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Materialien zum Ethikunterricht Weihnachten im Himmel von Heike Jackler (Copyright © 2000, Der Humanist)
[Dieses
"Weihnachtsmärchen" besteht zu einem großen Teil aus bekannten
und weniger
bekannten Aphorismen und Zitaten der entsprechenden Persönlichkeiten. Diese
Textstellen sind kursiv gesetzt.] Im
Himmel führen die Engel – so wie sie es auf der Erde gesehen haben –
die Weihnachtsgeschichte
auf. Es ist allerhand Volk zum Zuschauen gekommen, der Schiller,
Voltaire, Nietzsche, Goethe, Napoleon, der Apostel Paulus, gar einige Päpste
und viele andere mehr. Nur
Adolf Hitler ist als Gast unerwünscht, worüber er sich bitter beschwert:
"Der Nationalsozialismus
ist weder antikirchlich noch antireligiös, sondern im Gegenteil, er steht
auf dem Boden eines wirklichen Christentums." Außerdem hätte die Kirche ihm den
Abschluss eines einträglichen Konkordats zu verdanken, was im übrigen
noch heute
gelten würde. Die
Engel kehren ihm peinlich berührt den Rücken zu und beginnen schleunigst
ihr Krippenspiel. Als
sie gerade von der Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria erzählen, stürmt
ein Überraschungsgast,
der sich dezent im Hintergrund aufgehalten hatte, nach vorne – Gottes
Sohn leibhaftig, na ja, fast leibhaftig: immerhin werden auf Erden etliche Vorhäute
von ihm aufbewahrt: "Was erzählt ihr denn da für’n Blödsinn!
Meine Mutter eine
Jungfrau.... Wer glaubt denn so was?" Ein
Engel, schüchtern: "Die Menschen auf der Erde glauben das. Deine
Stellvertreter haben
es ihnen so erzählt." Der
Kirchenlehrer Gregor von Nazianz, der im 4. Jh. auf Erden weilte, meldet
sich verlegen
zu Wort: "Es bedarf nichts als Geschwätz, um beim Volke Eindruck
zu machen.
Je weniger es begreift, desto mehr bewundert es. Unsere Väter und Lehrer haben
oft nicht das gesagt, was sie dachten, sondern was ihnen die Umstände und das
Bedürfnis in den Mund legten." Goethe
lacht verschmitzt: "Umstände und Bedürfnisse, ts..ts. Unsterblich
ist die Pfaffenlist." Jesus
fragt nach: "Aber warum musste meine Mutter denn unbedingt eine
Jungfrau sein,
konnte sie kein normales Weib sein?" Eifrig
meldet sich einer der größten Theologen und Gelehrten des Katholizismus, Thomas
von Aquin, zu Wort und gibt sein Wissen über die Frau zum besten: "Das Weib
verhält sich zum Mann wie das Unvollkommene und Defekte zum Vollkommenen.
Ein männlicher Fötus wird nach 40 Tagen, ein weiblicher erst nach 80
Tagen ein Mensch. Mädchen entstehen durch schadhaften Samen oder feuchte Winde." Der
Kirchenlehrer Chrysostomos setzt hinzu: "Die Weiber sind hauptsächlich
dazu bestimmt,
die Geilheit der Männer zu befriedigen." Jesus
nachdenklich: "Ich verstehe, und so ein Weib konnte mich also nicht
gebären ..." Ein
Engel ergänzt: "Die Kirche ging sogar noch weiter. Auch Maria musste
bereits unbefleckt
empfangen worden sein. Das wurde aber erst 1854 zum Dogma." Jesus
schüttelt ungläubig den Kopf: "100 Jahre nach dem Beginn der Aufklärung wurde
das noch geglaubt?" Goethe
seufzt: "Es werden wohl noch zehntausend Jahre ins Land gehen, und
das Märchen
vom Jesus Christus wird immer noch dafür sorgen, dass keiner so richtig
zu Verstande
kommt." Und
Mahatma Gandhi setzt hinzu: "Unter den vielen Lügenmächten, die
in der Welt wirksam
sind, ist die Theologie eine der ersten." Jesus
empört: "Aber ich habe doch einige Leute beauftragt, meine
Geschichte aufzuschreiben.
