weiteres Beispiel sind die 10 Kreuzzüge von 1096 – 1396 . „Ungläubige“, gemeint waren Moslems, sollten aus Jerusalem, aber auch Konstantinopel, Ägypten, Tunis und Alexandria vertrieben werden. Der wohl verlustreichste Religionskrieg war der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), der zwischen dem katholischen Kaiser und den zum Protestantismus konvertierten Landesfürsten und Nachbarstaaten geführt wurde. Durch Kämpfe, Hungersnöte und Seuchen wurden ganze Landstriche entvölkert. In Deutschland starben mehr Menschen als während des 2. Weltkrieges. Derzeitig gibt es kaum einen Brandherd in der Welt, der nicht religiös motiviert entstanden ist.

 

Krieg ist jedoch selten monokausal zu erklären: Viele der hier genannten wirtschaftlichen, nationalistischen, ideologischen, religiösen und ethnischen Kriegsgründe spielen in der Realität zusammen, bedingen sich gegenseitig und gehen ineinander über.

 

3.) Geschichte des Krieges und Strebens nach Frieden

 

Kriege dürfte es seit der Sesshaftwerdung und Stammesbildung der Menschen gegeben haben. Bewaffnete Raubzüge waren Mittel der Güterbeschaffung und Machtausdehnung. Kleinere örtliche Gruppen dürften sich ungeplante Schlachten mit wechselnden Gegnern geliefert haben. Mit dem Aufkommen von Staaten und ihren Machthabern, in der Regel Monarchen, wurden Heere gebildet. Oft wurde der Krieg von der Oberschicht als Normalzustand angesehen. In Griechenland im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung führten die Erfahrungen im Peleponnesischen Krieg (Athen gegen Sparta) zur Entwicklung eines ersten Konzeptes, den Allgemeinen Frieden, um einen dauerhaften Frieden zu erlangen. Dazu wurden Verträge abgeschlossen, die drei Kerngedanken enthielten:

 

  • Ein Allgemeiner Friede musste alle griechischen Stadtstaaten umfassen
  • Deren Autonomie und völkerrechtliche Gleichstellung musste, unabhängig von ihrer Macht, anerkannt werden
  • Der Friede musste ohne zeitliche Begrenzung geschlossen werden.

 

Diese Ideen wurden in der Neuzeit wiederentdeckt und bildeten die Grundlage für den Völkerbund und die UNO. Damals sah Platon (427 - 347 vuZ.) den Krieg als ein notwendiges Übel an, um dessen Anwendung der Staat manchmal nicht herumkomme (Leges 626 a - 628 c)., der wie eine Krankheit der Gesellschaft ist und allenfalls durch Übung der Kräfte vermieden werden kann. Aristoteles (384 – 322 vuZ) wendet sich gegen das Kriegführen als Selbstzweck (Politica I 8,1256 b), nennt aber Umstände, die einen Krieg rechtfertigen (Pol. VII 14,1333 b - 1334 a).

Im Römischen Reich waren Kriege oft organisierte Raubzüge. Die eroberten Gebiete wurden unter Tributzwang gestellt, die unterworfene Bevölkerung versklavt und deportiert. Der Pax Romana, auch Pax Augusta nach Kaiser Augustus genannt, sah den Frieden nur unter ständiger Präsenz des Militärs vor. Es war eine Friedenssicherung im Inneren bei gleichzeitiger Sicherung der Grenzen gegen äußere Feinde. Cicero (106 – 43 vuZ) schuf die bekannte bellum iustum-Theorie. Danach waren Kriege moralisch gerechtfertigt, wenn sie

 

  • dem eigenen Schutz oder der Erfüllung einer Verpflichtung aus einem Schutzbündnis dienen
  • und nach Scheitern der Verhandlungen mit dem Gegner
  • angekündigt und formell erklärt werden. (De off. I 11,34; I 23,80)

 

Der Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225 – 1274) baute im Mittelalter auf Ciceros bellum iustum auf und erweiterte die Kriterien eines gerechten Krieges: Die Herrschaft der kriegführenden Partei muss legitim sein, der Krieg muss das Gute fördern und das Böse bekämpfen. Danach waren aber auch Angriffskriege gegen Heiden gerechtfertigt. Damit wurden die grausamen Kreuzzüge, die es seit 1096 gab, für gerecht erklärt.

 

Nach dem auslaufenden Mittelalter kam es zum vielleicht größten Kriegsgeschehen in unserem Kulturraum. Im Zuge der Reformation und der damit verbundenen Trennung der Kirche in eine katholische und protestantische kam es zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Der Kaiser, Papst und katholische Fürstentümer schlossen sich zur Katholischen Liga zusammen. Der stand die Protestantische Union gegenüber, die 8 protestantische Fürstentümer und 17 protestantische Städte umfasste. Andere Staaten wie Spanien, Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden traten ebenfalls in diesen Krieg ein. Durch die Kampfhandlungen, Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, Hungersnöte und Seuchen starb ein Drittel der mitteleuropäischen Bevölkerung. In Süddeutschland wurden sogar zwei Drittel der Bewohner dahin gerafft. Der Krieg wurde durch den Westfälischen Frieden 1648 beendet. In diesem Friedensvertrag wurde erstmals das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten ins Spiel gebracht. Es wurde zu einem gewissen Grad die Trennung von Politik und Religion eingeführt. Die Verbreitung der Religion durch Kriege wurde geächtet. Der katholischen und evangelischen Konfession wurden gleiche Rechte eingeräumt. In konfessionell gemischten Reichsstädten wurden Regierung und Verwaltung paritätisch besetzt.

  Im Zeitalter der Aufklärung wurde verstärkt die Rolle der Religionen als Kriegsursache thematisiert. Der Enzyklopädist Paul Thiry d’Holbach (1723-1789) schrieb z.B. 1766 in seinem Werk „Das entschleierte Christentum“ S. 130:

„Es war immer erlaubt, Hinterlist, Betrug und Lüge anzuwenden, sobald es darum ging, die Sache Gottes zu verteidigen. Die jähzornigsten, heftigsten, verdorbensten Menschen sind für gewöhnlich am eifrigsten.  Das ökumenische Konzil zu Konstanz ließ Johannes Hus und Hieronymus von Prag trotz des kaiserlichen Geleitbriefes verbrennen. Mehrere Christen haben gelehrt, daß man Ketzern gegenüber sein Wort nicht zu halten brauche. Die Päpste haben hundertmal von den Eiden und Versprechungen entbunden, die man Irrgläubigen gemacht hat. Die Geschichte der Religionskriege zwischen Christen zeigt uns Verrätereien, Grausamkeiten, Treulosigkeiten, die in anderen Kriegen ohne Beispiel sind. Wenn man für Gott kämpft, ist alles gerechtfertigt. In diesen Kriegen sieht man nichts als an Mauern zerschmetterte Kinder, hingeschlachtete schwangere Frauen.“

 

Der Philosoph Immanuel Kant verfasste 1795 und 1796 die bedeutende Arbeit „Zum ewigen Frieden“. Ausgehend von einer durch die Vernunft geleitete Ethik und dem Prinzip des Kategorischen Imperativs erarbeitete er Grundsätze für die Erlangung des Friedens. Dieser müsse, so seine Auffassung, von der Politik aktiv gestiftet werden. Kant schlug ein Völkerrecht vor, das den Frieden als Ziel verfolgt und die Verbindlichkeiten von Abkommen zwischen Staaten regelt. Dieser Vorschlag wurde im 19. und 20. Jahrhundert aufgegriffen und ein Völkerrecht geschaffen. Kants Abhandlung besteht aus sechs sog. Präliminarartikel, drei Definitivartikel sowie den Zusätzen und Anhängen.

