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Immanuel Kant (1724 - 1804)


 

Geboren am 22.4.1724 in Königsberg; gestorben am 12.2.1804 in Königsberg.

Als viertes von neun Kindern eines Riemermeisters besuchte Kant von 1732 bis 1740 das streng pietistische Gymnasium Fridericianum in Königsberg. 1740-46 studierte er an der Königsberger Universität; danach unterrichtete er als Hauslehrer (Hofmeister) bei verschiedenen Familien in Ostpreußen. 1754 kehrte er nach Königsberg zurück, wurde zum Magister promoviert, habilitierte sich und nahm eine thematisch sehr breite Vorlesungstätigkeit auf: Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Mathematik, Physik, Geographie (die er als akademisches Lehrfach einführte), später noch Anthropologie, Pädagogik, Naturrecht, natürliche Theologie, gelegentlich auch Festungsbau. Seine ungesicherte wirtschaftliche Lage besserte sich aber erst 1770, als ihm endlich die Professur für Logik und Metaphysik übertragen wurde; Rufe nach Erlangen, Jena und Halle lehnte er ab. 1796 stellte er seine Vorlesungen ein, 1801 zog er sich aus den akademischen Ämtern zurück.


Werke u.a.:

· 1746 Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte

· 1755 Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels

· 1763 Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes

· 1764 Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral

· 1764 Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen

· 1766 Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik

· 1770 De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (Inauguraldissertation)

· 1781 Kritik der reinen Vernunft  

· 1783 Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können

· 1785 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

· 1786 Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft

· 1787 Kritik der reinen Vernunft  (zweite, wesentlich veränderte Auflage)

· 1788 Kritik der praktischen Vernunft

· 1790 Kritik der Urteilskraft  

· 1793 Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft

· 1795 Zum ewigen Frieden

· 1797 Metaphysik der Sitten

· 1798 Streit der Fakultäten

· 1798 Anthropologie in pragmatischer Hinsicht

 

 

Immanuel Kant

Thema: Ethik
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

1. Fallen Beispiele guten Handelns unter den Begriff "SITTLICHKEIT"?
2. Der Bezug zu "Jesus Christus"

Beispiele guten Handelns fallen nicht automatisch unter den Begriff "Sittlichkeit", denn jedes Beispiel muss erst nach den Prinzipien der Moralität beurteil werden.
Kant ist der Ansicht, dass auch Jesus Christus' Handeln geprüft werden müsse, bevor dieses Handeln von uns als gut erkannt werden könne. Selbst Jesus hätte die Menschen gefragt, warum sie ihn gut nennen, "denn niemand sei gut als der einige Gott."
Es ist laut Kant die Vorstellung, die wir von der sittlichen Vollkommenheit haben und über deren festen Bezug zum freien Willen, die uns das Gute im Vorbild sehen lassen.
Etwas Sittliches kann nicht nachgeahmt werden. Aber Beispiele guten Handelns sollen motivieren. Beispiele machen die Richtigkeit des Handelns verständlich und anschaulich.
Dennoch können Beispiele "... ihr wahres Original, das in der Zukunft liegt..." nicht ersetzen. D.h., das objektive Gesetzt und die Prüfung stehen über allen Beispielen.

Kants Verständnis des Begriffs der Sittlichkeit würde auf den Kopf gestellt, ließe er sich von Beispielen ableiten.
Kant sagt: "Der Wille ist ein Vermögen, nur dasjenige auszuwählen, was die Vernunft, unabhängig von der Neigung, als gut erkennt."
Das heißt, dass jeder Mensch sich persönlich eine Maxime, eine Richtlinie für das eigene Handeln, aufstellen soll und diese dann durch den kategorischen Imperativ überprüfen muss, ob sie denn verallgemeinerungsfähig ist, um dann als das objektive Gesetz zu gelten.
Der Mensch ist ein intelligibles Wesen, das heißt, er untersteht zwar der Natur, aber eben nicht nur ihr, sondern er hat auch einen freien Willen. Er kann sich fragen, was soll sein? Das kann er aber nur für sich selbst - seine eigene Person betreffend - tun. Er kann das Motiv des Handelns eines anderen Menschen nicht völlig prüfen! Ich könnte in derselben Situation genauso handeln wie ein anderer es tut, dass wäre dann aber Zufall. Wenn ich aus Prinzip das tue, was Jesus Christus auch getan hat oder zumindest von mir verlangt, dass ich es tue, dann handele ich aus einer subjektiven Neigung heraus.
Mir wird das "In-den-Himmel-kommen" versprochen, womit mein Handeln zweckgerichtet ist. Ich bekomme etwas, wofür ich etwas tue. Dies ist dann der hypothetische Imperativ.
Wirklich sittlich handeln heißt für Kant aber eben nicht den Neigungen ent
sprechend zu handeln, sondern nach der Vernunft, die dem Willen sagt, was gut ist.
Eine Nachahmung findet im Sittlichen gar nicht statt, und Beispiele dienen nur zur Aufmunterung. Also haben auch Beispiele ihren positiven Zweck, in dem sie das Gesetz anschaulicher machen, "... sie setzen die Tunlichkeit dessen, was das Gesetz gebietet, ausser Zweifel....!"

Katja Meinhardt


 

Autor: Nicole Richter  
Datum: 2002
Veröffentlichung: 04/2002
Hochschule/Schule: Uni Regensburg
Kategorie: Hausarbeit

Der kategorische Imperativ - Begriff, Funktion, Bedeutung

vorgelegt von Nicole Richter

Hausarbeit für das Proseminar
,,Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten"

Philosophische Fakultät I
Leitung: Prof. Dr. Peter Welsen

WS 2001/2002

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung Seite 3

2. Kants Verständnis von Sittlichkeit Seite 4

2.1 Die Autonomie des Willens als Ursprung der Sittlichkeit Seite 4
2.2 Das moralische Gesetz und dessen Formel, der Kategorische Imperativ Seite 5
2.2.1 Die allgemeine Formel des Kategorischen Imperativs Seite 5
2.2.2 Die Naturgesetz-Formel Seite 6
2.2.3 Die Menschheits-Zweck-Formel Seite 7
2.2.4 Die Autonomie-Formel Seite 9
2.2.5 Die ,,Reich der Zwecke"-Formel Seite 9
2.3 ,,Maxime und ,,Wille" im Kategorischen Imperativ Seite 10

3. Kants Sittlichkeitsprüfung Seite 11

3.1 Zum Widerspruch in der Sittlichkeitsprüfung Seite 11
3.1.1 Maximenwiderspruch Seite 11
3.1.2 Wollenswiderspruch Seite 11
3.2 Kants Anwendungsbeispiele Seite 12
3.2.1 Fall 1: Selbstmord Seite 12
3.2.2 Fall 2: Bruch eines Rückzahlungsversprechens Seite 12
3.2.3 Fall 3: Das ,,rostende" Talent Seite 13
3.2.4 Unterlassene Hilfeleistung Seite 13