Paulus, habt ihr das nicht ordentlich gemacht?" Der
Apostel stottert: "Doch, doch, geliebter Herr, aber leider hatte wohl
jeder etwas anderes
in Erinnerung. Wenn ich allein daran denke, wie ich darüber berichtet
habe, wie
du mir auf dem Weg nach Damaskus erschienen bist. Erst schrieb ich, meine Begleiter
hätten dich auch gehört, nur nicht gesehen. Ein paar
Kapitel später behauptete
ich genau das Gegenteil: Die anderen hätten das Licht wohl gesehen, dich
aber nicht gehört. – Kein Wunder, dass viele später meinten,
ich hätte wohl nur Halluzinationen
gehabt." Oscar
Wilde tröstet Jesus: "Jeder große Mann hat heutzutage seine Jünger,
und immer
ist es Judas, der die Biographie schreibt." Voltaire
erklärt seine Sicht: "Kaum haben sie Christus gepredigt,
beschuldigen sie sich
gegenseitig Antichristen zu sein ... und natürlich gab es unter diesen theologischen
Gezänken kein einziges, das nicht auf Absurditäten und Betrügereien aufgebaut
gewesen wäre." Den
frisch in den Himmel gekommenen Erzbischof Dyba ärgert dieser freche Franzose
gewaltig: "Und die Französische Revolution war eine Machtübernahme
der Gottlosen",
knurrt er und fragt mit Blick auf Oscar Wilde süffisant: "Na, habt
ihr hier auch
schon importierte Lustknaben?" Die
Anwesenheit des Fundamentalisten muss etwas in Jesus ausgelöst haben. Mit fremder
Stimme und starrem Blick spricht er: "Wer zu seinem Bruder
spricht: Du Narr!
Soll dem Feuer der Hölle verfallen sein." Die
Engel: "Jesus!" Jesus
weiter: "Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, reiß
es aus. Es ist besser,
als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird." Engel:
"Jeesuuss!" Weiter:
"Der Menschensohn wird seine Engel aussenden, und sie werden alle zusammenholen,
die Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen,
in dem das Feuer ewig brennt." Engel:
"Jeeeeee – das passt doch nicht zu unserem Weihnachtsmärchen!!!" Dybas
Augen funkeln, aber Nietzsches Ruf: "Gott ist tot! Gott bleibt
tot! Und wir haben
ihn getötet!"
bringt Jesus wieder langsam zu sich. Er
verwirrt: "Was ... war ... das?" Ein
Engel: "Ach, das kommt auch in der Bibel vor. Ist nur jetzt gerade
nicht so passend..." Jesus:
"Das soll ich gesagt haben?" Nietzsches
Zwischengeschwatsche: "Jesus ist das Gegenstück eines Genies: er
ist ein
Idiot."
wird geflissentlich überhört. Ein
Engel: "Ja, das sollst du gesagt haben. Zum Teil sogar in der
Bergpredigt, die die Menschen
so lieben ... obwohl – neuere Forschungen auf Erden bezweifeln mittlerweile,
dass die Bergpredigt überhaupt stattgefunden hat." Jesus:
"... nicht stattgefunden? Albert, du Urwalddoktor, was sagst du dazu?
Du hast doch
als gläubiger Theologe lange über mein Leben geforscht." Albert
Schweitzer versucht sich verlegen um die Antwort zu drücken, muss aber schließlich
zugeben: "Ach, es gibt nichts Negativeres als das Ergebnis der
Leben- Jesu-Forschung.
Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, das Gottesreich verkündete
und starb, um seinem Werk die Weihe zu geben, hat nie existiert." Jesus
schluckt: "Ich – nie existiert?" "Tja,"
meldet sich da auch Wilhelm Busch. "Wer in Glaubenssachen den
Verstand befragt,
kriegt unchristliche Antworten." Goethe
ergänzt: "Es ist die ganze Kirchengeschichte – Mischmasch von
Irrtum und Gewalt." Da
fühlt sich der Kirchenlehrer Augustinus angesprochen: "Gewalt? Was
hat man denn
gegen Krieg? Etwa dass Menschen, die doch einmal sterben müssen, dabei umkommen?" Napoleon
stimmt zu: "Es gibt keine Menschen, die sich besser verstehen als
Priester und
Soldaten." "Irrtum?"
fühlt sich auch Papst Leo X. angesprochen. "Wieviel die Fabel von
Christus Uns
und den Unseren genützt hat, ist bekannt." Dem
kann auch Pius II. nicht widersprechen. Lächelnd meint er: "Uns
ist das Märchen
vom Jesus zum Segen geworden!" "Ja,
selig ist der gute Christ, wenn er nur gut bei Kasse ist...", fängt
Wilhelm Busch an
zu trällern. Allmählich
werden auch einige Engel aufmüpfig: "Wofür brauchen wir überhaupt
die ganze
Religion? Und wenn schon Religion, dann doch lieber etwas Sinnlicheres, Lyrischeres
..." Die Engel schauen sich suchend um. "Hochverehrter
Herr Geheimrat Goethe ..." Goethe
wehrt ab: "Mir willst du zum Gotte machen? Solch Jammerbild am
Holze!" Jesus
protestiert: "Aber Religion macht glücklich!" Das
Argument findet der Dramatiker George Bernard Shaw nun doch zu dumm:
"Die Tatsache,
dass sich der Gläubige glücklicher fühlt, als der Ungläubige, besagt
nicht mehr,
als dass sich der Betrunkene glücklicher fühlt als der Nüchterne." Wo
es nun um die Religion an sich geht, fühlen sich noch mehr Gäste
angesprochen, ihren
Senf dazuzugeben. Schiller,
nach seiner Auffassung befragt: "Welche Religion ich bekenne?
Keine von allen,
die Du mir nennst. – Und warum keine? – Aus Religion. – Die goldene
Zeit der Geistlichkeit
fiel immer in die Gefangenschaft des menschlichen Geistes." Napoleon
sieht die guten Seiten der Religion: "Religion ist das, was die
Armen davon abhält,
die Reichen umzubringen." "Ja,
ja", meldet sich Seneca zu Wort: "Der gemeine Mann betrachtet
die Religion als richtig,
der Weise als falsch und der Politiker als nützlich." Epikur
aber philosophiert: "Mach‘ dir deine eigenen Götter und
unterlasse es, dich mit
einer schnöden Religion zu beflecken." (Ein
kecker Ruf schallt aus dem Off): "Wie kann ich an Gott glauben,
wenn sich erst letzte
Woche meine Zunge in der Walze der Schreibmaschine verheddert hat?" "Wer
war das?" fragt die Himmelsschar erstaunt. Ein
Engel: "Ach, das war Woody Allen von der Erde. Ein bisschen
neurotisch, der Typ." Konfuzius
sieht das alles etwas lockerer: "Ob es Gott gibt oder nicht,
wissen wir nicht.
Also lasset uns ihm Opfer darbringen." Das
gefällt Albert Einstein aber gar nicht: "Einen Gott, der die
Objekte seines Schaffens
belohnt und bestraft, der überhaupt einen Willen hat nach der Art desjenigen,
den wir an uns selbst erleben, kann ich mir nicht einbilden." "Aber
wieso glauben so viele Menschen überhaupt?" wundert sich ein Engel. "Als
Gott den Menschen erschuf, war er bereits müde; das erklärt manches",
witzelt Mark
Twain. Karl
Marx weiß Bescheid: "Die Religion ist der Seufzer der bedrängten
Kreatur, das Gemüt
einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist
das Opium
des Volkes." Jesus
versucht nochmal, sich in Erinnerung zu bringen: "Aber die Werte des Christentums
... das Vorbild der Priester..." Papst
Clement VI seufzt auf: "Was können die den Menschen predigen?
Demut? Sie sind
der Stolz selbst, aufgeblasen, pompös und verschwenderisch. Armut? Sie
sind so
habgierig, dass alle Reichtümer der Welt sie nicht zufrieden stellen könnten. Keuschheit?
