Materialien zum Ethikunterricht
Determination oder freier
Wille? „Ich kann mich doch
entscheiden, ob ich:
In unserem
subjektiven Erleben glauben wir natürlich immer wieder an eine
Entscheidbarkeit. Auch an die Entscheidungsmöglichkeit, ob wir gebahnt,
emotional, spontan, reflektorisch oder aber tiefgründiger,
analytischer, aus vielen Betrachtungswinkeln sehend entscheiden glauben
wir in der Regel. Bei allen Fragen: „tu ich dieses oder jenes“
entscheiden wir uns doch scheinbar immer wieder neu. Scheinbar? Wieso
scheinbar? Weil wir dieses ganze Thema auch etwas tiefgründiger
betrachten können! Entscheiden Sie
wirklich, welche Zahl größer ist: 10 oder 15? Nein. Wir entscheiden
nicht welche Zahl größer ist. 15 ist nun mal größer und wird damit
den neurologischen „Zuschlag“ erhalten. Sehr einfach gesagt
scheint unser Denken aber auf dieser Ebene zu funktionieren. Ich komme
später darauf zurück. Zuerst versuche ich
mit einigen einfachen Beispielen Grundinformationen zu bieten. Halten Sie einen
Bleistift mit der Spitze auf einem festen Untergrund und mit dem Finger
am entgegen gesetzten Ende so senkrecht wie möglich. Lassen Sie den
Bleistift los. Er fällt auf eine bestimmte Seite. Ist das Zufall? Oder
erkennen wir in der Reaktion des Bleistiftes nur, dass er sich seinen
„Naturgesetzen“ entsprechend verhält? Oder doch Zufall? Je besser wir
erkennen, warum der Bleistift sich verhält, wie er sich verhalten muss,
umso weniger glauben wir an Zufall. Betrachten wir die vorgegebene
Situation mit hochempfindlichen Sensoren und 3
Hochgeschwindigkeitskameras so können wir die Reaktion des Bleistiftes
gut nachvollziehen! Wir erkennen die
Winkelabweichung des Bleistiftes von der Senkrechten, einen Impuls des
Fingers beim Loslassen, die Beschaffenheit des Untergrundes,
Luftbewegungen, die exakte Gravitationswirkung und viele weitere
Bedingungsfaktoren für den Fall des Bleistiftes. Je umfassender unsere
Kenntnisse der vorgegebenen Situation (gehaltener Bleistift) und je
umfassender unsere Kenntnisse über den Reiz (Loslassen des Bleistiftes)
umso klarer erkennen wir das zwangsläufige Resultat (Lage des
Bleistiftes).Wir erkennen, dass der Bleistift nicht anders hätte
fallen können, als er es getan hat. An das Prinzip
“Zufall“ glauben wir vermutlich immer dann, wenn uns entweder die
Informationen über Situation und Reiz fehlen oder die jeweilige
Informationskomplexität über Situation und Reiz unsere Aufnahmekapazität,
die Merkfähigkeit und / oder die Daten - Verwaltungskapazität übersteigen.
Sobald uns Menschen ein Vorgang nicht mehr erklärlich war erklärten
wir uns den Vorgang mit „Zufall“ oder schufen eine Erklärung durch
die Konstruktion eines Gottes. Unter Anderem wurde der damals unerklärliche
Donner durch die Konstruktion des Gottes „Donar“ erklärt. Und
damals wie heute gab es viel, sehr viel Unerklärliches, und damit sehr
viele Götter! Fast alle Gottheiten fielen inzwischen unserem Verständnis
um die Naturgesetzte zum Opfer. Heute dient in der Regel nur noch eine
Gottheit pro Religion für den Zweck der Erklärbarkeit des noch Unerklärten. Zurück zum Thema. Fixieren wir
beispielsweise 25 Bleistifte mit einer Halterung genauest – möglich
übereinander, lassen wir zu einem kürzest möglichen Zeitpunkt alle
Bleistifte fallen, so werden wir schon eher an Zufall glauben. Von dem
einen Bleistift mit der Nummer 24, der 3,5 Meter weit von seinem
Ursprungsort zum Liegen kam könnten wir nun denken, dass das Zufall
sein könnte. Der könnte doch schließlich auch 30 cm weniger weit
gefallen sein. Könnte er wirklich? „Hätte“
er? Wir sehen uns die 3
Hochgeschwindigkeits-Filme an, die von Bleistift 24, aber auch von allen
