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PHILOSOPHIE  DES  GLÜCKS

 

 

Comedian Harmonists

Jutta Bauer

Fernando Savater

Günther Grass

Berthold Brecht

Kurt Tucholsky

Dr. Owlglaß

Gottfried Benn

Sokrates

Aristoteles

Epikur

Stoa

Horas

Seneca

Giordano Bruno

Baruch de Spinoza

Gottfried Wilhelm Leibniz

Christian Thomasius

Christian Wolff

Emilie du Châtelet

Jeremy Bentham

Arthur Schopenhauer

Ludwig Feuerbach

Friedrich Nietzsche

Oscar Wilde

 Bertrand Russell

Annegret Stopczyk

 

 

 

 

Comedian Harmonists

Irgendwo auf der Welt gibts ein kleines bißchen Glück und ich träum davon in jedem Augenblick.

Irgendwo auf der Welt gibts ein bißchen Seligkeit und ich träum davon schon lange lange Zeit.

Wenn ich wüßt, wo das ist, ging ich in die Welt hinein,

            denn ich möcht einmal recht so von Herzen glücklich sein

Irgendwo auf der Welt fängt mein Weg zum Himmel an - irgendwo, irgendwie, irgendwann.

 

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Jutta Bauer:  Selma

Was ist Glück? Dazu erzähle ich dir die Geschichte von Selma, dem Schaf:

Es war einmal ein Schaf. Das fraß jeden Morgen bei Sonnenaufgang etwas Gras, lehrte bis mittags die Kinder sprechen, machte nachmittags etwas Sport, fraß dann wieder Gras, plauderte abends etwas mit Frau Meier, schlief nachts tief und fest. Gefragt, was es tun würde, wenn es mehr Zeit hätte, sagte es: Ich würde bei Sonnenaufgang etwas Gras fressen, ich würde mit den Kindern reden ... mittags, dann etwas Sport machen, fressen, abends würde ich gern  mit Frau Meier plaudern, nicht zu vergessen: ein guter, fester Schlaf. „Und wenn Sie im Lotto gewinnen würden?“ - Also, ich würde viel Gras fressen, am liebsten bei Sonnenaufgang, viel mit den Kindern sprechen, dann etwas Sport machen, am Nachmittag Gras fressen, abends würde ich gerne  mit Frau Mei­er plaudern. Dann würde ich in einen tiefen festen Schlaf fallen ...

 

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Kurt  Tucholsky: Das  Ideal  (1927)

Ja das möchste:

Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, /vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;

mit schöner Aussicht, ländlich mondän, / vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -

aber abends zum Kino ist es nicht weit. / Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer, - nein, doch lieber zehn!/ Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,

Radio, Zentralheizung, Vakuum, / eine Dienerschaft, gut gezogen und  stumm,

eine süße Frau voller Rasse und  Verve -/ (und  eine fürs Wochenend, zur Reserve) -,

eine Bibliothek und  drumherum / Einsamkeit und  Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste, / acht Autos, Motorrad - alles lenkste

natürlich selber - das wär ja gelacht! /Und  zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und  das hab ich ganz vergessen: / Prima Küche - erstes Essen -

alte Weine aus schönem Pokal - / und  egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.

Und  Geld. Und  an Schmuck eine richtige Portion. / Und  noch ne Million und  noch ne Million.

Und  Reisen. Und  fröhliche Lebensbuntheit./ Und  famose Kinder. Und  ewige Gesundheit.

Ja das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden: / manchmal scheints so, als sei es beschieden

nur pöapö, das irdische Glück. / Immer fehlt dir irgendein Stück.

Hast du Geld, dann hast du nicht Käten; /hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -

hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:/bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer. Tröste dich! / Jedes Glück hat einen kleinen Stich.

Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. / Daß einer alles hat: Das ist selten.

 

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Günther GrassGlück

Ein leerer Autobus stürzt durch die ausgesternte Nacht.

Vielleicht singt sein Chauffeur und ist glücklich dabei.

 

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Bertolt Brecht:  Glücklicher Vorgang

Das Kind kommt gelaufen: Mutter, binde mir die Schürze! Die Schürze wird gebunden.

 

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Dr. Owlglaß: Kurios

Grad strich das Fräulein Glück vorbei / und legte ihr ersehntes Ei

- in unserm Fall das große Los - / wem andrem in den offnen Schoß.

Verschnupft kratz’ ich mich hinterm Ohr. / Da pocht schon Fräulein Pech am Tor

und liefert treu und unentwegt, / wodrauf man keinen Wert nicht legt.