4. Zur Bedeutung des Kategorischen Imperativs Seite 14

4.1 Zur Problematik der Sittlichkeitsprüfung Seite 14
4.2. Die Abgrenzung Kants von anderen ethischen Positionen Seite 15

5. Schluss Seite 16

Erster Teil
1. Einleitung

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. [1]

Die Frage ,,Was soll ich tun?" zählt Kant zufolge zu den Grundfragen der Ethik. Allein durch die Fragestellung bekundet der Mensch das Interesse an einer Aufklärung über sich selbst und erkennt die Notwendigkeit einer philosophischen Reflexion. Denn zu erkennen, was moralisch gut ist, ist nicht so selbstverständlich und eindeutig, wie wir es teilweise vermuten. Die ,,Zehn Gebote" bieten zwar eine inhaltliche Lösung an, was man tun sollte und was nicht, allerdings gelangte bald man zu der Ansicht, dass die Frage nicht zu beantworten sei, weil es in verschiedenen Zeiten und Ländern jeweils unterschiedliche moralische Vorstellungen gibt. Kant waren alle diese Antworten geläufig. Für ihn galt es, eine Lösung zu finden, die allgemeingültig und notwendig ist. Kants Lösung ist der berühmte kategorische Imperativ: ,,Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne." [2]

Diese Lösung möchte ich im Rahmen meiner Hausarbeit näher erläutern. Dabei sollen die unterschiedlichen Formulierungen des kategorischen Imperativs aufgezeigt und die Begriffe ,,Maxime" und ,,Wille" des kategorischen Imperativs auf ihre Bedeutung hin untersucht werden. Weiterhin wird auf die Funktion des kategorischen Imperativs eingegangen und seine Anwendbarkeit geprüft. Denn die Relevanz einer ethischen Position sollte sich nicht nur nach ihrer theoriegeschichtlichen Wirksamkeit, sondern auch nach ihrer Hilfe bei aktuellen moralischen Problemen bemessen werden. Dabei sollen auch die Beispiele, die Kant selbst angibt, einer genauen Analyse unterzogen werden. Im letzten Abschnitt werde ich auf die Abgrenzung Kants von anderen ethischen Positionen hinweisen und im Schlussteil das Thema Bioethik kurz ansprechen, da in diesem Bereich fundamentale Fragen gestellt werden, die mögliche Leistungen und Grenzen der kantischen Ethik aufzeigen.

Zweiter Teil
2. Kants Verständnis von Sittlichkeit

2.1 Die Autonomie des Willens als Ursprung der Sittlichkeit

Nach Immanuel Kant ist ,,ein jedes Ding der Natur" [3] Gesetzen unterworfen. Allein vernünftige Wesen sind in der Lage, nach Vorstellungen von Gesetzen oder Prinzipien zu handeln. Das Vermögen, nach diesen Vorstellungen zu handeln, wird auch als Wille bezeichnet, so dass der Wille nichts anderes ist als praktische Vernunft. Kant kommt es darauf an, dass der Wille durch Gründe a priori in seinem Handeln bestimmt wird und nicht durch bereits festgelegte Werte und Normen. Die Einhaltung von Gesetzen und Normen ermöglicht zwar ein sittlich richtiges Verhalten, führt aber weder zum sittlich Guten noch zur Begründung von Moralität. Die entscheidende Voraussetzung, überhaupt sittlich gut handeln zu können, ist die Autonomie des Willens. Kant bemerkt, dass ,,...ein vernünftiges [...] Wesen [...] die Kausalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken" kann, denn ,,...mit der Freiheit ist [...] der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden, mit diesen aber das allgemeine Prinzip der Sittlichkeit." [4] Da die Vernunft den Willen bestimmt, werden Handlungen, die als objektiv notwendig erkannt werden, auch subjektiv obligat. Kant gesteht jedoch ein, dass der Wille gewissen subjektiven Bedingungen oder Triebfedern (wie z.B. Neigungen) unterworfen ist, ,,...die nicht immer mit den objektiven übereinstimmen."  [5] Folglich muss der Wille ,,...durch Gründe der Vernunft" [6] mit einem Gebot genötigt werden, da er ,,...seiner Natur nach nicht notwendig folgsam ist". [7] Die Formeln der Gebote nennt Kant Imperative. Imperative sind sprachliche Figuren, ,,...in der die Vernunft ihr objektives Gesetz dem subjektiv unvollkommenen Willen gegenüber ausspricht und es zur Geltung bringt". [8]  Kant unterscheidet zwei Arten von Imperativen. Den hypothetischen Imperativ und den kategorischen Imperativ. Der hypothetische Imperativ wird auch Imperativ der Geschicklichkeit genannt, da er angewendet wird, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Für Kant hat dieser Imperativ nur eine beratende Bedeutung, weil nicht die Vernunft, sondern nur der pragmatische Verstand gebraucht wird, um geeignete Mittel zur Erreichung eines beliebigen Zweckes zu finden. Ein hypothetischer Imperativ könnte z.B. lauten: Wenn du gesund werden willst, musst du das Rauchen aufgeben. Da solche Imperative weder notwendig noch allgemeingültig sind, können sie auch nicht als Beurteilungskriterium für die Moralität dienen, weil ,,...im Gegensatz zur überlieferten Moralphilosophie [...] das schlechthin Gute nicht in einem höchsten Gegenstand des Willens, [...] sondern im guten Willen selbst" {9] besteht. Das bedeutet, dass das der gute Wille allein durch das Wollen an sich gut ist und seinen Wert nicht am Zweck einer Handlung bestimmen darf. Um den guten Willen genauer zu definieren, führt Kant den Pflichtbegriff ein. Der gute Wille ist nämlich nur dann an sich gut, wenn er durch Pflicht bestimmt wird. Kant unterscheidet zwischen pflichtgemäßen Handlungen und Handlungen aus Pflicht. Pflichtgemäße Handlungen sind nicht als moralisch, sondern nur als legal anzusehen, da sie von irgendwelchen Bestimmungsgründen abhängen, aus denen man die Pflicht befolgt. Für Kant hat ,,...eine Handlung aus Pflicht [...] ihren moralischen Wert nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht werden soll, sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird."  [10] Folglich ist für Kant das Handeln aus Pflicht entscheidend. Solche Handlungen aus Pflicht lassen sich nicht von bestimmten Neigungen oder Zwecken, sondern von Maximen leiten. Für die Beurteilung der Moralität stellt Kant daher den kategorischen Imperativ als höchstes Beurteilungskriterium auf, [11] der nicht die Materie der Handlung, sondern die Form und das Prinzip des Handelns betrifft. [12] Die unterschiedlichen Formulierungen des kategorischen Imperativs werde ich im nächsten Abschnitt näher erläutern. 