anderen Bleistiften in ihrem Fall bis zu ihrer Endposition aufgenommen
worden sind. Wir erkennen in stundenlanger Analyse des Falles von
Bleistift 24, wie er einen „Spin“ beim Fall bekam, der ihn letztlich
auf seine „Ergebnis-Position“ beförderte. Und nach stunden- oder
tagelangen Untersuchungen erkennen wir, dass Zufall in unseren aufwändigen
Untersuchungen keinen Platz hat. Machen wir für unser
2tes Beispiel einen Abstecher in die Chemie. Ein Chemiker bringt
etwas Säure auf ihre Haut auf. Sie spüren Rötung der Haut und
brennenden Schmerz. Glauben Sie an
Zufall? Nein, sie kennen Säure und die Funktionen ihrer Haut. Beide
Reaktionen werden von ihnen als zwangsläufig erkannt. Der gleiche Chemiker
(den sie inzwischen nicht mehr so mögen) vermischt in einer bestimmten
Reihenfolge, unter wechselnden Drücken und Temperaturen 25 verschiedene
ihnen größtenteils unbekannte Substanzen miteinander. Das Ergebnis
ist: Rosa. Sie sind erstaunt und glauben nach einem solch komplex
erscheinenden Vorgang an Zufall. Ganz verständlich, da Sie mit Chemie
sowieso nicht viel am Hut hatten. Der Chemiker sagt ihnen aber dass das
Ganze kein Zufall sei. Hätte er die Substanz 24 genau 38 Sekunden länger
und die Temperatur 5,6 Grad höher wirken lassen, so wäre das Resultat,
die „Ergebnis-Farbe“ Rot gewesen. Wenn sie einige Wochen oder Monate
Zeit hätten würde er ihnen sehr gerne die Regeln der Chemie erklären.
Sie glauben aber lieber nicht mehr an Zufall und lehnen die Einladung
des Chemikers dankend ab. Auch bei dieser
Situation und bei diesen Reizen verstehen sie nun, dass es keine andere
Farbe als Ergebnis-Farbe hätte
sein können als: Rosa. Drittes Beispiel:
Elektrik. Wir drücken auf einen Lichtschalter, das Licht geht an, wir
drücken wieder und das Licht geht aus. Zufall? Dieses tolle Spielzeug für
die meisten kleinen Kinder führt bei diesen Kindern bald zu einer
Erkenntnis des Zusammenhangs. Die Wiederholbarkeit des für kleine
Kinder unverständlichen Vorganges schaltet auch bei diesen Kindern das
Glauben an den Zufall bald ab. Eine komplizierte Reihenschaltung oder
Kreuzschaltung mit einigen Relais würde bei mir und eventuell auch bei
ihnen zu einer Überforderung des Verstehens führen. Durch die
Bereitschaft eines Elektrikers uns das zu erklären und durch die
Wiederholbarkeit der Ausführung mit dem gleichen Ergebnis glauben wir
auch in diesem Fall bald nicht mehr an Zufall. Viertes Beispiel: Auf
ihrer Computertastatur drücken Sie auf die Taste 5. Auf ihrem Monitor
erscheint das Zeichen 5! Sind sie sehr erstaunt? Glauben sie an Zufall?
Vermutlich beides nicht. Verstehen sie den Lauf des Signals von Ihrer
Tastatur bis auf dem Monitor das entsprechende Zeichen entsteht?
Verstehen sie die Rechenfunktionen ihres Computers, was dieser Computer
mit der Zahl 5 anfängt, wie er diese Zahl verwendet um zu einem
bestimmten Resultat zu gelangen? Vermutlich wieder nicht. Aber aufgrund
der Wiederholbarkeit erkennen wir die Zwangsläufigkeit und damit
Determination auch eines sehr komplexen Vorgangs. Fünftes und vorerst
letztes Beispiel: Unser Ausflug in die
Biochemie oder Biologie. Wir kommen zu den Zellen unseres Organismus und
betrachten manche von ihnen auf deren Komplexität. Einige sehr einfache
Zellen sind die roten Blutkörperchen, die Hautzellen, die Fettzellen,
die Muskelzellen. Erstere nehmen aufgrund von unterschiedlich hohen
Sauerstoffpartialdrücken Sauerstoff auf (Lunge) und geben diesen wieder
ab (Gewebe). Fettzellen lagern Fette ein und geben diese unter sehr
einfachen Bedingungen wieder ab. Auf Muskelzellen wirkt ein Potential
und sie kontrahieren sich. Nie entscheiden die Zellen über deren Tätigkeit.