Mit Damen geht’s oft wunderlich: / die, so du liebst, die schneidet dich.

Und die du nicht verknusen kannst, / kommt unermüdlich angewanzt.

 

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Gottfried Benn:

            Einsamer nie als im August: / Erfüllungsstunde -, im Gelände

die roten und die goldenen Brände, / doch wo ist deiner Gärten Lust?

            Die Seen hell, die Himmel weich, / die Äcker rein und glänzen leise,

doch wo sind Sieg und Siegsbeweise / aus dem von dir vertretenen Reich?

            Wo alles sich durch Glück beweist / und tauscht den Blick und tauscht die Ringe

im Weingeruch, im Rausch der Dinge, -: /dienst du dem Gegenglück, dem Geist.

 

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Sokrates: Wie vieles gibt es doch, was ich nicht nötig habe.

 

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Aristoteles:  

Nikomachische Ethik: [Anfang] Jede Kunst und jede Lehre, ebenso jede Handlung und jeder Entschluß scheint irgendein Gut zu erstreben [...]  Glückseligkeit ist das höchste Gut.

 

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Epikur: Der Tod geht uns nichts an. Solange wir leben, ist der Tod nicht da und wenn der Tod da ist, leben wir nicht mehr.

 

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Stoa: Apatheia, Ataraxia

 

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Horaz: Gemmas, marmor, ebur, Thyrrhena sigilla, tabellas, / Argentum, vestes Gaetula murice tinctas, / Sunt qui non habeant. Est qui non curat habere.

 

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Seneca: Glücklich ist, wer seiner eigenen Natur entsprechend lebt.

 

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Giordano Bruno (1548-1600):  Spaccio della bestia trionfante

Scaccia la disavventura, apprendi la Fortuna pe’ capelli; affretta quando meglio ti pare, il corso della sua ruota; e quando ti sembra bene, figigli il chiodo, acciò non scorra.

= Verjage das Mißgeschick, pack Fortuna am Schopf; beschleunige zum günstigen Zeitpunkt den Lauf ihres Rades; und wenn es gut dünkt, schlag einen Nagel ein, damit es sich nicht weiterdrehe.

 

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Baruch de Spinoza (1632-1677): 

Die Ethik nach Art der Geometrie dargestellt (V.Buch/42.=letzter Lehrsatz):

Beatitudo non est consequentia virtutis sed ipsa virtus

= Die Glückseligkeit ist nicht die Folge der Tugend, sondern die Tugend selbst und wir erfreuen uns ihrer nicht, weil wir die Lüste einschränken, sondern umgekehrt, weil wir uns ihrer erfreuen, deshalb können wir unsere Lüste einschränken.

 

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Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716):

Philosophia = scientia felicitatis. Glück = Zustand beständiger Freude

 

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Christian Thomasius (1655-1728): Glück = Gemütsruhe = Zustand indifferenter Belustigung.

 

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Christian Wolff (1679-1754):

Glück = Freude aus dem Fortschritt zu immer größeren Vollkommenheiten

 

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Emilie du Châtelet (1706-1749):

Rede über das Glück:  Um glücklich zu sein, ist es nötig, frei von Vorurteilen, tugendhaft und bei guter Gesundheit zu sein, Neigungen und Leidenschaften zu haben und für Illusionen empfänglich zu sein. Man wird nur glücklich durch befriedigte Neigungen und Leidenschaften. Leidenschaften sind es, worum wir Gott bitten sollten, falls wir ihn um etwas zu bitten wagten; und Le Nôtre hatte ganz recht, vom Papst Versuchungen statt Ablässe zu fordern.- Man muß tugendhaft sein, weil man nicht lasterhaft und zugleich glücklich sein kann.  Unter Tugend verstehe ich alles, was zum Glück der Gesellschaft beitragen kann und damit zu dem unsrigen.

 

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Jeremy Bentham (1748-1832) / John Stuart Mill (1806-1873) / Harriet Tayler-Mill (1807-1858)

The greatest happiness of the greatest number is the foundation of morales und legislation.

 

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Arthur Schopenhauer (1788-1860):

Glück = Abwesenheit von Unglück; 

Glück = Erreichtes : Erwartetes.

Die Welt als Wille und Vorstellung:  Die Kindheit ist die Zeit der Unschuld und des Glücks, das Paradies des Lebens, das verlorene Eden, auf welches wir unsern ganzen übrigen Lebensweg hindurch sehnsüchtig zurückblicken.