2.2 Das moralische Gesetz und dessen Formel, der Kategorische Imperativ

2.2.1 Die allgemeine Formel des Kategorischen Imperativs

Der kategorische Imperativ stellt kein sittlich neutrales Angebot dar, sondern fordert eine bestimmte Form des Handelns, die ohne jede Einschränkung gültig ist. [13] Die erste Formel des kategorischen Imperativs, die häufig auch ,,Grundformel" genannt wird, formuliert Kant folgendermaßen: ,,...handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." [14] Kant fordert die vernünftigen Wesen also auf, eine Maxime (d.h. einen subjektiven Vorsatz) zu formulieren, welche einer Handlung zu Grunde liegen soll. Diese Maxime, die von vornherein gar nicht moralisch sein muss, soll anschließend auf ihre Verallgemeinerungsfähigkeit überprüft werden. Kann ich wollen, dass meine Maxime zum allgemeinen Gesetz wird? Meine Maxime könnte zum Beispiel lauten: Auf die Justiz ist kein Verlass, darum räche ich mich selber, wenn mir jemand Unrecht zufügt. Jetzt soll ich nach Kant diese Maxime verallgemeinern und sie mir als allgemeines Gesetz vorstellen. Kann ich wollen, dass es ein Gesetz gibt, dass jedem Selbstjustiz zugesteht, der sich im Unrecht fühlt? Wenn ich ein solches Gesetz wirklich will, muss ich auch wollen, dass sich jeder an mir rächt, der sich in irgendeiner Weise ungerecht von mir behandelt fühlt. Da dieses Wollen aber nicht mit meiner Vernunft in Einklang zu bringen ist, kann meine Maxime auch nicht moralisch sein. Der kategorische Imperativ fordert also eine ,,formale" Willensbestimmung, die als oberste Norm Allgemeinheit und Notwendigkeit beansprucht. Die jeweils persönliche Maxime muss so gestaltet werden, ,,dass dieser Willensorientierung jedes vernünftige Wesen zustimmen könnte." [15] Kant fügt dem ,,Grundgesetz der moralisch-praktischen Vernunft" noch weitere Formeln hinzu, obwohl man seiner Meinung nach besser daran tut, ,,wenn man in der sittlichen Beurteilung immer nach der strengen Methode verfährt, und die allgemeine Formel des kategorischen Imperativs zum Grunde legt." [16] Die verschiedenen Formeln des kategorischen Imperativs sind demnach äquivalent, aber hierarchisch geordnet und bedürfen einer kurzen Erläuterung.

 

2.2.2 Die Naturgesetz-Formel

Die Naturgesetz-Formel des kategorischen Imperativs besagt, dass die Naturgemäßheit der Maxime ihre Moraltauglichkeit indiziert.  ]17] ,,Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte."  [18] Jedoch haben empirisch-wahrnehmbare Naturerscheinungen für Kant nur geringe Bedeutung. Die sinnliche Natur ist für Kant unabwendbar mit Heteronomie verbunden. Darum muss die Phantasie des reinen Willens eine übersinnliche Natur entwerfen, deren Gesetze von sämtlichen empirischen Bedingungen unabhängig sind und somit zur Autonomie der reinen Vernunft gehören. [19] Ich muss mich also in den Stand des Urhebers der Natur versetzen und mir eine Naturordnung vorstellen, die in sich widerspruchsfrei ist und einen sinnvollen Entwurf von Handlungsplänen ermöglicht. Dann kann ich ,,aus der Eignung der Maxime, sich in [diese] Naturordnung einzufügen, auf ihre Einfügbarkeit in die reine praktische Vernunftordnung [...] folgern." [20]  Allerdings reicht die Naturformel nicht aus, die moralische Güte einer Maxime festzustellen. Es ist nach Kant zwar möglich, die Pflichtgemäßheit einer Maxime an ihrer Naturgemäßheit abzuleiten, nicht aber, ob die Maxime auch aus Pflicht gefasst wurde. Das menschliche Denken ist auch nicht auf die Illustration des moralischen Gesetzes durch die Naturgesetzvorstellung angewiesen. Kant erklärt dazu, dass die Sonderformeln lediglich helfen sollen, ,,das Prinzip der Sittlichkeit vorzustellen [...] und dadurch dem Gefühle näher zu bringen." [21] Um die Naturgesetzfassung des kategorischen Imperativs besser zu veranschaulichen, verwendet Kant vier Beispiele, die sich folgendermaßen aufteilen lassen:

I.) vollkommene Pflichten (ihre Verletzung ist denkwidrig)
a) gegen uns selbst (z.B. Verbot der Selbsttötung)
b) gegen andere (z.B. Verbot von unredlichen Versprechen)

II.) unvollkommene Pflichten (ihre Verletzung ist willensunstimmig, unzweckmäßig)
c) gegen uns selbst (z.B. Verbot der Selbstverwahrlosung)
d) gegen andere (z.B. Verbot der Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohlergehen anderer)


Eine vollkommene Pflicht ist folglich dann der Fall, wenn ich die Maxime nicht widerspruchsfrei denken und wollen kann. Bei einer unvollkommenen Pflicht kann ich die Maxime zwar denken, aber nicht ohne Widerspruch wollen. Die Beispiele, die Kant zu dieser Thematik anführt, werden ausführlich in Kapitel 3.3 erörtert.

2.2.3 Die Menschheits-Zweck-Formel

Die dritte Formel des kategorischen Imperativs lautet: ,,Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest."  [22] Für das Verständnis dieser Version sind die Begriffe ,,Mittel" und ,,Zweck" ausschlaggebend. Für Kant benötigen alle materialen Zwecke unterschiedliche Mittel zu ihrer Erreichung. Aus diesem Grunde unterliegen die materialen Zwecke dem hypothetischen Imperativ und können somit auch niemals Zwecke an sich sein. Lediglich ,,der Mensch, und überhaupt jedes vernünftige Wesen, existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muss in allen seinen, sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden." [23] Das bedeutet, dass ich mein Handeln an der Perspektive des Selbstzweckes prüfen muss, da ich, wenn ich den Selbstzweck oder Selbstwert anderer Personen nicht anerkenne, auch mein eigenes Menschsein missachte. Da der Mensch Freiheit besitzt, verfügt er nach Kant auch über Würde, die ihm nicht durch die Betrachtung als Mittel genommen werden darf. Zweifellos kann man niemals ganz auf das Mittel in einem Menschen verzichten, denn Kant sagt auch ausdrücklich, dass man den Menschen ,,niemals bloß als Mittel" und nicht ,,niemals als Mittel" betrachten sollte. Genauer gesagt darf ich durchaus einen Menschen für meine eigenen Zwecke gebrauchen, allerdings nur, wenn sich meine Maxime mit der menschlichen Würde vereinbaren lässt und sie weder beeinträchtigt noch vollständig beraubt. Kant spielt nun diese Version an den bereits erwähnten Beispielen durch:
a) Der Selbstmörder, der von seinem beschwerlichen Zustand erlöst werden möchte, benutzt sich nach Kant selbst bloß als Mittel ,,zu Erhaltung eines erträglichen Zustandes bis zu Ende des Lebens." [24] Da der Mensch aber keine Sache ist, sondern jederzeit als Zweck an sich selbst betrachtet werden muss, darf er sein Dasein nicht nur als Mittel betrachten und sich folglich auch nicht selber töten.
b) Der Lügner, der sich mit dem falschen Versprechen Geld leiht, benutzt den anderen nur als Mittel zum Zweck und handelt deshalb unmoralisch.
c) Talente sind ,,Anlagen zu größerer Vollkommenheit" [25], die dem Zwecke der Natur der Menschen dienen. Nur durch die Kultivierung der Anlagen wird der Zweck der Natur erreicht. Die Vernachlässigung der Talente gefährdet zwar nicht die Erhaltung der Menschheit als Zweck an sich selbst, wohl aber die ,,Beförderung dieses Zweckes."  [26]
d) Wer anderen Menschen nicht hilft, verkennt den ,,Naturzweck den alle Menschen haben, ihre eigene Glückseligkeit."  [27] Die Maxime der Gleichgültigkeit gegenüber Hilfsbedürftigen lässt sich nämlich nicht mit dem Selbstzweckcharakter in Einklang bringen. Der Imperativ fordert von mir, dass ich anderen nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch um meines Selbst willen, helfen muss. Nur wenn ich den Selbstwert anderer Menschen achte, werde ich auch meinem eigenen Selbstwert gerecht.  [28] ,,Denn das Subjekt, welches Zweck an sich selbst ist, dessen Zwecke müssen, wenn jene Vorstellung bei mir alle Wirkung tun soll, auch, so viel wie möglich, meine Zwecke sein."  [29]
Die ersten drei Versionen des kategorischen Imperativs fordern den Handelnden also auf, zuerst seine Maximen auf die allgemeine Gesetzlichkeit zu überprüfen, dann die Maximen darauf hin zu untersuchen, ob sie ein Naturgesetz werden könnten und sich schließlich in eine Welt zu versetzen, in der die Menschen niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck zu betrachten sind.