Kein Zufall spielt mit. Bei solch einfachen Zellen erkennen wir die
Zwangsläufigkeit der Reaktionen noch sehr gut. Situation
und Reiz bedingt Reaktion! Lassen wir die
Mittelklasse der Zellen einfachheitshalber aus und wenden wir uns den
sehr komplexen Zellen zu. Leberzellen, Zellen des Immunapparates. Beide
sind Wunderwerke an Komplexität. Erstere entgiften und synthetisieren
eine Vielzahl verschiedener Substanzen. Immunzellen analysieren und
neutralisieren Erreger, in ihnen steckt ein umfassendes Gedächtnis für
Erreger, körpereigener und körperfremder Substanzen und absolut klare
Aufträge, wie sie mit den einzelnen Substanzen umzugehen haben. Superkomplex, deren
Strukturen aber trotzdem bestimmen Reize ihre zwangsläufigen
Reaktionen. Jede dieser Zellen,
einfache und komplexe muss auf einen bestimmten Reiz mit einer ganz
einzigartigen Reaktion antworten. Verständlicherweise haben auch diese
Zellen keine Möglichkeit zu entscheiden, wie sie reagieren wollen. Alle
tun genau das, wozu sie bestimmt, wozu sie determiniert sind. Kommen wir nun zu
einer anderen Zelle unseres Körpers. Einer Nervenzelle. Was denken sie?
Gehört sie eher zu den einfachen oder zu den komplex reagierenden
Zellen? Wäre zwar aus der Sicht der Determination egal, weil beide
Arten in ihren Reaktionen zwangsläufig und gezwungenermaßen
funktionieren. Aber trotzdem! Was denken sie? Nun, eine Nervenzelle
ist in ihrer Funktion etwa so komplex wie ein Kupferkabel. Das
Kupferkabel erhält einen Reiz (Stromimpuls) und leitet diesen Impuls
nur und einfach weiter. Hat das Kupferkabel eine Wahl? An bestimmter
Stelle empfängt es einen Reiz und zu bestimmter Stelle leitet es den
Reiz. Eine Nervenzelle tut
genau das gleiche. Sie hat verschiedene „Zugänge“ (Dendriten) und
einen „Ausgang“ (Axon). Sobald ein Schwellenpotential erreicht wird
entsteht am Axon eine Freisetzung eines Aktionspotentials. Dabei hat die
Nervenzelle nichts „mitzureden“! Sie erhält
Erregungen und leitet diese weiter, ähnlich wie ein Kupferkabel einen
Strom weiterleitet. Wenn wir uns nun
immer noch nicht einig darüber sind, dass die Zunahme der Komplexität
eines Vorganges nichts am Prinzip der Zwangsläufigkeit ändert, so können
wir uns das wieder an einem Beispiel ansehen: 5+3=8 Stimmen wir darin überein?
Kein Erstaunen? Kein Zufall? Und - es „könnte“
bei dieser Rechnung auch nicht 7 oder 9 hinter dem = stehen? Wie steht es damit? 5+3/1,567*6,456=
17,3599234 (gerundet nach Excel). Viel komplexer und trotzdem kein
Zufall. Das Ergebnis ist das zwangsläufige Resultat der Zahlen vor dem
=! Wenn wir diese
Rechnung über mehrere Seiten ausweiten wird sie immer komplexer, das ändert
aber wieder nichts an dem Prinzip! Nun komme ich endlich
zu meiner Definition der Determination: Determination
ist die Zwangsläufigkeit der Reaktion von Masse und Energie und allen
daraus resultierenden Strukturen aufgrund ihrer absoluten Abhängigkeit
von ihren reaktionsbedingenden Gesetzen. Die
reaktionsbedingenden Gesetze sind die von uns so genannten Naturgesetze.