 

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Ludwig Feuerbach (1804-1872)

Glückseligkeit [ist] der letzte Zweck und Sinn alles menschlichen Tuns und Denkens.

Wollt ihr die Menschen bessern, so macht sie glücklich;  wollt ihr sie gücklich machen, so geht an die Quelle alles Glücks, aller Freuden - an die Sinne.

Deine erste Pflicht ist, dich selbst glücklich zu machen. Bist du glücklich, so machst du auch andere glücklich. Der Glückliche kann nur Glückliche um sich sehn.

 

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Friedrich Nietzsche (1844-1900)

Also sprach Zarathustra: Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.

Das Wenigste gerade, das Leiseste, Leichteste, einer Eidechse Rascheln, ein Hauch, ein Husch, ein Augenblick - wenig macht die Art des besten Glücks.

Glück sollte nach Erde riechen.

Geburt der Tragödie: Ihr solltet die Kunst des diesseitigen Trostes lernen - ihr solltet lachen lernen, meine jungen Freunde, wenn anders ihr durchaus Pessimisten bleiben wollt; vielleicht, daß ihr daraufhin, als Lachende, irgendwann einmal alle metaphysische Trösterei zum Teufel schickt und die Metaphysik voran!

 

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Oscar Wilde (1846-1900): Die Seele des Menschen im Sozialismus

A map of the world that does not include Utopia is not worth even glancing at [...] When man is happy, he is in harmony with himself and his environment.

 = Eine Weltkarte, die das Land Utopie nicht enthielte, wäre nicht wert, daß man einen Blick darauf wirft  [...] Wenn der Mensch glücklich ist, lebt er im Einklang mit sich und seiner Umgebung

 

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Bertrand Russell (1872-1970):  Die Eroberung des Glücks (Schluß):

Der glückliche Mensch ist derjenige, der die Einheit seines Ichs zu wahren weiß, dessen Persönlichkeit weder in sich selbst gespalten, noch gegen die Außenwelt feindlich gesinnt ist. Ein solcher Mensch fühlt sich als ein Bürger des Alls, der ohne Hemmung das Schauspiel, das es bietet, und die Freuden, die es schenkt, genießen kann - unbekümmert vom Gedanken an den Tod, weil er sich von denen, die nach ihm sein werden, nicht wirklich getrennt fühlt. In solch inniger, naturbestimmter Vereinigung mit dem Strom des Lebens vollzieht sich die tiefste Beglückung, die wir finden können.

 

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Annegret Stopczyk: Nein danke, ich denke selber - Philosophieren aus weiblicher Sicht

Ich will erdig werden, ganz vollgesogen von Erdenschwere. Ich will nicht mehr abheben, von außen alles betrachten. Ich will in den Dingen sein ...  -  Auffallend ist die Tendenz der damaligen Philosophen, alles Materielle abzuwerten und etwas zu suchen, was unmateriell sein sollte, seien es Ideen, Gesetze oder jenseitige Reiche.- So ist ihnen das Un-Endliche mehr wert als das Endliche, das Un-Sichtbare mehr wert als das Sichtbare, das Un-Sterbliche rangiert höher als alles Sterbliche, ebenso das Un-Körperliche gegen das Körperliche ...

Darum lehne ich es ab, die Frage nach dem Sinn des Lebens als meine philosophische Hauptfrage zu betrachten.

„Sterben lernen“ als philosophisches Programm seit 2500 Jahren - ist das der „geheime Lehrplan“ unserer Zivilisation? Warum ist „leben lernen und lieben lernen“ kein philosophisches Programm geworden?

 

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Fernando Savater: Ética para Amador / Tu, was du willst:

Wie kann man auf die bestmögliche Art leben? Diese Frage ist für mich viel substantieller als andere, dem Anschein nach viel gewaltigere Fragen: Hat das Leben einen Sinn? Lohnt es sich zu leben? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Das Leben hat einen Sinn, nur einen einzigen Sinn; es geht weiter. - Ich glaube, daß jede Ethik, die diese Bezeichnung verdient, vom Leben ausgeht und es stärken, bereichern will. Ich denke, daß nur der gut ist, der eine aktive Antipathie gegen den Tod fühlt. Achtung! Ich sage Antipathie und nicht Angst; in der Angst steckt immer ein Anflug von Respekt und ziemlich starker Ergebenheit.

Mich interessiert nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, sondern daß es ein Leben vorher gibt. (Schluß): Wähle das, was dich öffnet: den anderen, neue Erfahrungen, verschiedene Freuden.

Vermeide das, was dich einengt und begräbt. Dann also viel Glück!

 

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