Die sechs Präliminarartikel enthalten die folgenden Verbote:    

1.      Es soll kein Friedensschluss als ein solcher gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht wurde.

2.      Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.

3.      Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören.

4.      Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.

5.      Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen.

6.      Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem anderen solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind Anstellung der Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats in dem bekriegten Staat etc.

Die drei Definitivartikel enthalten friedensstiftende Forderungen:

1.      Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.

2.      Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein.

3.      Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.

 

  Im 19. Jahrhundert legten sich die Nationalstaaten immer größere Rüstungsetats zu. Die stehenden Heere sowie der Bestand an Waffen wuchsen rapide an. Die Zahl der Opfer in Schlachten stieg entsprechend. In der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 kämpften etwa 510.000 Soldaten aus Frankreich, Preußen, Österreich und Russland. Davon fielen 110.000 Soldaten in der nur dreitägigen Schlacht. Daher entstanden im 19. Jahrhundert ernsthafte Bestrebungen, die Rüstung zu beschränken und Kriegshandlungen zu regulieren. Die Genfer Konventionen (auch Genfer Abkommen) von  1849 und 1864 beinhalteten Regeln zur Humanisierung bewaffneter Konflikte. Sie regeln die Behandlung

 

  • Verwundeter und Kranker der bewaffneten Kräfte im Felde (Genfer Abkommen I)
    Kranke und Verletzte sind ungeachtet ihrer Herkunft zu schützen und zu versorgen. Gewaltanwendungen wie Tötung, Folter oder medizinische Versuche sind verboten. Medizinische Einrichtungen, die unter einem Schutzzeichen der Konvention (z.B. Rotes Kreuz) stehen, dürfen nicht angegriffen werden.
  • Verwundeter, Kranker und Schiffbrüchiger der bewaffneten Kräfte zur See (Genfer Abkommen II)
    Die Schutzbestimmungen des Abkommens I wurden auf Seestreitkräfte und Hospitalschiffe ausgedehnt. Letztere dürfen nicht für militärische Zwecke eingesetzt werden.
  • Kriegsgefangener (Genfer Abkommen III)
    Es verbietet die Tötung, Gesundheitsgefährdung, Gewaltanwendung, Folter, Verstümmlung, medizinische Experimente, Bedrohung, Beleidigung, Erniedrigung und öffentliche Zurschaustellung, Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen von Kriegsgefangenen. Sie dürfen zwar in geschlossenen Lagern gehalten werden, jedoch muss die Unterbringung der der eigenen Truppen entsprechen. Untere Dienstgrade dürfen zu Arbeiten, auch körperlicher, Unteroffiziere nur zu nichtkörperlicher Arbeit, Offiziere hingegen nicht zur Arbeit verpflichtet werden. Kriegsgefangene sind nach Ende der Kampfhandlungen zu entlassen.
  • von Zivilpersonen in Kriegszeiten (Genfer Abkommen IV).
    Ausdehnung der Schutzbestimmungen auf Zivilpersonen. Zivile Krankenhäuser dürfen nicht angegriffen werden. Kinder unter 15 Jahren, die ohne Schutz der Familie sind, dürfen nicht sich selbst überlassen bleiben, sondern sollen möglichst in einem neutralen Land versorgt werden. Zivilisten müssen ohne Unterschied menschlich behandelt und vor Gewalt, Bedrohung, Beleidigung, Erniedrigung und öffentlicher Neugier geschützt werden. Frauen ist besonderer Schutz vor Vergewaltigung, erzwungener Prostitution und sonstigen unzüchtigen Angriffen gegen ihre Person zu gewähren. Zivilisten haben das Recht, besetzte Gebiete zu verlassen. Vertreibung hingegen ist unzulässig.


Ein weiteres Regelwerk für Kriegshandlungen folgte 1907 mit der Haager Landkriegsordnung. Sie legte u.a. fest:

 

  • Die Staaten haben kein unbegrenztes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.
  • Der Einsatz von Gift und vergiftete Waffen sind verboten
  • Dto. Tötung oder Verletzung von Gegnern, die sich ergeben haben
  • Plünderung, Beschuss unverteidigter Siedlungen und Befehle zur gnadenlosen, unbedingten Tötung sind verboten.
  • Truppen ohne Uniform oder Nationalitätenkennzeichen sind irregulär und wie normale Kriminelle zu behandeln.

 

Neben staatlichen Bemühungen, die Folgen des Krieges zu mildern, gab es jedoch auch zunehmend private Initiativen gegen den Krieg. Eine dieser Friedenskämpfer war Berta von Suttner (1843 – 1914). Über Friedenskongresse und einflussreiche Diplomaten suchte sie Kriege zu verhindern. Sie gründete die neuzeitliche Friedensbewegung Anfang der 1890er Jahre: direkt die Österreichische Friedensgesellschaft, deren Vorsitzende sie bis zu ihrem Tod war, indirekt - durch ihre weitgespannten Friedensbemühungen - auch die Deutsche Friedensgesellschaft. Ihr pazifistischer Roman "Die Waffen nieder!" machte sie berühmt. Sie wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

 

Jedoch sollten mit dem 1. und 2. Weltkrieg die größten und verlustreichsten Kriege erst noch kommen. Schon der 1. Weltkrieg (1914 – 1918) wurde geradezu industriemäßig geführt. Ein riesiges Potential an Panzern, erstmals Flugzeugen, Schlachtschiffen, U-Booten und Giftgas wurden eingesetzt. Er kostete schätzungsweise 20 - 25 Mio. Menschen das Leben. Der amerikanische Präsidenten Woodrow Wilson unternahm angesichts der verheerenden Folgen des Krieges einen Versuch friedenssichernde Maßnahmen einzuführen. Ein erster Schritt war sein 14-Punkte-Programm. Darin forderte er u.a.:

  • Öffentliche Friedensverträge und Abschaffung der Geheimdiplomatie
  • Begrenzung der Rüstung
  • Sicherung mehrerer Territorien und Grenzen
  • Gründung einer "allgemeinen Gesellschaft der Nationen" zur friedlichen Regelung von Streitigkeiten

Seine Bestrebungen führten 1920 zur Gründung des Völkerbundes. Dieser sollte zwischenstaatliche Konflikte schlichten. Die Beschlüsse des Volksbundes mussten jedoch einstimmig gefasst werden. Das allein bedeutete bereits eine weitgehende Handlungsunfähigkeit. Hinzu kam, dass mehrere größere Staaten nicht beigetreten waren. Die USA gehörte dem Völkerbund nie an, Deutschland, die Sowjetunion und Japan nur zeitweise. Eine weitere Bemühung um Frieden stellte der Briand-Kellog-Pakt dar, der 1928 auf Betreiben des amerikanischen Außenministers Frank Billings Kellog und seines französischen Kollegen Aristide Briand zustande kam. Dieser Pakt wurde letztlich von 62 Staaten,  auch von den USA und der Sowjetunion, unterzeichnet. Er erklärte den Angriffskrieg für völkerrechtswidrig und enthielt die Absichtserklärung, auf den Krieg zur Durchsetzung politischer Ziele zu verzichten. Lediglich das Recht auf Selbstverteidigung schloss das Mittel des Krieges mit ein.