2.2.4 Die Autonomie-Formel

Die vierte Formulierung des kategorischen Imperativs lehnt sich nicht nur stark an die allgemeine Formel des kategorischen Imperativs an, sondern weist auch noch große Nähe zum Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft auf, welches bereits in der Einleitung erwähnt wurde. ,,[Handle]...nur so, dass der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne." [30]  Folglich hat mein Wille die Fähigkeit zur Autonomie, d.h. ich kann meinen Willen selbst bestimmen und aus der Fülle der Handlungsmöglichkeiten die moralische auszuwählen. ,,Moralität besteht also in der Beziehung aller Handlung auf die Gesetzgebung" [31] Heteronomie hingegen lässt hypothetische Imperative möglich werden: ,,ich soll etwas tun darum, weil ich etwas anderes will." [32] Dem kategorischen Imperativ ist es aber angemessen, dass ich nichts anderes will als das, was ich tun soll.

2.2.5 Die ,,Reich der Zwecke"-Formel

Auch in dieser Formulierung ist die Autonomie des Menschen von Bedeutung. Der Handelnde soll sich und seine Mitmenschen als Gesetzgeber und als Bürger zugleich im Reich der Zwecke deuten. Das Reich der Zwecke ist Kants moralisches Ideal einer Gemeinschaft, in der alle vernünftigen Wesen unter dem Gesetz stehen, sich selbst und andere niemals nur als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck zu behandeln. ,,Demnach muss ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre."  [33] Der Zustand der Autonomie bedeutet in diesem Fall, dass sich die Bürger einer moralischen Willensgemeinschaft selbst dazu verpflichten, ihre eigene gemeinsame Gesetzgeberrolle als Maßstab für die Wahl der Maximen zu benutzen. Wenn die Maximen der Handlungen unter der Perspektive der Selbstgesetzgebung für das Reich der Zwecke, dem sich die Handelnden als zugehörig begreifen, gewählt werden, dann dürfen jene Maximen und die entsprechenden Handlungen Moralität beanspruchen.

2.2 ,,Maxime" und ,,Wille" im Kategorischen Imperativ

In diesem Abschnitt möchte ich anhand einiger Zitate aus der ,,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" und der ,,Kritik der praktischen Vernunft" noch einmal die zentralen Begriffe ,,Maxime" und ,,Wille" des kategorischen Imperativs kurz erläutern.

a) Maxime

Unter Maximen versteht Kant subjektive Prinzipien des Wollens bzw. subjektive Grundsätze des Handelns, welche von Individuum zu Individuum verschieden sind. ,,Praktische Grundsätze sind Sätze, welche eine allgemeine Bestimmung des Willens enthalten, die mehrere praktische Regeln unter sich hat. Sie sind subjektiv oder Maximen, wenn die Bedingung nur als für den Willen des Subjekts gültig von ihm angesehen wird."  [34] Die Maxime ist für die Bewertung von Moralität zentral, da eine Handlung aus Pflicht ihren moralischen Wert nicht in der Absicht hat, ,,sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird." [35] Für Kant ist ,,die Tauglichkeit einer Maxime eines jeden guten Willens, sich selbst zum allgemeinen Gesetze zu machen, [...] selbst das alleinige Gesetz, das sich der Wille eines jeden vernünftigen Wesen selbst auferlegt, ohne irgend eine Triebfeder und Interesse derselben als Grund unterlegen." [36]

b) Wille

Wenn Kant von der ,,Maxime deines Willens" spricht, so versteht er unter ,,Willen" ein Vermögen, ,,der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen." Weiterhin definiert er den Willen als ein Vermögen, ,,den Vorstellungen entsprechende Gegenstände entweder hervorzubringen, oder doch sich selbst zu Bewirkung derselben [...] d.i. seine Kausalität zu bestimmen." [37] Da nur vernünftige Wesen einen Willen haben und ,,zur Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vernunft erfordert wird, so ist der Wille nichts anderes als praktische Vernunft. [38] (vgl. dazu auch Kapitel 2.1) Ferner ist der Wille ,,ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft, unabhängig von der Neigung, als praktisch notwendig, d.i. als gut erkennt." [39]

Dritter Teil
3. Kants Sittlichkeitsprüfung

Nachdem die unterschiedlichen Formulierungen des kategorischen Imperativs geklärt sind, soll nun untersucht werden, wie anhand des Widerspruchs die Sittlichkeit einer Maxime festzustellen ist. Dazu sollen auch drei Anwendungsbeispiele Kants einer genauen Analyse unterzogen werden.

