Materialien zum Ethikunterricht Hypatia von Alexandria (370 - 415)
Ammonius Sakkas und sein Schüler Plotin waren Mitglieder des Museion gewesen, ihre Philosophie wurde aber auch in der neuplatonischen Schule gelehrt. Hypatias Lehrtätigkeit umfaßte das gesamte
Gebiet der Philosophie im damaligen Verständnis, also neben der
Philosophie im engeren Sinne auch Mathematik, Mechanik und Astronomie. Sie
trug wahrscheinlich die neuplatonische
Lehre im Sinne des
Lamblichos
von Chalkis vor, der die neuplatonische Lehre
in eine mystisch, stark an orientalischen Zügen geprägte
Offenbarungsreligion umwandelte. Iamblichos galt damit als Gegner des
Christentums. Sie hielt u.a. Vorlesungen über Platon und Aristoteles,
verfasste Kommentare über den Mathematiker Diophantos und zu den
Kegelschnitten des Apollonius. Vermutlich hat sie auch im Theoriestreit
zwischen dem heliozentrischen und geozentrischen Weltbild Stellung
bezogen. Das Letztere, also die Anschauung, das Sonne, Mond und Sterne die
ruhende Erde umkreisen, war im Altertum das Standardmodell der Astronomen.
Ein Gelehrter namens Aristarchos lehrte jedoch schon 600 Jahre vor Hypatia
genau das Gegenteil: Die Erde läuft auf einer Kreisbahn um die Sonne
herum. Aus religiösen Gründen konnte sich diese Theorie bereits in
vorchristlicher Zeit nicht durchsetzen: Der entzauberte Himmel brachte die
Götter in Wohnraumnot. Hypatias tragischer Tod wurde vielfach beschrieben (z.B. Otto v. Corvin, Pfaffenspiegel, S. 116 ff). Zu der Zeit lebte in Alexandrien der fanatische Bischof Cyrillus. Er hetzte die christlichen Mönche und die Bevölkerung gegen Andersgläubige, meistens die Juden, auf, ließ sie töten und ihre Kultstätten zerstören. Auf diese Weise verlor Alexandrien vierzigtausend seiner Bürger. Die schändlichste Grausamkeit verübten diese Mönche aber gegen die liebenswürdige Philosophin Hypatia. Zur Fastenzeit rissen die Mönche sie aus ihrem Wagen, zogen sie nackend aus und schleppten sie wie ein Opferlamm in die Kirche. Hier ermordete man sie auf die grausamste Weise: Die Mönche kratzten ihr mit Muscheln das Fleisch von den Knochen und warfen die noch zuckenden Glieder ins Feuer. Bischof Cyrillus
wurde trotz seiner Verbrechen heilig gesprochen und 1882 von Papst Leo
XIII. sogar zum Kirchenlehrer ernannt – ein Ehrentitel, der bisher nur
an 32 ausgewählte ‚Heilige’ vergeben wurde. Die von Sokrates Scholastikus gemachten zeitlichen Angaben über ihren Tod lassen auf den März 415 schließen. Mit ihrer Ermordung erlosch die
alexandrinische Mathematikerschule. Hypatia von Arnulf Zitelmann |