Klausur am 1. Juni 2005
1)
Beschreiben Sie Aufbau und Funktion des "Psychischen Apparates"
nach S. Freud!
2)
Argumentieren Sie auf Grund Ihrer der Kenntnisse der Thesen Freuds und
von uns besprochenen modernen Hirnforschung dafür, dass der Mensch
keineswegs so frei ist, wie er meint.
Musterantwort: Bewertung 13 von 15 mögl. Punkten
zu 1) Laut Freud gibt es die bewussten, vorbewussten und unbewussten Gedächtnisinhalte.
Die vorbewussten Inhalte können wir uns gelegentlich bewusst
machen, wenn wir nur darüber nachdenken. Die unbewussten Inhalte
lassen sich nicht oder nur schwer ins Bewusstsein rufen, da diese
verdrängten, für uns unangenehmen Vorstellungen durch eine Kraft/einen
Widerstand im Gehirn zurück gehalten werden.
Freuds
These war, dass wir unangenehme Vorstellungen ins Unbewusste verdrängen,
dass diese Inhalte aber immer wieder versuchen sich bemerkbar zu machen -
z.B. in Träumen oder als Fehlleistungen.
Freund
meint, dass unser bewusstes Seelenleben wesentlich durch unser
Unbewusstsein beeinflusst wird. Unsere bewussten Handlungen sind also
determiniert.
Des Weiteren machte Freud eine Einteilung unserer Psyche in „Es“,
„Ich“ und „Über-Ich“. Das „Es“ ist die älteste psychische
Schicht und beinhaltet Eigenschaften, die man geerbt hat und vor allem die
Triebe (Aggression, Sexualtrieb) umfassen.
Das „Ich“ ist aus dem „Es“ entstanden, leugnet aber dessen
Existenz. Das geschieht z.B.,
indem man im Nachhinein für seine Handlungen rationale Gründe sucht,
weil einem die eigentlichen triebgesteuerten Motive peinlich wären.
Die
Funktion des „Ich“ besteht darin, zwischen dem „Es“
(Triebreservoir), der Außenwelt und dem „Über-Ich“ (Gebote, Regeln)
zu vermitteln. Das „Über-Ich“ ist gemäß Freud notwendig, damit sich
die Individuen in die Spielregeln einer Gesellschaft einfügen und diese
dann funktionieren kann. Eine Entscheidung ist dann gut, wenn Es, Außenwelt
und Über-Ich im Einklang gebracht wurden. Das Ich entscheidet somit, wann
und welche Triebe des Es unterdrückt werden müssen.
Das
Ich handelt nach dem Prinzip des Lustgewinns und der Unlustvermeidung
(z.B. Bestrafung).
Das Über-Ich ist die
verinnerlichte Moralvorstellungen der Eltern, eines sozialen Milieus,
einer Gesellschaft, eines Volkes oder auch von Idolen. Es entsteht in der
frühkindlichen Phase, im Wesentlichen in der ödipalen Phase. In dieser
Phase ist das Kind auf den Elternteil des anderen Geschlechtes so fixiert,
dass der gleichgeschlechtliche Elternteil als übermächtiger Rivale
erscheint. Da von außen Bestrafung droht, wenn das Kind sexuelle Motive für
sich vereinnahmen will, werden diese Vorstellungen ins Unbewusste verdrängt.
Außerdem findet eine Identifizierung mit dem gleichgeschlechtlichen
Elternteil und dessen Moralvorstellungen statt. Als Kind wird
man für „böse Taten“ bestraft und für „gute Taten“
belohnt. Anfangs hat man diese Moral noch nicht verinnerlicht. Man handelt
nur moralisch aus Angst ertappt zu werden oder aus Angst vor Liebesentzug.
Mit der Zeit und mit der Identifizierung mit den Eltern werden die
Wertvorstellungen verinnerlicht. Die
ödipale Phase wird in der Pubertät mit der Wahl von Geschlechtspartnern
überwunden. Falls es in der stufenförmigen Entwicklung des Über-Ichs in
der kindlichen Phase zu Störungen gekommen ist, kann dieses später zu
Neurosen führen.
Von der Kindheit an, mit Verinnerlichung der Moralvorstellungen, haben wir
also ein Strafbedürfnis für schlechtes Handeln, was uns dann Schuldgefühle
bereitet. Aggressionen, die das „Es“ gegenüber
anderen hegt, werden vom „Ich“ unterdrückt. Jedoch der blose
Gedanke an eine böse tat wird schon mit der gleichen Aggression vom Über-Ich
bestraft. Je öfter man die Triebe unterdrückt, desto stärker wird das
Über-Ich.
zu 2) Wie schon erwähnt ist Freuds These, dass unangenehme Gedächtnisinhalte
ins Unbewusste verdrängt werden, diese Inhalte aber immer wieder verdrängt
werden, diese Inhalte aber immer wieder versuchen, (z.B. durch
Fehlleistungen oder Träume) in unser Bewusstsein zu dringen. Das
Unbewusste lenkt unser Bewusstsein, denn unsre Triebe lassen sich eben
doch nicht ganz unterdrücken. Für die Unterdrückung der unangenehmen
Inhalte muss eine enorme Kraft aufgewendet werden. Wenn man müde ist oder
einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel hat, spielt uns unser Gehirn
„Streiche“. Das Unbewusste kommt zum Vorschein (Fehlleistungen wie Déjà-vu).
Werbefachleute machen sich unsere unbewussten Triebe zunutze, meistens den
Sexualtrieb. So hat die Coca-Colaflasche eine geschwungene Form, die
vielleicht an einen Frauenkörper erinnert. Außerdem kommt in der Werbung
u.U. ein hübscher junger Mann vor. Wenn man dann vor die Wahl „Pepsi
oder Cola“ gestellt wird, kann es sein, dass man wegen der genannten Gründe
unbewusst die Cola wählt, aber im Nachhinein nach anderen Gründen für
diese Wahl sucht: „Cola schmeckt mir besser.“ Ein weiterer Grund könnte
sein, dass eine Person, die wir sehr schätzen, am Vortag Cola getrunken
hat.
Freuds Modell des psychischen Apparates konnte von ihm damals nicht
empirisch nachgewiesen werden. In der modernen Gehirnforschung versucht
man mittels Kernspintomographie die bei einer bestimmten Handlung aktiven
Gehirnregionen herauszufinden. So könnte man auf dem Computerbildschirm
sehen, was jemand gerade denkt. Manche Funktionen hat man schon mittels
gehirngeschädigter Personen herausgefunden. Wenn bestimmte Gehirnregionen
geschädigt waren, konnten sie z.B. nur noch Momentaufnahmen, keine
zusammenhängenden Abläufe erkennen. Durch elektrische Reizung einiger
Gehirnregionen konnten Menschen zu Handlungen gezwungen werden, von denen
sie nachher meinten, diese bewusst getätigt zu haben (z.B. das Heben
eines Armes). Wenn man nur das Rückenmark reizte, geschahen die
Handlungen sogar völlig unbewusst.
Freud war auch besonders an der Macht der Verdrängung interessiert, da ja
verdrängte, unangenehme Vorstellungen zu Neurosen führen können, ohne
dass die Patienten sich der eigentlichen Gründe bewusst sind. Z.B. war
einmal eine Frau in ihren Schwager verliebt und freute sich insgeheim über
den Tod ihrer Schwester. Das führte zu so starken Schuldgefühlen, dass
sie psychisch krank wurde. Nach der Bewusstmachung dieser Tatsache durch
Freud wurde die Patientin wieder gesund.