Nicht nur die, die wir bereits kennen, sondern all jene, die wirklich
die Reaktionsweisen der Materie und Energie bedingen. Und diese
erscheinen mir im Moment absolut zwingend. So wie es mir zwangsläufig
erscheint, dass 5+3 8 ergeben, so zwangsläufig erscheint mir das
Prinzip zu wirken: Situation + Reiz= Reaktion oder Ergebnis. Keine
verschiedenen Möglichkeiten, sondern nur eine einzig logische, absolut
zwingende Reaktion oder Ergebnis. Wenn, ja nur wenn nun
unser Denken und Fühlen nur eine Summation der Tätigkeiten von sehr
vielen (bis zu 1 Billion) Nervenzellen und deren Aktionspotenzialen ist
– wo begänne dann die Varianz, der Zufall oder die
Verschiedenartigkeit der Möglichkeit der Reaktion zu wirken? Höchste Zeit, sich
kurz mit dem „Zufall“ zu
befassen! Wenn sich die Determination durch die Zwangsläufigkeit
auszeichnet, so würde sich der Zufall durch die Unbestimmtheit eines
Ergebnisses bei definierter Situation, auf die ein bestimmter Reiz
einwirkt auszeichnen. All das wären meines
Erachtens die Voraussetzungen für einen so genannten „freien
Willen“. 5 + 3 = 8 Situation + Reiz =
Reaktion Werte + Reiz =
Reaktion (Verhalten) Um dieses besser zu
verstehen wenden wir uns zuerst den Werten zu. Das Wort „Wert“ wird
in der Regel in unserem Sprachgebrauch ganz anders verwendet, als ich es
verwende. Wir verwenden das Wort „Wert“ in der Regel als ethisch
oder moralisch hochwertige Eigenschaften. Ich versuche meine
Wortverwendung zu erklären: Versuchen Sie sich,
unsere Denkabläufe vorzustellen. Ähnlich, wie wir in der Mathematik
mit Zahlen oder Werten rechnen, berechnen oder bewerten, so wie wir uns
in unserer Sprache der Laute oder Buchstaben und daraus resultierend der
Worte und Sätze bedienen, scheint auch unser Denken insgesamt zu
funktionieren. Es erscheint mir sehr einfach. Eine Information der neutralen Realität
wird von meinem Wertsystem in zwangsläufiger und einzigartiger Weise
bewertet. Hauptsächlich diesen und einige, dem Bewerten folgende
neurologische Prozesse nenne ich auf psychologischer Ebene „Denken“.
Meine Bewertungen ziehen zwangsläufige neurologische Reaktionen nach
sich. Abhängig davon, ob ich nun einerseits automatisch, reflektorisch,
spontan emotional oder anderseits bewusst, rational, analytisch,
vernunftorientiert oder überlegt bewerte, entstehen bestimmte, zwangsläufige
Reaktionen. Dieses „Umschalten“ geschieht in unserer Psyche nicht
durch uns gesteuert. Kommt mein Auto mit zu hoher Geschwindigkeit auf
nasser, kurviger Straße im Gebirge ins Schleudern, so werde ich nicht
rational oder analytisch den vermuteten Durchbruch durch das Geländer
und den vermuteten Zeitverlauf bis zum Aufschlag in der Schlucht
berechnen. Ich werde reflektorisch Gegenlenken und über meine Reflexe
(im Falle des Überlebens) froh sein. Herr Michael Schuhmacher, der
Rennfahrer ist ein anderer Mensch, mit anderen Reflexen, die auf eine
andere Wertstruktur, durch andere Erfahrungen bedingt, zurück zu führen
sind. Herr Schuhmacher´s Verhalten hätte den Wagen vermutlich einige
Meter früher unter Kontrolle gebracht als ich. In der Formel: Situation
+ Bewertung bedingt das Verhalten macht sich wieder die Determination
bemerkbar. Fragt mich hingegen jemand, ob ich lieber: Der wesentliche Unterschied scheint nur die Vielfalt der rational,
analytisch, bewusst, vernünftig erscheinenden Möglichkeiten zu sein.
In dem gegebenen Fall haben wir nur 3 Möglichkeiten der
„Entscheidung“. Aber wir werden hunderte oder tausende Pro und (so
genannte) Kontras der 3 Punkte finden. Jeder für sich findet seine
eigenen Pro´s und Kontra´s! Je nach Wertsystem. Und daraus wird jeder
für sich eine zwangsläufige „Entscheidung“ treffen. Wieder sind
wir beim Punkt der Überschreitung einer Komplexitätsgrenze! Bei
hunderten oder gar tausenden von verschiedenen Pro´s und Kontra´s
erscheint uns subjektiv der Denkprozess oder / und das Ergebnis als zu
komplex, als dass wir es als determiniert verstehen könnten. Nun ist
unsere Intelligenz und Abstraktionsfähigkeit gefordert! Zum Realitätsablauf. Wie oben beschrieben fällt
es uns noch leicht, einfache Situationen, Reize und deren Reaktionen
nach dem Prinzip der Determination oder Zwangsläufigkeit zu verstehen. Je kleiner aber die Struktur wird, je vielfältiger
die Struktur ist, je mehr Interaktionen in einer Situation bestehen, je
kürzer die Zeitintervalle zwischen verschiedenen Prozessen werden, je
mehr sich die Physik, Elektrik, Elektronik, Chemie, Biochemie in einem
Prozess vereinen, der dann auch noch schwer in der Zeit auflösbar
erscheint, je mehr wir dann noch in den Mikrokosmos (Atome und
subatomare Strukturen) eintauchen müssen – umso schneller kommt der
Zeitpunkt in dem wir überfordert sind – und an Zufall, die Varianz
oder ein „hätte“ glauben. Wir Menschen haben nur sehr, sehr begrenzte Möglichkeiten
Informationen der Realität mit unseren Rezeptoren aufzunehmen, zu
speichern, zu verarbeiten und zu rekapitulieren. Deshalb sind die
Bilder, die wir uns von der Realität machen zwangsläufig sehr weit von
der Realität entfernt. Könnten wir alle Informationen der Realität
aufnehmen, sie speichern, sie auf der Basis unseres nur dann vorhandenen
„Wissens“ (absolute Kenntnis der Realität) verarbeiten, so könnten
wir in Verbindung mit unserem „Wissen“ über die Regeln oder
Naturgesetze natürlich auch alle Prozesse der Realität voraus
berechnen. Wann ein Regentropfen, aus welchen Molekülen bestehend auf
welchen Millimeter unserer Erde fallen wird, wäre im Voraus zu
erkennen. Auch in 2712 Jahren! Nachdem uns all diese Möglichkeiten aber
fehlen, müssen wir uns mit dem behelfen, was uns zur Verfügung steht.