3.1 Zum Widerspruch in der Sittlichkeitsprüfung

3.1.1 Maximenwiderspruch

Eine Möglichkeit des Widerspruchs ist für Kant, dass eine Maxime sich selbst widerstreitet. Dies stellt nach den Worten Kants eine ,,innere Unmöglichkeit" [40] dar, weil eine solche Handlung so beschaffen sind, ,,dass ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann."  [41] Ich kann also, da ich die betreffende Maxime nicht einmal als Naturgesetz denken kann, die Maxime schon gar nicht wollen. Der Maximenwiderspruch liegt ferner dann vor, wenn eine Maxime ,,als Regel für den Willen eines jeden vernünftigen Wesens, in einer und derselben Maxime, mit sich selbst nicht zusammen stimmen könne."  [42]

3.3.2 Wollenswiderspruch

Im zweiten Fall kann ich die Maxime zwar als allgemeines Naturgesetz denken, aber unmöglich wollen, dass sie ein allgemeines Naturgesetz wird, ,,weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen würde." [43] Kant sagt auch ausdrücklich: ,,Man muss wollen können, dass eine Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde." [44] Schnoor stellt fest, dass in beiden Fällen ein Widerspruch das ,,wollen können" ausschließt und sich die Maxime folglich als nicht tauglich erweist. [45]

3.2 Kants Anwendungsbeispiele

3.2.1 Fall 1: Selbstmord

Ein Mensch, der durch eine hoffnungslose Anzahl an Übeln dem Leben überdrüssig geworden ist, möchte sich das Leben nehmen. Da er aber noch im Besitz seiner Vernunft ist, kommt er der Forderung des kategorischen Imperativs nach, indem er versucht, sich seine Maxime: ,,ich mache es mir aus Selbstliebe zum Prinzip, wenn das Leben bei seiner längern Frist mehr Übel droht, als es Annehmlichkeiten verspricht, es mir abzukürzen" [46] als allgemeines Naturgesetz vorzustellen. Das Experiment würde ergeben, dass die Maxime der Selbstliebe sowohl die Erhaltung des Lebens beinhaltet, als auch die Zerstörung von Leben. Würde man die Maxime zum allgemeinen Naturgesetz erheben, ,,dann wäre eine mit sich selbst im Streit liegende Gesetzgebung die Folge." [47] Die Maxime ist also nicht gesetzesfähig und deswegen auch nicht moralisch sein, denn ,,wenn die Maxime der Handlung nicht so beschaffen ist, dass sie an der Form eines Naturgesetzes überhaupt die Probe hält, so ist sie sittlich unmöglich." [48] Kant zeigt jedoch in seinem Beispiel nicht, dass ,,Selbstliebe" das Prädikat ,,lebensbefördernd" enthält und das Prädikat ,,lebensbefördernd" das Prädikat ,,nicht lebensbeendend" beinhaltet. Die Maxime der Selbstliebe wird daher zirkulär begründet und widerspricht dem kantischen Anspruch, sich selbst einer Prüfung durch den kategorischen Imperativ zu unterziehen.

3.2.2 Fall 2: Bruch eines Rückzahlungsversprechens

Dieses Beispiel handelt von einem Menschen, der sich Geld leihen möchte, obwohl er weiß, dass er es nie zurückzahlen kann. Da er aber noch über ein Gewissen verfügt, versucht er seine Maxime ,,wenn ich mich in Geldnot zu sein glaube, so will ich Geld borgen, und versprechen, es zu bezahlen, ob gleich ich weiß, es werde niemals geschehen" [49] als allgemeines Gesetz zu denken. Das Ergebnis des Experimentes, wäre, dass in der Natur ein solches Gesetz die Bedingungen seiner Gültigkeit selbst zunichte machen würde, weil ohnehin keiner mehr einem anderen Menschen Geld leihen würde. Folglich kann die Maxime auch nicht moralisch sein. Damit argumentiert Kant aber mit der sonst so strikt abgelehnten Erfahrung für die Unsittlichkeit eines falschen Versprechens. Weiterhin ist an diesem Beispiel kritisch anzumerken, dass Kant die Unsittlichkeit eines falschen Versprechens auch teleologisch mit den Folgen eines Gesetzes begründet, welche die oben genannte Maxime zum Inhalt hätte.

3.2.3 Fall 3: Das ,,rostende" Talent

Im dritten und letzen Fall, der hier angesprochen werden soll, handelt es sich um einen Menschen, der bemerkt, dass er von der Natur mit einem besonderen Talent ausgestattet wurde. Er lebt jedoch unter bequemen Umständen und zieht es vor, sich lieber dem Genuss hinzugeben, als sich mit der Kultivierung seiner Naturanlagen zu befassen. Da er aber noch über ein Pflichtbewusstsein verfügt, fragt er sich, ob sich seine Maxime der Bequemlichkeit, auch als allgemeines Naturgesetz denken lässt. Das Gesetz könnte zum Beispiel so lauten: Talente müssen nicht ausgebildet werden, wenn ihre Kultivierung mit Mühsalen verbunden ist. In diesem Fall wäre die Natur aber im Widerspruch zu ihrer eigenen Absicht, dass alle Vermögen der Menschen ausgebildet werden, ,,weil sie ihm doch zu allerlei möglichen Absichten dienlich und gegeben sind." [50] Die Maxime der Bequemlichkeit ist also deshalb nicht moralisch, weil sie nicht als allgemeines Naturgesetz gewollt werden kann. Problematisch finde ich in diesem Fall, das Kant behauptet, dass ein vernünftiges Wesen notwendig will, dass alle Vermögen in ihm entwickelt werden. Zunächst bleibt auch unbewiesen, dass man notwendig alle Talente in sich kultiviert haben will. Kant spricht auch nur von Fähigkeiten, die lediglich ,,möglichen Zwecken" dienlich sind, aber keine Pflicht begründen können. [51]

3.2.4 Unterlassene Hilfeleistung

Das letzte Beispiel handelt von der Pflicht, anderen Menschen zu helfen. Kant untersucht die Maxime, aus Gleichgültigkeit notbedürftigen Menschen die Hilfe zu verweigern. Obwohl eine solche Maxime als Naturgesetz durchaus denkbar ist, kann ein Wille ein solches Prinzip der Natur unmöglich wollen, weil er ,,sich selbst alle Hoffnung des Beistandes, den er sich wünscht, rauben würde." [52] Das Postulat, dass jeder Mensch Hoffnung auf Beistand hat, wird von Kant aber nicht bewiesen. Weiterhin argumentiert Kant auch in diesem Beispiel teleologisch, indem er zur Begründung der Unsittlichkeit der Maxime auf die Folgen eines solchen Naturgesetzes hinweist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Kant überraschenderweise in der Untersuchung seiner Beispiele selbst widerspricht. Somit wird er dem Anspruch, den er in seinem Text erhebt, nicht gerecht.