Davon wollen wir lieber schweigen." "Das
Beste, was das Christentum hervorgebracht hat, sind seine Ketzer",
erwidert Ernst
Bloch. "Ihr
könnt Menschen durch Gewinn oder Strafen dazu zwingen, dass sie sagen
oder schwören,
sie glaubten, und dass sie so tun als ob sie glaubten. Aber weiter könnt
ihr nichts",
schimpft Jonathan Swift. "Aber
die Priester? Sie glauben doch wenigstens selbst?" fragt
Jesus, langsam verzweifelnd. Da
kann der französische Revolutionsdichter Chamfort nur lachen: "Jaaa,
der Pfarrer muss
ein bisschen Glauben bewahren ... der Vikar darf bei einer abfälligen Bemerkung
über die Religion lächeln; der Bischof lacht laut auf; und der Kardinal macht
selbst noch einen Witz darüber." Johannes
Dyba will gerade einen solchen zum besten geben, aber Arthur Schopenhauer
kommt ihm zuvor: "Kennt ihr den? Der Arzt sieht den Menschen in seiner
ganzen Schwäche. Der Advokat in seiner ganzen Schlechtigkeit; der
Priester ...
in seiner ganzen Dummheit." Bevor
die ganze Gesellschaft brüllend vor Lachen noch weitere Witze ablässt,
drängt Jesus
als Hausherr nun doch darauf, die Weihnachtsgeschichte weiter fortzuführen. Laut
fängt er an zu singen: "Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch
..." Jäh
wird Jesus unterbrochen, denn bei den unschuldigen Kindern hört für
Friedrich Schiller
der Spaß auf: "Man sollte es sich zur heiligsten Pflicht machen,
dem Kinde nicht
zu früh einen Begriff von Gott beibringen zu wollen. ... Das Kind hat
vielleicht seine
ganze Lebenszeit daran zu wenden, um jene irrigen Vorstellungen wieder zu verlieren." Ephraim
Lessing stimmt zu: "Mein Nathan der Weise hat seine Tochter vielmehr
in keinem
Glauben auferzogen, und sie von Gott nicht mehr nicht weniger gelehrt, als der
Vernunft genügt." Und
auch Arthur Schopenhauer ist gegen die Kindesverführung: "Wenn
die Welt erst ehrlich
genug sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahre keinen Religionsunterricht
zu erteilen,
dann wird etwas von ihr zu hoffen sein." Die
schauspielenden Engel geben‘s auf, noch eine ordentliche Vorstellung auf
die Beine
zu stellen, packen Krippe und Esel ein, lassen die Schafe bei Jesus und fliegen
von dannen. "Gotteslästerung
ist das hier alles!" verliert Jesus nun die Nerven. Und
da wettert auch gleich der ehemalige Militärbischof Dyba: "Genau: Gotteslästerung.
§166. Auch mein Kollege Kardinal Meisner meinte jüngst bei einem Soldatengottesdienst:
‚Alle Menschenverachtung hat ihre Ursache in der Gotteslästerung.‘" "§
166", äfft Kurt Tucholsky. "Deswegen mag ich mich nicht gern
mit der Kirche auseinandersetzen;
es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren,
die sich strafrechtlich hat schützen lassen." "Alle
großen Dinge beginnen als Gotteslästerung!" ruft George
Bernhard Shaw. Und
Voltaire fordert: "Es gibt ein Recht auf Blasphemie, sonst gibt es
keine wahre Freiheit." Als
ob "WAHRE FREIHEIT" das Stichwort gewesen wäre, lassen jetzt
auch die restlichen
Engel und sämtliche Gäste den lieben Gott ’nen guten Mann sein und machen
sich auf und davon. Nun
steht nur noch der Gottessohn einsam und verlassen auf der Himmelsbühne, lehnt
sich an einen Holzbalken, breitet seine Arme aus und klagt gebrochen:
"Vater ....
Vater ..., warum hast du mich verlassen?!" Und
Gott schaut hinter einer Wolke hervor, lächelt weise --- und behält sein Geheimnis für sich ... |