  All diese Bemühungen konnten nicht den 2. Weltkrieg (1939 – 1945) verhindern. Hitler verließ den Völkerbund und griff einen Staat nach dem anderen an: Zuerst Polen, dann Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Griechenland, Jugoslawien und schließlich Russland und USA. Der Krieg weitete sich rasch zum weltweiten totalen Krieg aus, der auch die Zivilbevölkerung schonungslos traf. Parallel dazu wurde von den Nationalsozialisten die Vernichtung der Juden in Europa betrieben. So wurde auch die Zahl der Opfer des 1. Weltkrieges noch einmal erheblich überschritten. Weltweit verloren 55 Mio. Soldaten und Zivilisten ihr Leben.

Einen neuen Weg zur Unterbindung von Angriffskriegen und Eindämmung der schlimmsten Kriegsverbrechen beschritten die Siegermächte Frankreich, Großbritannien, USA und die Sowjetunion zum Ende des 2. Weltkrieges. Die Gräueltaten der Nationalsozialisten sollten mit rechtsstaatlichen Mitteln untersucht und verurteilt werden. Der Chefankläger der Alliierten Jackson erläuterte die Zielsetzung in seiner Rede:

 "Die Untaten, die wir zu verurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, dass die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen, sie würden sonst eine Wiederholung solchen Unheils nicht überleben. Dass vier große Nationen nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richterspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, das die Macht jemals der Vernunft einräumte".

  Dazu begannen am 20.11.1945 im Nürnberger Justizpalast die "Nürnberger Prozesse". Angeklagt waren führende Personen des Reichskabinetts, der NSDAP, SS, SD, SA, Gestapo, Generalstab und Oberkommando der Wehrmacht. Es waren also nicht nur politisch, sondern auch militärisch Verantwortliche angeklagt. Damit folgten die Alliierten der Ansicht, dass der Angriffskrieg nicht das Recht souveräner Staaten, sondern das größte aller Verbrechen ist, für das auch die Ausführenden persönliche Verantwortung zu tragen haben. Diese Rechtsauffassung des Völkerrechts sollte mit den Nürnberger Prozessen durchgesetzt werden. 

Nach neunmonatiger Prozessdauer wurde 1946 das Urteil gefällt:  12 mal  Todesstrafe, 3 mal lebenslänglich, 4 Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren sowie 3 Freisprüche. Auch die angeklagten militärischen Führer, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel und der Chef des Wehrmachtführungsstabs Alfred Jodl wurden für schuldig befunden die Angriffskriege gegen Polen, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion geplant und durchgeführt zu haben. Sie wurden dafür hingerichtet.

Jodls Verteidiger brachte ein gewichtiges Argument gegen die Anklage vor. Es führte das Rückwirkungsverbot (Ex-post-facto-Verbot) an, nachdem nicht etwas Erlaubtes rückwirkend zur Straftat erklärt werden kann. 1939 sei der Angriffskrieg aber keine Straftat gewesen, sondern er wurde es erst mit den Nürnberger Prozessen. Der renommierte österreichische Staats- und Völkerrechtler Hermann Kelsen wies in seinem Gutachten jedoch nach, dass das Rückwirkungsverbot im internationalen Recht keine Gültigkeit habe. Die Bundesrepublik Deutschland sah das jedoch anders und verweigert bis heute die Anerkennung der Nürnberger Urteile. Als weiterer Mangel der Nürnberger Prozesse wurde auch angesehen, dass eben nur Sieger über Besiegte richteten. Eventuelle Kriegsverbrechen seitens der Alliierten wurden nicht behandelt. Aber es wurden immerhin die umfangreichen Kriegsverbrechen auf deutscher Seite nachgewiesen und nach den Regeln rechtsstaatlicher Prozessführung verhandelt und verurteilt. Die Nürnberger Prozesse waren ein erster wichtiger Schritt zur Bestrafung von Kriegsverbrechen durch das Völkerrecht.

  Das Desaster des 2. Weltkrieges führte noch zu weiteren politischen Bestrebungen, Kriege überhaupt zu vermeiden. In der Bevölkerung herrschte der Wunsch vor: Nie wieder Krieg. Der wirkungslose Völkerbund wurde 1945 aufgelöst und die UNO (United Nations Organisation) gegründet. Sie sollte die diplomatische Lösung der Konflikte und Kriegsvermeidung in den Vordergrund stellen. Der UNO schlossen sich 192 Staaten an. Ziele der UNO sind die Sicherung des Weltfriedens und die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte. Die Beschlussfindung ist in der UNO anders als im Völkerbund geregelt. Im sogenannten Sicherheitsrat werden bindende und durchsetzbare Beschlüsse gefasst. Ihm gehören 15 Mitglieder an. USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland sind ständige Mitglieder. Ein Beschluss ist dann angenommen, wenn 9 Mitglieder, darunter alle ständigen Mitglieder, dafür gestimmt haben. Das Vetorecht ist also auf die 5 ständigen Mitglieder beschränkt.

  Aber damit hörten die Kriege keineswegs auf. Es bildeten sich zwei Machtblöcke. Auf der einen Seite standen die kapitalistischen Länder mit den USA an der Spitze. Sie bildeten das Militärbündnis NATO (North Atlantic Treaty Organisation). Auf der anderen Seite standen die kommunistischen Länder mit der Sowjetunion als Führungsmacht, die sich zum Warschauer Pakt zusammenschlossen. Beide Lager verfügten über ein so hohes Atomwaffen-Potential, dass die Erde davon gleich mehrmals hätte vernichtet werden können. Wegen dieser Menschheitsbedrohung kam es nicht zu einem direkten Krieg zwischen den beiden Weltmächten. Wohl aber gab es mehrere Stellvertreter-Kriege.

 Der wohl heftigste dieser Stellvertreter-Kriege war der Vietnam-Krieg (1946 – 1973). Die USA trat in diesen zunächst von Frankreich geführten Krieg ein, um die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. Russland und das ebenfalls kommunistische China unterstützten die kommunistischen Nord-Vietnamesen in ihrem Kampf. Die USA geriet wegen der Kriegsführung massiv in die Kritik der Öffentlichkeit. So verhinderte die USA mit ihrem Kriegseintritt eine demokratische Wahl und unterstützte den Diktator Diêm in Süd-Vietnam. Hinzu kam die chemische Kriegsführung unter Verwendung des Brandmittels Napalm, das verheerende Verluste und grausame Verletzungen unter der Zivilbevölkerung anrichtete. Dieses Mal waren es insbesondere zivile Bürgerrechtsproteste und engagierte Einzelpersonen, die für die Beendigung dieses Kriegen kämpften.

 

  Stellvertretend sei die Initiative des britischen Philosophen, Mathematikers, dezidierten Nicht-Christen (Agnostiker) und Pazifisten Bertrand Russell (1872 - 1970) genannt. Er errichtete mit den Philosophen und Schriftstellern Jean Paul Sartre (1905 – 1980) und Simone de Beauvoir (1908 – 1986) das Russell-Tribunal. Es war ein Gerichtsverfahren ohne die Möglichkeit, mit staatlicher Macht Urteile durchsetzen zu können. Unter Beteiligung namhaftester Intellektueller dieser Zeit war es vielmehr eine moralische Instanz, die folgende Fragen untersuchen wollte:

·        Hat sich die USA eines Angriffskriegs im Sinne des Völkerrechtes schuldig gemacht?