Um also alleine nur das Wetter 1, 2 oder 3 Tage voraus zu berechnen
steht uns eine riesige Zahl von Wetterstationen (Rezeptoren) zur Verfügung,
deren (für uns) sehr umfangreiche Daten von sehr leistungsfähigen Großrechnern
verarbeitet werden, die uns im günstigsten Fall dann ein in Etwa –
Wetter der nächsten Tage liefern. Nun zu einem ganz anderen Thema. Freier Wille! Die Voraussetzung, dieses Thema besser zu verstehen
ist eine Worterklärung anzubieten, eine Definition der Worte, wie ich
sie verwende. Diese Definitionen erheben keinen Anspruch auf Wahrheit,
wie alles, über was ich schreibe oder spreche. Es sind nur Worte und
meine Erklärung, wie ich sie verwende.
Nun steigen wir etwas tiefer ein in unser
Wertsystem und dem daraus resultierenden Denken und Verhalten. Was
bedingt unsere Werte? Die Grundstruktur scheint genetisch bedingt, aber
eben bedingt zu sein! Haben wir uns diese Grundstruktur ausgesucht?
Vermutlich nicht. Haben wir uns unsere Eltern, die Kultur, den Ort, das
Milieu, die Zeit unserer Geburt ausgesucht? Manche Glaubensrichtungen
bejahen das. Ich halte es zurzeit für eher unwahrscheinlich. Auf diese Grundstruktur wirkten unsere Erfahrungen
ein, ergänzten und veränderten dadurch zwangsläufig unsere Werte. Was
hat unsere Erfahrungen bedingt? Hatten wir steuernden Einfluss darauf in
welchen Kindergarten, welche Schule oder welches Heim wir gingen und
welche Einflüsse dort auf uns einwirkten? All das prägte unser
Wertsystem, unsere Persönlichkeit. Diesen Prozess nennen wir unter
Anderem „Veränderung, Entwicklung, Lernen,…..“. Neurologisch
sprechen wir nun von der „Plastizität des Gehirns“! Dieser Veränderungszwangsläufigkeit
unseres Gehirns widerspricht vermutlich niemand ernsthaft! Sie ergibt
sich aus mehreren Faktoren, die für diese Neuroplastizität klare
Bedingungen darstellen. Nichts bleibt, wie es ist, die Alterung, das
Lernen und vieles, vieles mehr…! Nichts bleibt, wie es ist!!! Alles verändert sich
auf der Basis der Zwangsläufigkeit. Vermutlich sind wir uns inzwischen
über die determinierte Veränderung von Realitätszuständen einigermaßen
einig. Die Alterung wirkt auf alle biologischen Systeme
zwangsläufig verändernd! Lernen können wir definieren als einen
Informationszuwachs, der psychologisch einer Wertveränderung entspricht
und der neurologisch mit einer Veränderung der Neuronenkonfiguration,
beziehungsweise deren Synapsen zu entsprechen scheint. Nun
noch einige Beispiele, die auch helfen können dieses komplexe Prinzip
zu verstehen. Der
Faden: Stellen
Sie sich einen unendlichen Faden vor. Der Faden symbolisiert sowohl
die Zeit wie auch die Neutralität. Auf diesem Faden läuft ein imaginärer
Punkt – unsere Gegenwart! Der Punkt kommt aus der Richtung, die wir
Vergangenheit nennen. Der Punkt läuft in die Richtung, die wir
Zukunft nennen. Die absolute Geradlinigkeit des Fadens steht für die
Neutralität der Realität.
