CORVIN-WIERSBITZKI, Otto von, Schriftsteller, * 12.10. 1812
in Gumbinnen (Ostpreußen) als Sohn des dortigen Postdirektors, eines
preußischen Majors a. D., † 1.3. 1886 in Wiesbaden.
Corvin wurde in den Kadettenanstalten
in Potsdam und Berlin erzogen und war seit 1830 preußischer Leutnant in Mainz
und Saarlouis. 1835 nahm er seinen Abschied und zog nach Frankfurt am Main.
Seit 1840 lebte Corvin als Schriftsteller in Leipzig. Im Frühjahr 1848 nahm er
an der Revolution im Elsass und am Oberrhein aktiv teil. Als Bürgerwehroberst
verteidigte Corvin Mannheim gegen die Preußen und war zuletzt Chef des republikanischen
Generalstabs in Rastatt. Nach Übergabe dieser Festung wurde er am 15.9. 1849
standrechtlich zum Tode verurteilt, dann aber zu sechsjähriger Einzelhaft
begnadigt, die er im Zellengefängnis zu Bruchsal verbüßte. Im Oktober 1855 ging
Corvin nach England und war dort literarisch tätig. Während des
nordamerikanischen Bürgerkriegs war er 1861 Sonderberichterstatter der
»Augsburger Allgemeinen Zeitung«, trat in das Heer der Nordstaaten, wurde
Oberst und kam in das Kriegsministerium. 1867 kehrte CORVIN nach Deutschland
zurück und war 1870/71 Berichterstatter der Wiener »Neuen Freien Presse« vom
Kriegsschauplatz. Seit 1874 lebte Corvin in Wertheim (Main); später siedelte er
nach Leipzig über. (Quelle: Verlag
Traugott Bautz )
Bekannt ist Corvin durch sein berühmtes Werk
»Pfaffenspiegel. Historische Denkmale des Fanatismus in der
römisch-katholischen Kirche«. Der »Pfaffenspiegel« ist eine sorgfältig
recherchierte Sammlung kirchlicher Verbrechen von Hinrichtungen Andersgläubigen
bis hin zu systematischen Urkundenfälschungen zum Zwecke der Aneignung von
Ländereien, Rechten oder Privilegien. Corvin musste darüber jahrelang
Auseinandersetzungen mit der Preußischen Zensur führen, bei der er jede
Behauptung anhand von Quellen nachweisen musste.
Werke: Ill. Weltgesch. Ein Buch fürs Volk (mit F. W. A.
Held), 4 Bde., 1844-51; Hist. Denkmale des christl. Fanatismus, 2 Bde., Leipzig
1845 (18692-3 u. d. T.: »Pfaffenspiegel. Hist. Denkmale des
Fanatismus in der röm-kath. Kirche);
Erinnerungen eines Volkskämpfers, 3 Bde., Amsterdam 1861
(hrsg. u. eingel. v. Hermann Wendel: Ein Leben voller Abenteuer, 2 Bde., 1924;
Die Abenteuer des Herrn v. C. Aus seinen Lebenserinnerungen,
hrsg. v. Hans Joachim Malberg, Rudolstadt 1965 u. Schwerte/Ruhr 1970);
Die goldene Legende.
Eine Naturgesch. der Hll., Bern 1876 (Rudolstadt 1889/1902);
Aus dem Zellengefängnis. Briefe aus bewegter, schwerer Zeit
1848-56, Leipzig 1884.
Textbeispiel:
1. Im
achten Jahrhundert taten die Päpste einen mächtigen Sprung vorwärts, wozu sie im Anfang desselben nicht die
allergeringste Hoffnung hatten. Als die Langobarden Herren Italiens waren,
beschränkte sich die Macht der römischen Bischöfe nur auf die Diözese, denn die
barbarischen Könige derselben erkannten sie nicht einmal als die Patriarchen
von Italien an, und die andern Bischöfe
dieses Landes behaupteten ihre Unabhängigkeit. Das änderte sich aber bald, als
das langobardische Reich unter die Herrschaft der Franken kam. Durch sie wurden
die Bischöfe von Rom die größten Landbesitzer in Italien, und dies, wie die
Unterstützung der Frankenkönige, half ihnen zu dem Primat in Italien.
2. Wie unendlich
schwer ist es uns geworden, die Überreste Schillers und Webers aufzufinden! Und beide starben doch als geachtete und
hochverehrte Männer, in ruhiger Zeit
und in Staaten, wo jeder Neugeborene und jeder Gestorbene in ein besonders
darüber geführtes Register eingetragen wird;
um so mehr ist es zu bewundern, dass man in jener Zeit noch nach
Jahrhunderten nicht allein die Gebeine, sondern auch die Kleidungsstücke von Heiligen vorfand, die als Verbrecher
hingerichtet und deren Leichen irgendwo
eingescharrt wurden. Ja, was noch wunderbarer ist, man fand von manchem
Heiligen so viele Körperteile, dass man daraus, wenn man sie zusammensetzte,
sechs und mehr vollständige Skelette hätte machen können!
Literatur:
Der Pfaffenspiegel, O. von Corvin, Gebundene Ausgabe - 350 Seiten -
Freistühler, Schwerte
Erscheinungsdatum: 2000, ISBN: 3872370162