Vierter Teil
4. Zur Bedeutung des Kategorischen Imperativs

4.1 Zur Problematik der Sittlichkeitsprüfung

Die Probleme des Sittlichkeitstests entstehen bereits mit der Maximenformulierung. Es gibt zu einer Handlung keine eindeutige Maxime, ihre Formulierung ist abhängig vom persönlichen und teilweise empirischen Wissensstand. Während zum Beispiel ein Politiker, der vor 40 Jahren über den Bau eines Atomkraftwerks zu entscheiden hatte, folgende Maxime formuliert hätte: ,,Wenn ich die Glückseligkeit anderer fördern will, darf ich ein Atomkraftwerk bauen" könnte heute die Maxime lauten: ,,Wenn ich die Glückseligkeit anderer fördern will, darf ich das Risiko eines schweren nuklearen Unfalls eingehen." Dazu kommt, dass die sprachlich semantische Form von Maximen nicht eindeutig geklärt ist und man nicht weiß, wie sie aufgebaut sein müssen. Ich kann die Maxime auch so formulieren: ,,Ich muss die Glückseligkeit anderer fördern". Diese Maxime ist zwar immer noch ein Grundsatz zu handeln und ein subjektives Prinzip dazu, dennoch sagt sie nichts mehr über die Handlung aus. Ein weiteres Problem ist die Maximenformalisierung. Nach Kant muss ich mit meiner sprachlich formulierten Maxime zu einer bloßen Form kommen, die ,,zuerst das, was an sich und schlechterdings-gut ist" [53] bestimmt. Kant erklärt aber nicht, wie diese Abstraktion erfolgen soll und welche abstrakten Begriffe der Vernunft verwendet werden dürfen und welche nicht. Die Formalisierung von sprachlichen Ausdrücken ist ebenfalls nicht eindeutig, da bestimmte Wörter unterschiedlichen Bedeutungsauffassungen ausgesetzt sind. So versteht zum Beispiel ein Kommunist unter Eigentum Diebstahl, ein Kapitalist hingegen Besitz, d.h. bei einer Maxime des Eigentums würden der Kapitalist und der Kommunist zur gleichen Handlung unterschiedliche Wörter verwenden. Dabei sollte aber gerade die Formalisierung die Uneindeutigkeit der Maximenformulierung aufheben. Es wird bereits an diesen zwei Beispielen deutlich, dass der kategorische Imperativ keineswegs immer so eindeutig, leicht und schnell in der Anwendung ist, wie Kant ihn beschreibt. Allein die Tatsache, dass Kant in seinen Beispielen selbst zum Widerspruch kommt, zeigt, dass der kategorische Imperativ praktisch angewandt weder leicht noch schnell ist. Die Formalisierung und die Suche nach einem Widerspruch ist mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden, die eine rasche und einfache Prüfung der Maxime unmöglich machen.

4.2. Die Abgrenzung Kants von anderen ethischen Positionen

Die vorkantische Philosophie war in ihrer unkritischen Haltung stets geneigt, als rationale Theologie, Kosmologie und Psychologie so über Ideen zu handeln, als ob diese Wirklichkeit wären. So schloss man beispielsweise aus der Einheit und Einfachheit der Seele auf ihre Unzerstörbarkeit und daraus wiederum auf ihre Unsterblichkeit. [54] Außerdem nahm man an, dass sich das Bewusstsein nach den Dingen richtet und sich verändert, je mehr man sieht und erkennt. Dieses Denken wurde von Kant ,,revolutioniert". Die reinen Ideen sind nicht länger konstitutiv, sondern regulativ, d.h. nicht länger auf Wirkliches gerichtet, sondern auf die Einheit und dem Zielpunkt der gesamten Erkenntnis. Der Zielpunkt selbst kann nicht erkannt werden, sondern bleibt Norm und wird als mögliches Ideal gedacht. Da die Behauptung Kants so radikal war, wie einst die von Kopernikus, ging sie auch unter dem Begriff ,,Kopernikanische Wende" in die Philosophiegeschichte ein. ,,Durch die kopernikanische Wende wird erreicht, dass die Struktur des erkennenden Subjekts a priori die Struktur der erkannten Gegenstände bestimmt." [55] Der Verstand schreibt also den sinnlichen Eindrücken die Gesetze vor, in denen man sie wahrnehmen kann. Für die praktische Philosophie versucht Kant den Nachweis zu bringen, dass es ethische Normen gibt, die ebenfalls a priori und für alle vernünftigen Wesen gleichermaßen gelten. A priori ist für Kant nur eine ethische Norm, die subjektive Erfahrungen wie zum Beispiel das Streben nach Glückseligkeit abstrahiert. Die einzige verbindliche Norm der Kantischen Ethik ist der kategorische Imperativ. Er ist im Gegensatz zu den ,,Zehn Geboten" so abstrakt, dass er sich zwar der Materie enthält, dennoch aber für jede Handlung verbindlich ist. ,,Auf dieses Gesetz ist die praktische Vernunft durch und in sich selbst gekommen, es ist der höchste Gipfel, den die Vernunft überhaupt zu erreichen vermag, und dieser liegt in ihr selbst." [56] Die einzige mögliche Form einer Ethik beruht also auf Autonomie, der Selbstgesetzgebung aus und durch Vernunft, und aus dieser Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung resultiert für Kant die Menschenwürde.

Fünfter Teil
Schluss

Freiheit ist aber auch die einzige unter allen Ideen der spekulativen Vernunft, wovon wir die Möglichkeit a priori wissen, ohne sie jedoch einzusehen, weil sie die Bedingung des moralischen Gesetzes ist, welches wir wissen. [57]

Abschließend lässt sich feststellen, dass es schon außerordentlich befremdend ist, die moralische Beurteilung einer Handlung auf eine formale Ebene zu heben, die mit der Realität nicht mehr viele Gemeinsamkeiten aufweist. Die unterschiedlichen Weltbilder, die von ihren jeweiligen Philosophien und Sprachen geprägt sind, lassen den Versuch eigentlich gleich wieder scheitern. Der Anspruch Kants auf Allgemeingültigkeit lässt sich folglich kaum verwirklichen, da die praktische Relevanz des kategorischen Imperativs bereits im mitteleuropäischen Kulturkreis in Frage gestellt ist. Vielleicht berühren manche Fragen auch Bereiche, die mit dem moralischen Gesetz nicht beantwortet werden können. Anstatt zum Beispiel in der Bioethik zu fragen ,,Was soll ich tun?" ,,Darf ich Menschen klonen?" müsste zuerst geklärt werden, was der Mensch überhaupt ist und wie man ,,Leben" definieren kann. Die Fragen, die sich hier stellen sind folgende: Ist der kategorische Imperativ bei wichtigen Handlungsentscheidungen überhaupt von Bedeutung? Brauchen wir den kategorischen Imperativ zur Beurteilung von Moralität? Was dominiert unser Verhalten? Ich bezweifle, dass der kategorische Imperativ bei allen aktuellen Problemen helfen kann. Dennoch ist es meiner Ansicht nach möglich, jede Handlung einer moralischen Beurteilung durch den kategorischen Imperativ zu unterziehen. Somit besitzt Kants Ethik durchaus noch Aktualität, die sich nicht an der Anzahl der Menschen bemessen darf, die nach ihr handeln. Schließlich zählt Kants Ethik zu den wichtigsten und wirkmächtigsten der gesamten Philosophiegeschichte, so dass schon aus diesem Grund gewollt werden kann, dass die Beschäftigung mit ihr zum allgemeinen Gesetz werde.