Betrachten wir nun den Faden im Bereich dessen, was wir Vergangenheit
nennen. Erscheint uns nun ein Bereich des Fadens als krumm oder
gebogen, so ist das gleichbedeutend mit der Interpretation der
Negativität oder Positivität von interpretierten
Vergangenheitsanteilen. Ist die Realität nun wirklich neutral, würden
wir die Realität in unserer Interpretation der Negativität wohl fehl
interpretieren. Beispiel:
Vater entschied sich für den Beginn einer Lehrstelle, obwohl der Sohn
auf die Schule gehen wollte. In unserem Beispiel empfand der Sohn des
Vaters Entscheidung von Anfang an bis in die Gegenwart als
„Negativ“. Vater „hätte“ sich auch anders entscheiden können
– denkt der Sohn! Sieht dieser Sohn nun den Krummen, weil negativ
und vermeidbar interpretierten Bereich seines Vergangenheitsfadens an,
so hat er nun eine Chance etwas zu lernen oder die Last der Negation
weiter zu (er)tragen -- je nach dem Zustand seines Wertsystems! Billardkugeln: Stellen
sie sich eine Billardkugel vor, die von ihnen mit einer anderen
Billardkugel angeschossen wird. Die Reaktion der angeschossenen
Billardkugel scheint als zwangsläufig erkennbar. Auftreffkraft,
Auftreffwinkel, Untergrund, Lage des Untergrundes, Wind sind die
hauptsächlichen Bedingungen für die Reaktion der Billardkugel. Das
ist die einfache Version. Wäre ja langweilig. Deshalb machen wir es
etwas komplexer. Mehrere Billardkugeln werden direkt und indirekt von
der stoßenden Billardkugel bewegt. Glauben Sie schon an Zufall oder
die Variabilität der Reaktion? Nein? O.k.. Dann noch komplexer. Die
bewegten Billardkugeln befinden sich bei dem Stoß der auftreffenden
Billardkugeln bereits in Bewegung. Noch komplexer? Stellen sie sich
einen Raum vor, in dem die Schwerkraft durch die Fliehkraft annähernd
aufgehoben wird (z.B. Erdorbit). Gleiche Beispiele. Eine Kugel trifft
eine Kugel. Eine Kugel trifft mehrere. Eine Kugel trifft mehrere
bewegte Kugeln. Mehrere Kugeln treffen mehrere bewegte Kugeln. Wann
kommt der Zufall oder die Varianz ins Spiel? Immer noch nicht? Dann
noch viel komplexer! Unser Gehirn besteht aus bis zu einer Billion
Neuronen, von denen jede einzelne in kurzen Intervallen
Aktionspotenziale weiterleitet. Diese können wir mit Billardkugeln
vergleichen. Unser Denken erscheint mir als der Prozess des Laufes
dieser extrem vielen Aktionspotenziale. Ein Reiz, der auf unsere
Rezeptoren einwirkt, wird in Aktionspotenziale übersetzt und gleicht
der Einwirkung von vielen Billardkugeln, die auf ein System aus extrem
vielen im Bewegungsprozess befindlichen Billardkugeln einwirkt. Wo ist
nun der Zufall? Wenn er da ist, ab wann und wo hat er begonnen zu
existieren? Ich
will nicht sagen, dass es keinen Zufall oder die Varianz der Reaktion
gibt, die die Voraussetzung für den freien Willen meines Erachtens wäre.
Ich will nicht einmal sagen dass es keinen „freien Willen“ gibt
oder / und dieser „freie Wille“ nur Illusion ist! Ich will nur
sagen, dass ich keine Anhaltspunkte dafür finde. Ich hoffe aber auf
sie, da mir die Existenz eines freien Willens deutlich lieber wäre
als die Determination! Ich müsste aber etwas konstruieren, um an den
freien Willen glauben zu können. Das will ich nicht. Ich überlasse
es Religionsgründern und Menschen, die ähnlich denken. Warum
Religionsgründern? Weil Religionsgründer immer zuerst eine Struktur
konstruieren mussten, eine Gottheit oder gleich mehrere. Diesen Göttern
wurden dann noch weitere Eigenschaften ankonstruiert. Konstrukte in
Konstrukten! Die Konstrukte erhielten nun definierte Größe,
Aussehen, Wesenscharakteristik, Motive, Verhaltensweisen, Äußerungen,
und viele andere Details. Ihnen wurden Interaktionen mit Menschen
ankonstruiert, Kommunikationen. (Und Gott [oder sonst wer] sprach zu:
……) Sehen wir uns nun die vielen Religionen mit ihren einzelnen
oder vielen Göttern, deren verschiedenen Eigenschaften, verschiedenes
Aussehen, verschiedene Motive, verschiedene Äußerungen an.