·        Wurden rein zivile Ziele wie Krankenhäuser und Schulen bombardiert?

·        Sind die Staaten Neuseeland, Australien und Süd-Korea mitschuldig an ggf. völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen der USA?

Diese und ähnliche Friedensaktionen wandelten die Haltung in der Bevölkerung gegenüber diesem Krieg. Letztlich verloren die USA den Vietnam-Krieg auf moralischem Gebiet und mussten sich auf Druck der Öffentlichkeit zurückziehen.  

  Nach dem Fall fast aller kommunistischen Mächte und dem Zerfall des Warschauer Paktes schien es zunächst, als habe man damit die Hauptursachen für Kriege überwunden. Aber es zogen bald neue Wolken der Kriegsgefahr auf. Überall dort, wo unterschiedliche Religionen aufeinander stoßen, entstanden Kriege des Islam gegen das Christentum, Judentum, den Hinduismus oder auch sunnitische gegen schiitische Moslems: Nord-Irland, der Nahe Osten um Israel, der Sudan, Afghanistan, Indien und Pakistan, Iran und Irak usw. Begleitet wurden solche Kriegshandlungen von Terrorakten insbesondere gegen die westliche Welt, die alle Minimalstandards einer fairen Kriegsführung gemäß Völkerrecht weit unterschritten. Die Anschläge des 11. September 2001 mittels Flugzeugen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington D.C. sind der vorläufige Gipfel dieser „Kriege der Religionen.“

 

4.) Heilige Kriege

So neu diese Kriege und Terrorakte in der Nachkriegszeit ab 1945 sind, so sehr haben sie doch eine Jahrtausende alte traurige Tradition.

 

4.1 Kreuzzüge

Die Geschichte der Kreuzzüge begann am 27. Nov. 1095, als Papst Urban II erstmals zum Krieg gegen die Moslems in Jerusalem aufrief. Der Anlass war eigentlich gar nicht die Bedrohung christlicher heiliger Stätten in Jerusalem. Sondern der byzantinische Kaiser Alexios wurde aus ganz weltlichen Gründen von den moslemischen Seldschuken bedrängt. So schickte Alexios seine Gesandten zum Konzil nach Piacenza, die dort den Anwesenden von angeblichen moslemischen Gräueltaten an Christen in Jerusalem berichteten. Papst Urban II erkannte jedoch die List. Warum sollten die Muslime plötzlich und ohne Not über die Christen in Jerusalem herfallen? Aber Urban II und Alexios hatte beide ihren Vorteil von einem Waffengang. Alexios würde  die Seldschuken los werden und Urban II hoffte, die abtrünnigen Christen Ostroms wieder kontrollieren zu können. Ein christliches Palästina wäre dazu sehr hilfreich gewesen. Alexios listige Argumente waren Urban II daher sehr willkommen: Verstümmelte Christen, entweihte Heiligtümer und verwüstete Kirchen in Jerusalem ließen sich beim Volk gut „verkaufen“. Schnell wurde ein weiteres Konzil einberufen, und zwar in Clermont. Urban II trat als Sendbote Gottes vor das Volk und verkündete seinen berühmten „Aufruf zu den Kreuzzügen“. Er beklagte, wie der Chronist Fulcher berichtete, die von den Moslems getöteten Christen und forderte dazu auf, „dieses gemeine Gezücht aus den von euren Brüdern bewohnten Gebieten zu verjagen.“ Der Bischof von Puy, der alles mit vorbereitet hatte, kniete vor Urban II nieder und verkündete: „Gott will es!“ Hiermit hatte der Papst die entscheidende Ideologie gefunden, um die breite Masse für den Krieg zu gewinnen. Niemand riskiert freiwillig sein Leben für die Interessen anderer. Für ihren Glauben waren die Menschen jedoch zur Aufopferung bereit. Und außerdem versprach der Papst allen, die in diesem Krieg ihr Leben verlieren sollten, die Vergebung all ihrer Sünden. Und Kriege im Namen Christi wurden schließlich als „gerechte“ und „heilige“ Kriege bezeichnet. Sagte nicht der Kirchenlehrer Augustinus:Was hat man denn gegen den Krieg? Etwa, dass Menschen, die doch einmal sterben müssen, dabei umkommen?“ Und sagte nicht Jesus Christus selbst im Neuen Testament Offenbarung des Johannes (Off. 2, 26-28): „Wer siegt und bis zum Ende an den Werken festhält, die ich gebiete, dem werde ich Macht über die Völker geben. Er wird über sie herrschen mit eisernem Zepter und sie erschlagen wie Tongeschirr ..."

 

  Papst Urban II schickte in alle Regionen Prediger, die gegen die „barbarischen Ungläubigen“ hetzten. Alte, erfundene Gräuelgeschichten wurden erzählt. So haben Seldschuken frommen Pilgern die Bäuche aufgeschlitzt, weil sie glaubten, sie hätten Goldstücke verschluckt. Oder es wurde die Geschichte verbreitet, eine schöne Äbtissin sei vergewaltigt worden bis sie starb. So schlossen sich den Kreuzrittern massenhaft gläubige Kämpfer an, die nach drei Jahren tatsächlich Jerusalem eroberten. Ein unbekannter Chronist berichtete: Es „flohen die Verteidiger von den Mauern durch die Stadt, und die Unsrigen folgten ihnen und trieben sie vor sich her, sie tötend und niedermetzelnd, bis zum Tempel Salomons, wo es ein solches Blutbad gab, dass die Unsrigen die Heiden endlich zu Boden geschlagen hatten.<...> durcheilten die Kreuzfahrer die ganze Stadt und rafften Gold und Silber“ zusammen. „Dann, glücklich vor Freude weinend, gingen die Unsrigen hin, um das Grab Unseres Erlösers zu verehren, und entledigten sich Ihm gegenüber ihrer Dankesschuld.“  

  Der erste Kreuzzug war ein abgekartetes Spiel zwischen Urban II und Alexios. Es blieb jedoch nicht bei diesem einen Kreuzzug. Insgesamt gab es 10 Kreuzzüge bis 1396.

 

4.2 Die Missionierung der Indigenas

 

Nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahre 1492 wurde unverzüglich mit der territorialen Eroberung der Neuen Welt und der geistigen Unterwerfung ihrer Ureinwohner (Indigenas) begonnen. Der Papst hatte der Eroberung dieser Länder unter der Auflage zugestimmt, dass deren Bevölkerung christianisiert wird. Der spanischen Krone wurde die Missionierung der Indigenas aufgetragen. Es wurde die „Religion der Liebe“ gepredigt. Jedoch traf das Kreuz die Indigenas ebenso hart wie das Schwert.  