Literaturverzeichnis

Höffe, Otfried: Immanuel Kant, München, 2000

Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft/Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 2000

Kaulbach, Friedrich: Immanuel Kants ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten', Darmstadt, 1988

Kaulbach, Friedrich: Das Prinzip Handlung in der Philosophie Kants, Berlin/New York, 1978

Ludwig, Ralf: Kant für Anfänger: Der kategorische Imperativ, München, 1996

Schnoor, Christian: Kants Kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, Tübingen, 1989

Schultz, Uwe: Immanuel Kant, Reinbek bei Hamburg, 1995

http://www.philosophie.uni-Mainz.de/huetig/KommentarKantEthik.htm

1 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 300, Frankfurt am Main, 2000

2 Ebenda, S. 140

3 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41, Frankfurt am Main, 2000

4 Ebenda, S. 88-89

5 Ebenda, S. 41

6 Ebenda, S. 41

7 Ebenda, S. 41

8 Kaulbach, F.: Immanuel Kants ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten', S. 55, Darmstadt, 1988

9 Höffe, Otfried: Immanuel Kant, S. 178, München, 2000

10 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 26, Frankfurt am Main, 2000

11 vgl. Höffe, Otfried: Immanuel Kant, S. 181, München, 2000

12 vgl. Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 45, Frankfurt am Main, 2000

13 vgl. Höffe, Otfried: Immanuel Kant, S. 182, München, 2000

14 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 51, Frankfurt am Main, 2000

15 Baumanns, Peter: Kants Ethik, S. 58, Würzburg, 2000

16 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 70, Frankfurt am Main, 2000

17 vgl. Baumanns, Peter: Kants Ethik, S. 61, Würzburg, 2000

18 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 51, Frankfurt am Main, 2000

19 vgl. Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 156, Frankfurt am Main, 2000

20 Baumanns, Peter: Kants Ethik, S. 61, Würzburg, 2000

21 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 69, Frankfurt am Main, 2000

22 Ebenda, S. 61

23 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 59-60, Frankfurt am Main, 2000

24 Ebenda, S. 61

25 Ebenda, S. 62

26 Ebenda, S. 62

27 Ebenda, S. 62-63

28 vgl. Kaulbach, F.: Immanuel Kants ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten', S. 79, Darmstadt, 1988

29 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 63, Frankfurt am Main, 2000

30 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 67, Frankfurt am Main, 2000

31 Ebenda, S. 67

32 Ebenda, S. 75

33 Ebenda, S. 72

34 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 125, Frankfurt am Main, 2000

35 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 26, Frankfurt am Main, 2000

36 Ebenda, S. 80

37 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 120, Frankfurt am Main, 2000

38 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41, Frankfurt am Main, 2000

39 Ebenda, S. 41

40 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 55, Frankfurt am Main, 2000

41 Ebenda, S. 54-55

42 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 125, Frankfurt am Main, 2000

43 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 55, Frankfurt am Main, 2000

44 Ebenda, S. 54

45 vgl. Schnoor, Christian: Kants Kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, S. 114, Tübingen, 1989

46 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 52, Frankfurt am Main, 2000

47 Kaulbach, F.: Immanuel Kants ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten', S. 67, Darmstadt, 1988

48 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 189, Frankfurt am Main, 2000

49 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 53, Frankfurt am Main, 2000

50 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 54, Frankfurt am Main, 2000

51 vgl. Schnoor, Christian: Kants Kategorischer Imperativ als Kriterium der Richtigkeit des Handelns, S. 160, Tübingen, 1989

52 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 54, Frankfurt am Main, 2000

53 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 194, Frankfurt am Main, 2000

54 vgl. Schultz, Uwe: Kant, Reinbek bei Hamburg, S. 107, 1995

55 Ebenda, S. 99

56 Ebenda, S. 115

57 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, S. 108, Frankfurt am Main, 2000

 

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Autorin: Christiane Bönisch

Immanuel Kant - Gerechtigkeit in der Staats- und Rechtsphilosophie( Naturzustand)

Lebte von 1724-1804

Kants oberstes Prinzip ist es, dass jeder Mensch vernünftig ist
auch im Naturzustand gründet Kant in einer reinen Vernunft, es handelt hierbei um eine rationale Vorstellung eines Zusammenlebens der Menschen bei völligen Abwesenheit äußerer Grenzen, es ist ein Zustand äußerlicher grenzenloser Freiheit
-jeder hat das recht auf Freiheit, eine radikale Freiheit im Naturzustand
_ Da jeder das tun kann was er will, geht er das Risiko ein, andere Menschen in ihrer Freiheit einzuschränken und auch selber eingeschränkt zu werden.
_ Der einzige Weg der Willkür der Naturzustandes zu entkommen, ist sich mit allen dahingehend zu vereinigen, sich öffentlich, gesetzlich und äußeren Zwängen zu unterwerfen.
_ Freiheit verlangt notwendigerweise nach Recht.
_ Recht ist nur dann recht wenn es mit Zwang durchgesetzt wird.
_ Das Rechtsgesetz bietet den Rechtsgrund zur Unrechtsabwehr
_ Denn: Zwar ist jede Unrechtshandlung als Eingriff in meine Freiheit Zwang, nicht aber jeder Zwang ist Unrecht.
_ Er ist es dann nicht, wenn er der Abwehr einer Unrechtshandlung dient
_ Der Eintritt in eine bürgerliche Gesellschaft schafft Rechtssicherheit.
_ Positives Recht hat auch heute noch die Aufgabe Rechtssicherheit zu schaffen
_ Im Gegensatz zum heute vorherrschenden Staatsverhältnis hat für Kant der Sozial- und Wohlfahrtsstaat nicht den Rang pol. Gerechtigkeit.
_ Er darf deshalb nirgendwo zu Lasten des Rechtsstaates entwickelt werden
_ Sobald der Staat die Freiheitssicherung zugunsten Glücksbeförderung aufgibt oder auch nur lockert, wird er ungerecht
_ Das positive, staatlich gesetzte Recht, das öffentlich Recht, wird durch die öffentliche Gerechtigkeit bestimmt und durch eine Recht ausübende Gewalt gesichert.
_ Nicht Privatpersonen obliegt es zu entscheiden was Recht ist, sondern der öffentlichen Gewalt, daher hat der Rechtszustand Staatscharakter
_ Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinten Willen des Volkes zukommen.
_ Somit glaubt Kant die Ungerechtigkeit ausgeschlossen zu haben, da sich selbst niemand Unrecht zufügen würde.
_ Eigentum und Tausch
_ Er sagt, jeder Vertrag beispielsweise der Tausch von Ware gegen Geld, ist solange gerecht, wie die Partner freiwillig und ohne Betrug handeln.
_ ,,Jeder, der mich an den mir rechtlichen Handlungen hindert, tut mir unrecht"
_ Eigentum ist frei zu verfügen
_ Eigentum ist eine Institution, deren Begriff und Rechtfertigung bis heute ein Grundproblem der Politik und ihrer philosophischen Reflexion darstellt
_ Das Eigentum erweitert gewissermaßen den eigenen Leib über seine natürlichen Grenzen hinaus und bezeichnet zugleich allen anderen eine Grenze ihres Verfügungsraumes, ihrer Freiheit.
_ Privates Eigentum bedeutet Macht ( über die Sachen die mir gehören)
_ Schließt nicht aus freiwillig auf Eigentum zu verzichten ( Leben im Kloster)
_ Im Widerspruch zur Vernunft steht nach Kant allein ein rechtliches Verbot, also ein erzwungener Verzicht auf jede Art von persönlichen Eigentum
_ Begründet die Institution des Eigentums mit rein rationalen Gründen
_ Reine praktische Vernunft kennt keine anderen als formale Gesetze
_ Daher kann sie die Gegenstände nicht in legitime oder illegitime einteilen
_ Entweder alle verbieten oder alle zulassen
_ Also müssen nach Kant alle Gegenstände ohne Einschränkung als mögliche Eigentumstitel zugelassen werden
_ Die ursprüngliche Besitznahme eines bestimmten Teils des Gemeindeeigentums lässt sich als Bemächtigung denken
_ Denn bei der Bemächtigung handelt es sich erstens nicht um ein Wegnehmen, sondern um die ursprüngliche Aneignung eines Gegenstandes, der noch keinem Einzelnen gehört
_ zweitens zählt nicht die Gewalt, sondern der zeitliche Vorrang
_ denn ,, alle Menschen sind ursprünglich im rechtmäßigen Besitz des Bodens, da haben sie ein Recht, da zu sein, wohin sie die Natur oder der Zufall hingesetzt hat.
_ niemand ist verpflichtet, sich des Eingriffes in die Rechte anderer zu enthalten, genauso wenig wie er von den Eingriffen anderer, von ihrer Gewalt sicher ist.
_
_ ebenfalls eine bloße Vernunftsidee ist der Naturzustand- herrscht Rechtlosigkeit nicht Ungerechtigkeit.