Vergleichen wir diese vielfältigen, irrwitzigen und teils obskuren
Konstrukte miteinander, bringen noch die eifersüchtigen, arroganten
und überheblichen Allein - Wahrheitsansprüche der einzelnen
Religionen mit ins Spiel, dann müssen wir wohl spätestens jetzt
erkennen, das unsere Hoffnung die wesentliche Bedingung für unsere
vielen Glaubensrichtungen darstellt. Und auf was hoffen wir, wenn wir
an den „freien Willen“ glauben? Vermutlich hoffen wir einfach
darauf, dass wir nicht zu einem unendlich kleinen, unwesentlichen
Teilchen der Realität degradiert werden, das einfach nur reagiert wie
es muss und das nichts, wieder nichts, aber auch gar nichts objektiv
im Ablauf der Realität mitzureden hat. Weder in Aspekten, die das
unendlich kleine Teilchen selbst betrifft, noch in Bereichen, die darüber
hinausgehen! Und diese Erkenntnis scheint für viele von uns zu harter
Tobak zu sein! Nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein
darf“! Was
ist die größere Zahl? 10 oder 15? Wofür „entscheiden“ sie sich?
Haben sie sich bei solch einer Frage überhaupt zu entscheiden? Oder
ist die Antwort klar und damit als eine Zwangsläufigkeit determiniert
oder bestimmt? Erinnern sie sich noch an die „Werte“? Durch unsere
Werte bestimmen wir die Wertigkeit oder Charakteristik von Realitätsanteilen.
Aufgrund unseres Wertsystems weisen wir all unseren interpretierten
Realitätsanteilen gewissermaßen eine Zahl zu. Bei mir bekommt das
Fahrrad eine 22, das Auto eine 37 zugeteilt, Kommunikation eine 476,
Neugierde eine 3742, die Liebe eine 17342 und so weiter. Eines jeden
Menschen Wertsystem weist jedem Realitätsanteil und wiederum jedem
Gedanken einen oder mehrere Werte zu. Mehrere? Vermutlich ja, da wir
innerhalb unserer Psyche mindestens 2 grundverschiedene Strukturen
kennen. Emotio und Ratio! Wie ist es dann noch mit den angeborenen –
und den anerzogenen Werten? All diese und die resultierenden
Mischstrukturen unserer Psyche weisen interpretierten Realitätsanteilen
Bewertungen oder Größen zu, die wir, sehr vereinfacht mit
Zahlenwerten gleichsetzen können. Komplex? Natürlich! Angenommen,
sie weisen mit ihrem Wertsystem dem Fahrrad eine 22 und dem Auto eine
37 zu. Was ist ihnen dann wichtiger? Jemand nimmt ihnen eines der
beiden Objekte weg, sie können aber „entscheiden“ welches! Würden
sie sich „entscheiden“ welche Zahl größer ist? 22 oder 37? Oder
ist klar, was für sie den höheren „Wert“ hat? Und - dass sie
sich wohl oder übel von ihrem Fahrrad trennen werden. Oder:
Sie bekommen von jemandem eine Ohrfeige! Patsch! Sie spüren den
Schmerz und sind sehr erschreckt! Wie reagieren wir in einer solchen
Situation? Können wir mit einem Schieberegler einstellen, ob wir
spontan, reflektorisch, emotional oder rational, überlegt,
analytisch, rational reagieren? Ich denke, dass es in unserer Psyche
keinen Schieberegler gibt. Keinen für Freude, Liebe, Angst, Lust,
Aggression und so weiter! Oft hätten wir diesen Schieberegler gerne.
Wie gerne und oft würden wir den Regler für Hunger oder Appetit nach
unten verschieben? Wie gerne wären gerade wir Männer, eben wir
Indianer frei von Angst oder Schmerz? Fleiß, Geduld, Konsequenz,
Zielstrebigkeit, Souveränität, Intelligenz nach „oben“!