Der Dominikanermönch Bartholomé de Las Casas (1474–1566), der mit den ersten Eroberern nach Amerika kam, verfasste den folgenden Augenzeugen-Bericht über die Missionierung Haitis:

"Die Insel Hispaniola(= Haiti) war es, wo die Christen...zuerst landeten. Hier ging das Metzeln und Würgen unter jenen unglücklichen Leuten an...Sie drangen unter das Volk, schonten weder Kind noch Greis, weder Schwangere noch Entbundene, rissen ihnen die Leiber auf und hieben alles in Stücke, nicht anders, als überfielen sie eine Herde Schafe...Sie wetteten miteinander, wer unter ihnen einen Menschen auf einen Schwertstreich mitten von einander hauen, ihm mit einer Pike den Kopf spa1ten, oder das Eingeweide aus dem Leibe reißen könne. Neugeborene Geschöpfchen rissen sie bei den Füßen von den Brüsten ihrer Mütter und sch1euderten sie mit den Köpfen wider die Felsen...Sie machten auch breite Galgen,...hingen zu Ehren und zur Verherrlichung des Erlösers und der zwölf Apostel je dreizehn und dreizehn Indianer an jeden derselben, legten dann Holz und Feuer darunter und  verbrannten sie alle lebendig...Da nun alles, was fliehen konnte, sich in den Gebirgen versteckte...,so richteten diese Würger, diese Todfeinde des Menschengeschlechtes, ihre grimmigen Jagdhunde dergestalt ab, daß sie jeden Indianer, den sie nur ansichtig wurden, in Stücke zerrissen...Da nun die Indianer...einige Christen in gerechtem und heiligem Eifer erschlugen, so machten diese das Gesetz unter sich, daß allemal hundert Indianer umgebracht werden sollten, so oft ein Christ von ihnen getötet würde...Alle diese bisher beschriebenen Greuel, und noch unzählige andere, habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.“
(aus: Las Casas, Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder, Frankfurt/M. 1981, Insel-Taschenbuch Nr.553, hg.v. H.M.Enzensberger)

 

Eine andere kirchliche Quelle ist die Rechtfertigungsschrift des späteren Bischofs von Yukatan Diego de Landa (1524-1579). Als Inquisitor ging er äußerst brutal gegen die Maya in Yukatan vor, die den christlichen Glauben nicht annehmen wollten. De Landa wurde später angeklagt, dabei seine Kompetenzen überschritten zu haben. Aus diesem Grunde verfasste er den "Relacion de las cosas de Yucatan" (= Bericht über die Dinge von Yucatan). Schrecklicher Höhepunkt seiner Verbrechen war der Auto de fé (= Glaubensakt) am 12. Juli 1562 in Mani. Über 10.000 Maya wurden dabei zu Tode geschlagen, zu Krüppel gefoltert und sogar gekreuzigt. Unzählige Maya-Kunstgegenstände wurden zerstört und vor allem sämtliche Maya-Handschriften, die man finden konnte, verbrannt. Diese Schriften enthielten das Wissen und Gedankengut der Maya aus vielen Jahrhunderten. Heute gibt es nur noch vier solcher Bücher (Codizes), die per Zufall der Zerstörung entgangen waren. Einen Einblick in das hohe kulturelle Niveau der Maya gibt z.B. der Codex Dresden: Er enthält astronomische Berechnungen von Venus und Mond! Über diese Bücherverbrennung schrieb de Landa selbst: "Wir fanden bei ihnen eine große Zahl von Büchern mit diesen Buchstaben, und weil sie nichts enthielten, was von Aberglauben und den Täuschungen des Teufels frei wäre, verbrannten wir sie alle, was die Indios zutiefst bedauerten und beklagten."

Während des Prozesses gegen de Landa kam der Klerus übrigens zu dem Ergebnis, dass er in Übereinstimmung mit einer 1522 erlassenen Bulle des Papstes Hadrian VI. gehandelt hatte. Seine grausamen Maßnahmen wurden nicht nur als sinnvoll, sondern sogar als zurückhaltend angesehen. 1569 wurde de Landa von jeder Anklage freigesprochen. Man ernannte ihn sogar zum Bischof Yucatans als  Nachfolger des 1571 verstorbenen Francisco de Toral.   

4.3 Der Dschihad

Man könnte meinen, in den letzten 1000 Jahren habe die Menschheit nichts dazu gelernt. Auch in unserer Zeit werden Kämpfer für die gewaltsame Ausbreitung des Glaubens, dieses Mal ist es der moslemische, zu Märtyrern erklärt, die für ihr Opfer im Jenseits Belohnung erwartet. Und wieder werden Andersgläubige, wie schon zur Zeit der Kreuzzüge, als unmenschliche Wesen dargestellt, die ausgerottet werden müssen. Dieser „heilige“ Krieg, Dschihad genannt, wird aus dem Islam abgeleitet. So verspricht die 4. Sure des Koran:

4,75 Wer für die Religion Allahs kämpft, mag er umkommen oder siegen, wir geben ihm großen Lohn

 

Welchen Lohn diese Kämpfer im Paradies erwarten, wird in der 56. Sure beschrieben:

56,17-24 Bedient werden sie von Jünglingen, die nicht altern, mit Bechern und Krügen aus einer fließenden Quelle. Keinen Kopfschmerz werden sie davon bekommen, noch wird ihnen das Bewusstsein schwinden. Und Früchte, die sie sich wünschen, und Fleisch vom Geflügel, das sie begehren, und Huris, wohlbehüteten Perlen gleich , (werden sie erhalten) als Belohnung für das, was sie zu tun pflegten.

 

 In der 2. Sure heißt es:

2,172 Doch die Ungläubigen sind den Tieren gleich, die nur Schall und Ruf und nichts weiter hören; taub, stumm und blind sind sie, erfassen nichts.

 

Und die 4. Sure lautet:

4,89 Schließt daher eher kein Freundschaftsbündnis mit ihnen [den Ungläubigen], als bis sie Allahs Weg einschlagen. Weichen sie aber ab, so ergreift und tötet sie, wo ihr sie auch finden mögt, und nehmt keine Freundschaft und Unterstützung von ihnen an.

 

Wie sehr solche Appelle zu Hass führen können, zeigen Einträge in der „Fibel zum Terror“. Das ist ein Buch, das der Anführer Mohammed Atta des Anschlages auf das World Trade Center am 11. Sept. 2001 in seinem Gepäck mit sich führte. Wegen der Verspätung seines Zubringer-Flugzeugs blieb seine Reisetasche mit der Fibel auf dem Logan Airport in Boston zurück. Die „Fibel zum Terror“ ist die spirituelle Anleitung für den Selbstmordanschlag auf das World Trade Center. Daraus stammen die folgenden Zitate, die Motive und Gedankenwelt, zumindest aber Einflüsse auf Atta und die anderen Piloten aufzeigen. (Wortlaut der Fibel in Auszügen in „11. September – Geschichte eines Terrorangriffs“, S. Aust u. C. Schnibben, Spiegel Buchverlag S. 275 ff):

Für niemanden gibt es etwas Besseres zu tun, als die Verse des Koran zu lesen, da Gott gesagt hat, dass man in seinem Namen kämpfen  und dass man das, was man im jetzigen Leben hat, für ein anderes, besseres Leben im Himmel aufgeben soll.  S.275

Der Himmel lächelt, mein junger Sohn. Öffne dein Herz, heiße den Tod willkommen.  S.16, S.275

Entsinne dich, dass Gott die Ungläubigen niederschlagen und besiegen wird.  S.276  

Wenn du im Flugzeug bist, sobald du das Flugzeug betrittst, solltest du zu Gott beten, denn jeder, der zu Gott betet, wird gewinnen, denn du tust dies für Gott.  S. 44,  S. 277

Du wirst bemerken, dass das Flugzeug anhalten und dann erneut fliegen wird. Dies ist die Stunde, in der du Gott treffen wirst (...) und lass uns über die ungläubigen Nationen siegen (...) und lass uns über die ungläubigen Völker siegen, und wie der Prophet Mohammed sagte, Gott besiege sie und lass uns siegen und die Ungläubigen niederschlagen und sie ihre Köpfe senken lassen. .  S. 52, S. 277

