Download PDF

Download Word

 

Irene Nickel
geschrieben am 7.5.2003

 

Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Die Menschenrechte wurden in vielen Dokumenten verkündet.
In einem der ältesten, der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, heißt es, dass „alle Menschen [...] mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, darunter Leben, Freiheit und Streben nach Glück...“ Im „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (1966) erkennen die Vertragsstaaten „das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ an (Artikel 12). Und Gesundheit ist, nach der Definition der WHO, der „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheiten und Gebrechen“.

„Glück“, „Gesundheit“, „Wohlbefinden“ - und dabei wären manche Menschen schon froh, wenn sie von den schlimmsten Leiden befreit werden könnten. Von Schmerzen und körperlichen Beschwerden, die durch keine Medizin erträglich gemacht werden können. Von der Öde eines Lebens in körperlicher Hilflosigkeit, die fast alles unmöglich werden lässt, was das Leben mit Freude und Sinn erfüllen könnte. Von der Demütigung durch ein Leben, das sich mit dem persönlichen Begriff von Würde nicht mehr vereinbaren lässt. Unter solchen Umständen kommt es immer wieder vor, dass Menschen ihr Leben als sinnlose Last empfinden und lieber sterben wollen.

Das scheitert nicht selten an den bestehenden Gesetzen. Aktive Sterbehilfe und ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung sind in Deutschland verboten, und in nur wenigen Ländern Europas sieht es besser aus.

Dem Willen der deutschen Bevölkerung entspricht diese Gesetzeslage nicht. Eine Forsa-Umfrage vom September 2000 ergab:

67 % der Befragten sprachen sich dafür aus,
aktive Sterbehilfe für bestimmte Fälle zu legalisieren;
nur 22 % meinten,
aktive Sterbehilfe sollte in jedem Fall verboten bleiben.

Mehr über die Ergebnisse der Umfrage
in einer Presse-Info der DGHS vom 10.10.2000 unter http://www.dghs.de/pressealt/Pressem4.html

Regierung und Parlament aber setzen sich über den Willen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung hinweg. Darunter leiden Menschen, denen es schlecht genug geht: so schlecht, dass sie am liebsten sterben würden. Gerade diese Menschen bedürfen in besonderem Maße der Hilfe - und gerade diesen Menschen wird wirksame Hilfe immer wieder verweigert!

Dabei gefallen sich Gegner von aktiver Sterbehilfe und von ärztlicher Beihilfe zur Selbsttötung nicht selten in der Vorstellung, ausgerechnet sie wären die Wahrer von Menschenrechten und Menschenwürde. „Kein Mensch hat ein Recht, einen anderen Menschen zu töten!“, tönen sie. Sie fragen nicht danach, ob denn irgendein Mensch ein Recht hat, einem anderen Menschen etwas noch Schlimmeres anzutun: ihm ein Leben aufzuzwingen, das für ihn schlimmer ist als der Tod.

Sie reden vom „Menschenrecht auf Leben“ und fragen nicht danach, ob nicht für einige Menschen ein anderes Menschenrecht wichtiger ist: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“ (Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO 1948). Einem Menschen durch Verweigerung von Hilfe zum Sterben ein ungewolltes Leben aufzuzwingen, das ist grausam und unmenschlich. Erniedrigend ist es außerdem, weil es den Willen des Menschen missachtet. Wie ein derart aufgezwungenes Leben mit der Menschenwürde vereinbar sein soll, ist unerfindlich.

Die Achtung vor dem Mitmenschen - man könnte auch sagen, vor seiner Menschenwürde - gebietet, dass man ihm das Recht zuerkennt, über sein Leben und seinen Tod selbst zu entscheiden.


Weitere Argumente von Gegnern der Hilfe zum Sterben
werde ich im Folgenden kurz skizzieren.
Es folgt jeweils eine kurze Erwiderung sowie (geplant) ein Link
zu einem Text, in dem ich ausführlich auf die Argumente eingehe und aufzeige, wie wenig stichhaltig sie sind.

Gegner der Hilfe zum Sterben argumentieren:

„Statt Hilfe zum Sterben anzubieten, soll man lieber mehr für die Linderung von Schmerzen und für die Verbesserung von Lebensumständen tun. So kann man erreichen, dass die Menschen gar nicht sterben wollen. Hilfe zum Sterben ist überflüssig.“

Wenn man das erreichen kann, dann ist das ein schöner Erfolg.
Nur leider kann man es nicht in jedem Fall erreichen.
Hilfe zum Sterben ist nicht überflüssig.

Gegner der aktiven Sterbehilfe argumentieren:

Aktive Sterbehilfe ist überflüssig.
Es gibt
passive Sterbehilfe und indirekte Sterbehilfe
.“

Diese Alternativen bieten nicht jedem Menschen die Hilfe, die er braucht. Das Gleiche gilt für die Alternative der Selbsttötung.
Mehr unter:
Aktive Sterbehilfe und ihre Alternativen 

Gegner der aktiven Sterbehilfe argumentieren:

„Ein Dammbruch muss verhindert werden!“

Manchmal braucht man aber ein Ventil, um unkontrollierbare Ausbrüche zu vermeiden.
Mehr unter: Recht auf Leben Recht auf Sterben
(geplant)

Gegner der aktiven Sterbehilfe argumentieren:

„Legalisierung von aktiver Sterbehilfe birgt die Gefahr
von Missbrauch und voreiligem Gebrauch.“

Legalisierung von aktiver Sterbehilfe verringert diese Gefahr.
Sie eröffnet viele Möglichkeiten, Missbrauch und voreiligen Gebrauch zu vermeiden. Illegale aktive Sterbehilfe ist gefährlicher.
Mehr unter: Missbrauch vermeiden Sterbehilfe legalisieren!
(geplant)

Gegner der Hilfe zum Sterben argumentieren:

„Wenn Hilfe zum Sterben leicht gemacht würde, dann könnte sich die Einstellung verbreiten, die Schaffung akzeptabler Lebensbedingungen für hilfsbedürftige Menschen wäre weniger dringend. Die Bereitschaft, Kosten, Zeit und Mühe darauf zu verwenden, könnte abnehmen.“

Wenn es nicht mehr so leicht ist, hilfsbedürftigen Menschen die Hilfe zum Sterben zu verweigern, dann bleibt - wenn diese Menschen weiterleben sollen - nur noch eins: Lebensbedingungen schaffen, unter denen diese Menschen leben wollen. Die Bereitschaft dazu dürfte eher zunehmen als abnehmen, zumindest unverändert bleiben.
Mehr unter: Missbrauch vermeiden Sterbehilfe legalisieren! 
(geplant)

Gegner der aktiven Sterbehilfe argumentieren:

„Eine Legalisierung von aktiver Sterbehilfe würde weder den Patienten dienen noch der Ärzteschaft. Keinem Arzt ist die Verwirklichung des Todeswunsches zuzumuten, keinem Menschen die endgültige Entscheidung darüber.“

Die endgültige Entscheidung über Leben oder Tod eines Menschen hat selbstverständlich nicht bei Ärzten oder sonstigen Fachleuten zu liegen, sondern beim betroffenen Menschen selbst. Dieser Mensch sollte die Wahl haben, ob er sich einer solchen Entscheidung stellen oder ihr ausweichen will.


Für diese Links gilt, was für alle meine externen Links gilt:
Für den Inhalt übernehme ich keine Verantwortung.
Diese Bemerkung ist kein Ausdruck des Misstrauens speziell gegen die DGHS, sondern eine Vorsichtsmaßnahme, die von Experten allgemein für alle externen Links empfohlen wird.


Download PDF

Download Word