Dummheit, Oberflächlichkeit, Faulheit, Angst nach „unten“! Wer
von uns kann das? Im Moment vermutlich niemand. Natürlich werden wir,
je nach dem Status Quo unserer Persönlichkeit, unserer Werte,
Denkweisen, Verhaltensweisen und die mit der Umwelt resultierenden
Interaktionen bewerten, analysieren und schon durch die Analyse 4
Bereiche werden sich Veränderungen durch das „Verstehen“ in
unserem Wertsystem ergeben, die wir „Lernen“ nennen! Für mich ist
das kein Schieberegler, der in einem bestimmten Moment gesteuert
werden kann sondern ein zwangsläufiger Prozess der Neuroplastizität
unseres Gehirns. Wir
waren beim “Patsch“ der Ohrfeige, die sie kriegen. Je nach ihrem
Entwicklungsstand oder ihrer Reife werden sie nun reagieren. Wir alle
kennen Menschen, die in solch einer Situation spontan, wütend und
aggressiv mit Zins und Zinseszins zurückschlagen. Andere, die
resigniert und ängstlich in der Flucht ihr „Heil“ suchen. Wieder
Andere, die sich strategisch, theatralisch fallen lassen, Körperverletzung
geltend machen und eine lebenslange Rentenzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit
anstreben. Andere wiederum fragen den Geber der Ohrfeige nach dem
Hintergrund seines Verhaltens. Wo ordnen sie sich ein? Und wenn sie
sich irgendwo einordnen, „könnten“ sie auch etwas anderes tun,
als sie „täten“? Welche andere „Persönlichkeitskonstellation“
würde eine andere Reaktion voraussetzen? Wir sind wieder beim alt
bekannten „hätte“, „wäre“, „wenn“, „könnte“,
sollte“, „müsste“ und so weiter!
Wenn Freiheit der Zustand der Nichteinschränkung,
der Nichtbeschränkung, der Bedingungslosigkeit von unseren
existenzbedingenden Faktoren ist, also von Masse, Energie und den daraus
resultierenden Strukturen und den Gesetzen, nach denen sie reagieren,
dann gibt es meines Erachtens keine Freiheit. Wir unterliegen nun mal
der Logik, der Schwerkraft, der Temperatur u.s.w.. Diese Abhängigkeit
muss sich aber auf unsere Existenz nicht destruktiv auswirken, solange
wir die Zusammenhänge verstehen, nach denen wir reagieren.
Indem wir diese destruktiven Einflüsse, Wirkungen
und Folgen der uns anerzogenen Werte rational und emotional besser
verstehen machen wir uns in gewissem Sinne „frei“ von Diesen! Durch unsere Bereitschaft und unseren Versuch,
bewusster zu denken werden wir andere, konstruktivere Erkenntnisse
aufbauen können. Wir lernen. Unserem Wertsystem stehen viel mehr so
genannte „Auswahlmöglichkeiten“ zur Verfügung! Und hier erscheint mir eine Parallele zur These des
„freien Willens“ zu bestehen! Die Annäherung beider Thesen besteht meines
Erachtens darin, dass wir „subjektiv“ durch unsere Entwicklung mehr
verstehen, uns dadurch mehr „Wahlmöglichkeiten“ zur Verfügung
stehen und wir dadurch in der Lage wären, unser Leben und unsere
Zukunft „frei und selbst zu bestimmen“. Mit meinen Thesen will ich sie auffordern, mir
Ideen zu bieten, die mir meinen „freien Willen“ wieder erlauben. Ich
selbst fand die letzten 30 Jahre keine akzeptablen Thesen für „freien
Willen“! Vielleicht gelingt es ihnen?! Bedenken sie bitte auch folgendes: Die Realität
ist, wie sie ist. Durch unsere Thesen, Meinungen und scheinbaren
Wissensbereiche über das, was wir in der Realität sehen verändert
sich diese Realität nicht. Wenn wir also an unsere Erde als Fläche mit
einem Rand glaubten, so war unsere Erde auch damals vermutlich keine Fläche
mit Rand. Wenn wir an den „freien Willen“ glauben, so beginnt er
durch unseren Glauben nicht zu existieren! Und die „Determination“
beginnt natürlich auch nicht zur Wahrheit zu werden, nur weil wir an
sie glauben! Mit Gott, Shiva, Manitu und anderen dieser Gilde verhält
es sich ähnlich. Wie lächerlich, krank und dumm sind unsere
Streitsituationen diesbezüglich? Und – wie lustvoll können
konstruktive Gespräche mit Andersdenkenden in Verbindung mit Respekt zu
einer Bereicherung für uns werden? Glücklicherweise müssen wir heute keine (oder nur
noch ganz selten) Köpfe mehr rollen lassen um die „Richtigkeit“
unserer Meinungen zu „beweisen“! |