Öffne dein Herz, denn du bist nur einen kurzen Moment entfernt von dem guten, ewigen Leben voller positiver Werte in der Gesellschaft von Märtyrern.  S.279

Du kommst nicht zur Erde zurück und pflanzt die Angst in die Herzen der Ungläubigen.  S. 42, S. 278

Terrorgruppen wie die des 11. Sept. 2001 wurden, soweit wie möglich, analysiert. Die Ergebnisse implizieren den Schluss: Es handelt sich um „einen isolierten religiös-ideologischen Wahn“, ein verzerrtes, meist indoktriniertes Wirklichkeitsbild. Es wurde erzeugt durch eine ausgeklügelte psychologische Schulung, die, wie man rekonstruierte, in folgenden Schritten erfolgte ( S.177, 193 und 196 des Buches in „11. September – Geschichte eines Terrorangriffs“ von S. Aust u. C. Schnibben):

   

1.      Entwicklung einer  extremen religiösen und politischen Überzeugung

2.      Verstärkung des Feindbildes, die Definition des Westens als böses Gebilde.

3.      Beschreibung der Gegenwart als Kriegszustand.

4.      Die Selbsttötung, die der Koran eigentlich verbietet, wird zur militärischen            Verteidigung deklariert

5.      Beschreibung der Tat als Ehre, als von Allah vorherbestimmt

6.      Die Täter sind Auserwählte

7.      Der Massenmord ist die einzige wirkungsvolle Aktion gegen den übermächtigen Feind.

8.      Der eigene Nutzen: Sie würden als Märtyrer ins Paradies einziehen.

9.      Die „Heldentat“ würde den Gegner da treffen, wo es weh tut – große Symbolkraft der Tat

10. Dehumanisierung der Opfer. Männer, Frauen Kinder, gar amerikanische Muslime durften keine Menschen mehr sein, sondern „Gottlose“, die Muslime unter den Opfern nur „Kollateral-Schäden“ (O-Ton Osama bin Laden).

11. Formation der Zelle, der Kleingruppe. Dadurch Gruppendruck, Kontrolle und Solidarität

12. Wiederholung des Gelernten: Erinnere dich an dein Gepäck, die Kleidung, das Messer, an deinen ... Reisepass, deine Papiere.“ (Attas Fibel)

So oder ähnlich bringt man Menschen zur Selbstopferung und zum Töten unschuldigen Lebens.

  Als historische Vorbilder heutiger islamischer Selbstmordattentäter gelten die Assassinen. In der Zeit von 1090 bis 1260 führte diese Gruppierung einen Untergrundkrieg gegen missliebige, andersgläubige oder korrupte muslimische Herrscher, aber auch gegen die christlichen Kreuzritter. Die Assassinen wurden angeführt von Hassan Ibn al-Sabah,  jenem berüchtigten Kriegsführer von der Burg Alamut, einer bestens geschützten Festung hoch im persischen Gebirge Elburs. Neuartig war die Kampfstrategie von Hassan Ibn al-Sabah. Er hatte keine Armee und verfügte über keine nennenswerten Waffenbestände. Sondern er setzte auf Selbstmordattentäter. Diese wurden in das persönliche Umfeld gegnerischer Machthaber eingeschleust. Per Selbstmordkommando wurde dann der Feind ermordet. Der Assassine nahm dabei bewusst seinen eigenen Tod in kauf. Es galt sogar als Schande einen Mordauftrag überlebt zu haben. Das Wirken der Assassinen war religiös motiviert. Jedoch stellten sie keineswegs eine islamische Hauptströmung dar. Sie gehörten zu den Schiiten, die Mohammeds Schwiegersohn Ali als rechtmäßigen Führer des Islams ansahen und sich von der muslimischen Glaubenmehrheit der Sunniten abspalteten. Im Jahre 770 trennte sich von den Schiiten nochmals eine Richtung – die Ismailiten. Sie waren Anhänger von Ismail ibn Dschafar, Sohn des 6. Imams (Führer und Gelehrter) Dschafar ibn Muhammad. Ismail starb vor seinem Vater, was einen Streit über die rechtmäßige Nachfolge auslöste. Die radikalste Untergruppe der Ismailiten waren die Assassinen – gewissermaßen eine Abspaltung der Abspaltung.

 

4.4 Göttliche Winde aus Japan

Auch in anderen Kulturkreisen, etwa Japan, gab es das Phänomen religiös motivierter Kriegsführung. Bekannt geworden sind die Kamikaze-Kämpfer im 2. Weltkrieg. Kamikaze heißt göttlicher Wind. Der Begriff geht auf zwei Invasionsversuche der Mongolen in den Jahren 1274 und 1281 zurück. Die Mongolen wollten das Japanische Kaiserreich erobern und unterwerfen. Beide Male gerieten die Mongolen in einen Taifun und verloren Tausende von Soldaten und zahlreiche Schiffe. Diese beiden Stürme wurden als göttlicher Wind bezeichnet und bestärkten die Japaner in dem Glauben, ihr Land werde von den Göttern beschützt. Im 2. Weltkrieg griff das mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbündete Japan diese Bezeichnung wieder auf. Das japanische Militär stellte Einheiten von Marinefliegern auf, die sich mit ihren Flugzeugen auf feindliche Kriegsschiffe stürzten, um sie zu zerstören. Diesen Selbstmordpiloten (Kamikaze) wurde überirdische Belohnung versprochen. Dieser Selbstmord zugunsten jenseitiger Belohnung basierte auf der im ganzen Lande verwurzelten shintoistischen Auffassung, dass Japans Kaiserhaus göttlichen Ursprungs ist.

 

4.5 Die Rolle der Religion in Bezug auf Krieg

Bertrand Russell untersuchte die Rolle der Religion in Bezug auf Krieg und kam zu dem Schluss, dass sie eine kriegsverursachende Wirkung hat. Seine Schlussfolgerungen schrieb er in seinem Buch „Warum ich kein Christ bin“ nieder. Russell kritisierte darin die Religionen als unwahr und schädlich in ihren Auswirkungen. Für schädlich hält er z.B., dass ein unerschütterlicher Glaube als Wert an sich angesehen wird. Gegenargumente, die Zweifel verursachen, müssen daher unterdrückt werden. Das verhärtet den Glauben auf beiden Seiten und bereitet den Boden für Kriege. Die Überzeugung, dass es wichtig ist, etwas zu glauben, obwohl unabhängige Untersuchungen diesen Glauben nicht bestätigen würden, ist etwas, dass fast allen Religionen gemeinsam ist und alle staatlichen Bildungseinrichtungen beeinflusst. Die Konsequenz ist, dass die geistige Entwicklung der Jugendlichen gehemmt wird und dass sie erfüllt werden von fanatischer Feindschaft gegenüber denen, die einem anderen Fanatismus anhängen oder, was noch schlimmer ist, gegenüber denen, die Fanatismus überhaupt ablehnen. Eine Haltung, die Überzeugungen auf Beweise und Gründe aufbaut, würde die meisten Übel, an der die Welt leidet, kurieren.

Von großer Bedeutung für den Krieg ist der Glaube an ein Weiterleben der Seele nach dem Tode. Das hält Russell für ein Wunschdenken. Er weist darauf hin, dass die Persönlichkeit, die Erinnerungen und Eigenarten eines Menschen an seine Gehirnstruktur gebunden sind. Bereits durch eine geringfügige Gehirnverletzung kann das Gedächtnis ausgelöscht werden. Ein intelligentes Kind kann bereits durch Jodmangel schwachsinnig werden. Angesichts solcher bekannten Tatsachen ist es kaum wahrscheinlich, dass der Geist den totalen Zerfall der Gehirnstruktur durch den Tod übersteht. Es sind nicht rationale Argumente sondern Emotionen, die den Glauben an ein Leben nach dem Tode hervorrufen. Die wichtigste dieser Emotionen ist die Todesangst, die instinktiv und biologisch sinnvoll ist. Es zeigte sich aber in der Geschichte der Menschheit, dass der Glaube an das Paradies großen militärischen Wert hat, da er die natürliche Kampfbereitschaft erhöht. Es ist offensichtlich, sagt Bertrand Russell, dass Militaristen klug handeln, wenn sie den Glauben an die Unsterblichkeit fördern.

 Richard Dawkins, Evolutions-Biologe und streitbarer, sozial engagierter Schriftsteller, urteilte in einem Interview am 28. April 2005 in Kalifornien über die Religion:

„Ein Wahn, der zum Glauben ermuntert, wo keine Evidenz ist, führt zu Problemen. Unstimmigkeiten zwischen unvereinbaren Glaubensinhalten können nicht durch begründete Argumente entschieden werden, weil  begründete Argumente aus denjenigen heraus gehämmert sind, die von der Wiege an religiös erzogen wurden. Statt dessen werden Unstimmigkeiten mit anderen Mitteln entschieden, die, in extremen Fällen, unvermeidlich gewalttätig werden. Wissenschaftler sind untereinander uneinig, aber sie kämpfen niemals wegen ihrer Unstimmigkeiten. Sie diskutieren über Belege oder gehen hinaus und suchen neue Belege. Ziemlich das gleiche trifft zu für Philosophen, Historiker und Literaturkritiker. Aber man macht das nicht, wenn man nur weiß, dass das eigene heiliges Buch die von Gott geschriebene Wahrheit ist und der andere Typ weiß, dass seine unvereinbare Schrift es auch ist. Leute, die dazu erzogen wurden, an Religion und persönliche Offenbarung zu glauben, können nicht dazu bewegt werden, ihre Meinung wegen Beweisen zu ändern. Kein Wunder, dass religiöse Zeloten im Laufe der Geschichte zu Folter und Hinrichtung, zu Kreuzzügen und Dschihads, zu heiligen Kriegen und Säuberungsaktionen und Pogromen, zu Inquisition und Hexenverbrennung  griffen.“

 Und auf die Frage: „Was sind heute die dunklen Seiten der Religion?“ antwortete er:

“Der Terrorismus im Mittleren Osten, militanter Zionismus, der 11. September, die Nord-Irland-„Probleme“, Genozid, der sich in Jugoslawien als „Kredizid“ herausstellt, die Zerstörung der wissenschaftlichen Erziehung Amerikas, die Unterdrückung von Frauen in Saudi Arabien und Afghanistan und die Römisch-Katholische Kirche, die denkt, man kann ohne Hoden kein wahrer Priester sein.“

So hängt die Überwindung des Krieges u.a. ganz entscheidend davon ab, dass die Differenzen zwischen Religionen mit Ausschließlichkeitsanspruch abgebaut werden. Vor eben diesem Problem stand Mahatma Gandhi (1869 – 1948), als er das durch verschiedene Religionen zerstrittene Indien zur Abschüttelung des britischen Kolonialismus einigen wollte. Er stellte als verbindende Idee die „Liebe zur Wahrheit“ über die Religionen.  Danach werden strittige Fragen, hervorgerufen durch unterschiedliche religiöse Wertvorstellungen,  dadurch beantwortet, dass unabhängige, nachprüfbare Argumente zur Wahrheitsfindung herangezogen werden. Im Gegensatz dazu haben die geoffenbarten Weltanschauungen die Eigenschaft, für absolut wahr gehalten zu werden. Argumente können daher nicht zur Korrektur und damit einem Konsens zwischen verschiedenen Auffassungen führen. Eine Abwendung von diesen nicht nachprüfbaren Positionen hin zu überprüfbaren Fakten und daraus folgenden Schlüssen für unser gesellschaftliches Leben dienen der Versachlichung von Konflikten und haben damit eine unschätzbar friedensstiftende Wirkung.

 

5.) Der Pazifismus

Unter sämtlichen Bemühungen, den Krieg überhaupt einzudämmen, geht der Pazifismus am weitesten.

  Pazifismus ist eine ethische Haltung, die den Krieg grundsätzlich ablehnt und eine Politik der Vermeidung  bewaffneter Konflikte verfolgt. Jede Form des bewaffneten Kampfes, auch zur Selbstverteidigung, wird abgelehnt.

 Diese Idee ist keineswegs neu. Sie existierte bereits im Jainismus, einer fast 2500 Jahre alten indischen Religion, die sich vom Hinduismus abgespaltet hat und ursprünglich ohne Götter auskam. Sie verbietet das Töten jeglichen Lebens – ausgenommen des eigenen. Die Lehre billigt nämlich den Selbstmord im hohen Maße, besonders durch langsames Verhungern. Denn das ist der größte Sieg des Geistes über den blinden Lebenswillen. Die Anhänger konnten daher auch nicht Soldaten werden. Der Pazifismus war eine logische Konsequenz dieser Einstellung. Der Jainismus hat bis in die Gegenwart diese pazifistische Einstellung bewahrt.

 Im antiken Griechenland gab es auch schon, besonders nach heftigen Kriegen, pazifistische Strömungen. So schrieb der Dichter Aristophanes 411 v.u.Z. unter dem Eindruck des Peleponnesischen Krieges die Komödie Lysistrata, in der die Frauen ihre Männer durch Liebesentzug zwingen, den Krieg aufzugeben. Anklänge an den Pazifismus findet man auch im Römischen Reich. Cicero (106 – 43 v.u.Z) schrieb z.B.: „Der ungerechteste Frieden ist immer noch besser als der gerechteste Krieg.“

  Aber so richtig entfaltete sich der Pazifismus erst im 19. Jahrhundert. In Deutschland begann die Entwicklung erst spät gegen Ende des Jahrhunderts. Erst 1892 wurde die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) von Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried gegründet. Für deren Mitglieder galt und gilt noch der Grundsatz: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten."  Wesentliche Ziele dieser pazifistischen Organisation sind die Schaffung gewaltfreier Methoden der Konfliktlösung, Ächtung des Militarismus, Abschaffung der Armeen, weltweite Abrüstung, weltweites Recht auf Kriegsdienstverweigerung.

  Im 20. Jahrhundert engagierten sich zahlreiche Politiker und Literaten für den Pazifismus. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kämpften gegen den Eintritt Deutschlands in den 1. Weltkrieg. Karl Liebknecht war 1914 SPD-Abgeordneter im Deutschen Reichstag. Als die übrige SPD-Fraktion geschlossen für die Kriegskredite stimmte, blieb er dieser Abstimmung fern, um nicht gegen seine Partei zu stimmen. Im Dezember stimmte er dann als einziger Abgeordneter gegen die Verlängerung der Kriegskredite. Erich Maria Remarque verarbeitete die Gräuel des 1. Weltkrieges in dem berühmt gewordenen pazifistischen Buch „Im Westen nichts Neues“. Der Schriftsteller, Journalist und Pazifist Kurt Tucholsky war selbst Soldat im 1. Weltkrieg und schrieb 1926 in der Zeitung „Weltbühne“ über seine Soldatenzeit: „Ich habe mich dreieinhalb Jahre im Kriege gedrückt, wo ich nur konnte. (...) ich wandte viele Mittel an um nicht erschossen zu werden und um nicht zu schießen – nicht einmal die schlimmsten Mittel. Aber ich hätte alle, ohne jede Ausnahme alle angewandt, wenn man mich gezwungen hätte: keine Bestechung, keine andre strafbare Handlung hätt' ich verschmäht. Viele taten ebenso.“  Der Herausgeber dieser Zeitung, Carl von Ossietzky, bezahlte sein Eintreten für den Pazifismus mit dem Leben. In der „Weltbühne“ prangerte er die verbotene Aufrüstung der Reichswehr an. Deshalb wurde er 1931 wegen Spionage verurteilt und geriet dadurch nach der Machtübernahme 1933 in die Hände der Nationalsozialisten. Er erhielt 1936 rückwirkend für das Jahr 1935 den Friedensnobelpreis. Die nun herrschenden Nationalsozialisten verboten ihm die Annahme dieser Auszeichnung. Da war Ossietzky aber schon seit 1933 im Konzentrationslager inhaftiert. Im Herbst 1935 wurde Ossietzky von dem  schweizer Diplomaten Carl Jakob Burckhardt  im KZ Esterwegen besucht. Er schilderte Ossietzky als ein „zitterndes, totenblasses Etwas, ein Wesen, das gefühllos zu sein schien, ein Auge verschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen“ beschrieb. Ossietzky erkrankte während der Haft an Tuberkulose und starb am 4. Mai 1938.

   In Großbritannien war es vor allem der Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell, der für den Pazifismus kämpfte. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzte er sich dafür ein, dass Großbritannien neutral bleiben sollte. Während des Kriegsverlaufs betrieb er aktive Antikriegspropaganda in einem Verband, der gegen die Einberufung opponierte. Schon damals entging er nur knapp einer Verhaftung. 1916 verteidigte er mittels einer Streitschrift einen Kriegsdienstverweigerer. Damit handelte er sich eine Geldstrafe ein, und er erlitt berufliche Nachteile. 1918 kritisierte er die Amerikaner, die mit Großbritannien verbündet waren. Das bescherte ihm eine sechsmonatige Gefängnisstrafe, die mit großen Entbehrungen verbunden war. Für Russell war der Krieg eine rückständige Art der Beilegung zwischenstaatlicher Konflikte. Er legte dar, dass Kriege fast nie ihre Ziele erreichten und Konflikte wirklich lösten. Er räumte aber auch ein, dass Kriege in seltenen Fällen notwendig und unvermeidbar sind. Er schrieb: "Ich vertrat damals und vertrete auch heute noch die Ansicht, dass es zwar Kriege gegeben hat, die gerechtfertigt waren (zum Beispiel der amerikanische Bürgerkrieg), doch der Erste Weltkrieg war es nicht." Damit war Russell ein relativer Pazifist – also einer, der den Krieg nicht unter allen Umständen ausschloss. Ein absoluter Pazifist hingegen lehnt den Krieg unter allen Umständen ab. In den 20er Jahren beschäftigt sich Russell zunehmend mit den Religionen und ihrer Rolle in Bezug auf den Krieg. Der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tode und die Unterordnung unter einen vermeintlichen Willen Gottes fördere die Aufopferungsbereitschaft der Menschen und damit den Krieg. Im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges vertrat Russell zunächst die Meinung, dass die Unterwerfung unter die Deutschen weniger schlimm sei als die Bombardements eines totalen Krieges. 1940 änderte er jedoch seine Meinung und befürwortete Großbritanniens Kriegshandlungen. In den 50er Jahren gründete Russell unter dem Eindruck zunehmender Bedrohung durch Atomwaffen die "Kampagne für nukleare Abrüstung". Diese unterstützte die Ostermärsche, Friedenskundgebungen zu Ostern, die bald eine feste Einrichtung der Demonstration für Friede und Abrüstung werden sollten. 1961 musste Russell, bereits 89 Jahre alt, ins Gefängnis, weil er die Öffentlichkeit zu zivilem Ungehorsam aufrief. Die letzten Jahre seines Lebens widmete er dem Kampf gegen den Vietnam-Krieg, indem er das bereits genannte Russelltribunal ins Leben rief.  

Mahatma Gandhi dürfte wohl die größten Erfolge mit den Mitteln des Pazifismus erzielt haben. Er schaffte es, dass Indien von der Kolonialmacht Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Gandhi setzte Mittel wie öffentliches Protest-Fasten, Boykott englischer Importwaren und gewaltlose Protestkundgebungen ein. Großbritannien ging dabei teilweise mit Waffengewalt gegen die gewaltlosen Protestierer vor. Gandhis Anhänger griffen selbst dann nicht zu Waffen, als etliche von ihnen niedergeschlagen und sogar erschossen wurden. Durch diese Gewaltanwendung gegen Wehrlose wurde das Ansehen der Kolonialmacht weltweit  massiv geschädigt und zwang sie letztlich zum Einlenken. Gandhi proklamierte u.a. folgende Grundsätze:

  • Es gibt keinen Weg zum Frieden. Der Frieden ist der Weg.
  • Was man mit Gewalt gewinnt kann man nur mit Gewalt behalten.
  • Ich glaube an Gewaltlosigkeit als das einzige Heilmittel.
  • Armut ist die größte Umweltzerstörerin.

   Trotz Gandhis Erfolge haftete dem Pazifismus immer der Makel an, zwar eine gut gemeinte aber unrealistische Haltung zu sein. Deshalb erarbeiteten Pazifisten praktische Methoden, um Kriege im Vorfeld bereits zu verhindern oder kriegerische Angriffe auf gewaltlose Weise abzuwehren:

  • Umwandlung (Konversion) der Rüstungsindustrie in Produktionsstätten für zivile Produkte, um den Sorgen vor Arbeitsplatzverlust durch Friedenspolitik zu begegnen
  • Kriegsdienstverweigerung nicht erst im Krieg, sondern bereits in Friedenszeiten. In das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aufgenommen [Art 4 (3) GG]. Einzelheiten regelt das Kriegsdienstverweigerungsgesetz [KDVG].
  • Unterstützung von Desertion von Soldaten im Krieg. Was in Armeen als strafbare „Fahnenflucht“ gilt, ist für Pazifisten die Wahrnehmung eines Grundrechtes und notwendig zur Beendigung des Krieges
  • Gewaltfreie Aktionen wie Generalstreik oder ziviler Ungehorsam, um Kriegshandlungen des eigenen Landes oder die Besetzung durch eine fremde Macht abzuwehren. 
    Während des Prager Frühlings (1968), als die Sowjetunion mit Panzern in die Tschechoslowakei einmarschierte, wurde dieser gewaltfreie Widerstand angewandt. Tschechen verweigerten den Besatzern den Gehorsam, montierten Orts- und Hinweisschilder ab um den Fremden die Orientierung zu erschweren und lehnten jede Art der Zusammenarbeit ab. Diese Methode erwies sich jedoch letztlich nicht als erfolgreich.

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