 

Autor: Marco Boehm  
Datum: 2001
Veröffentlichung: 03/2001
Benotung: unbenotet
Hochschule/Schule: Flensburg
Kategorie: Hausarbeit
Notiz des Autors: Ein weiter Überblick, der jedoch nicht im Schwerpunkt auf die Kritiken eingeht. Wenig Literaturzitate

 

Universität Flensburg
Institut für Philosophie

Schriftliche Ausarbeitung zum Seminar
Einführung. Texte zur Geschichte der Philosophie
(2301) im Sommersemester 1998
unter der Leitung von Prof. Dr. H. Reinicke

Schriftliche Ausarbeitung zum Seminar
Kritik der praktischen Vernunft
(2309) im Wintersemester 1998/99
unter der Leitung von Herrn H. Schulz-Gaade

Thema:

Immanuel Kant - ein Leben - ,,Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis [22]  
I. Einleitung [33]  
II. Eine bewegte Zeit - kurzer historischer Abriss [44]  
III. Mehr als Immanuel Kants Heimatstadt - Königsberg [77]  
IV. Ein Kind (in) Königsberg(s) - Kants ,,Schuljahre" [88]  
V. Ein junger Mann sucht seinen Weg - Kants ,,Studienjahre" 99  
VI. Der Weg zur Kritik - Kants ,,Magisterjahre" [1111]
VII. Die kritische Phase - Kants "Schaffensjahre" [1414]  
VIII. Der Mensch Kant - Homo Cant [1818]

VIII.1 Kant und die Privatsphäre [1818]  
VIII.2 Kant und die Erziehung [2020]
VIII.3 Kant und die Revolution [2121]  
VIII.4 Kant und die Religion [2222]
VIII.5 Kant und die Praxis [2424]

IX. ,,Es ist gut." [2525]  
X. Resümee [2626]

(Siehe http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/ )

Anhang:  II  
1. Glossar II

1.1 Personenverzeichnis II  
1.2 Sachverzeichnis VV

2. Bibliographie XIIXII  
3. Literaturverzeichnis XIVXIV

I. Einleitung

,,Vollkommende Kunst wird wieder zur Natur." Kant VI 754

Immanuel Kant im Rahmen einer kurzen Abhandlung darzustellen scheint aussichtslos. Nicht nur die überlieferten Facetten der Person Kant scheinen kaum darstellbar, sondern vielmehr sein komplexes und sich entwickelndes Werk. Zu allen Zeiten wurden Kants philosophische Ansichten diskutiert. Bereits in den 1790ern, kaum zehn Jahre nach dem Erscheinen der ,,Kritik der reinen Vernunft" gab es bereits über 200 Schriften zur Kantischen Philosophie [1]. Damals wurde sie gar zu einer Modeerscheinung. 1790 wird bemerkt, dass Kants Schriften sich in Damenboudoirs fänden und dass die Friseure sich ihrer Terminologie bedienten. [2] Doch durch seine rationalistische heimatverbundene, aber dennoch welt- und glaubensoffene Denkrichtung der Aufklärung (Voraussetzung für den Deutschen Idealismus [3] ) erfuhr Kant auch Widerstand; 1794 in Form einer Kabinettsordre des königlichen Kabinetts um Friedrich Wilhelm II., der Kants Religionsphilosophie im Werk ,,Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" zensierte. Es kam zu Verboten Kants Lehren öffentlich vorzutragen (und zur Entlassung eines Professors, der dies dennoch tat). Letztlich setzte sich Kants Gedankengut durch, überstand gar das III. Reich, um heutzutage vieldiskutiert, ohne an Aktualität eingebüßt zu haben, als epochales Werk zu gelten, das den Ausgangspunkt für die meisten neuen philosophischen Richtungen der Deutschen Philosophie [4]  bildete.
In dieser Arbeit soll der Lebensweg Kants nachgezeichnet werden, um seine Publikationen im Lebensumfeld verstehen zu können. Seine Veröffentlichungen können nur in diesem engen Kontext betrachtet werden, wobei insbesondere die ,,Kritiken" sowie die gesamte kritische Phase sehr flüchtig angeschnitten werden. Vielmehr wird im folgenden der Frage nachgegangen: Wie bewegte sich Kant in seiner Zeit und was beeinflusste ihn direkt?

II. Eine bewegte Zeit - kurzer historischer Abriss

,,Die Natur will unwiderstehlich, dass das Recht zuletzt die Obergewalt erhalte." Kant VI 225

Das 17. und 18. Jahrhundert war durch den Absolutismus, mit seiner von Gott eingesetzten Monarchie, seinem merkantilen Wirtschaftssystem [5]  und seiner Kriegspolitik der stehenden  Heere [6]  und Koalitionskriege [7] geprägt. Der Monarch besaß absolute Herrschaftsgewalt und Regierungsgewalt. Durch die Tatsache von Gott in das Amt eingesetzt worden zu sein galt der Monarch als unfehlbar und musste die von ihm ausgegebenen Gesetze nicht beachten (legibus absolutus). Er wurde nicht durch Mitwirkungs- oder Kontrollorgane eingeschränkt und überprüft. Lediglich die Kirche als ausführend-einsetzende Kraft im Staat kann als bewusst leitend bezeichnet werden. Die Gewaltenteilung des Staates in: ,,die Herrschergewalt (Souveränität), in der des Gesetzgebers, die vollziehende Gewalt, in der des Regierers (zu Folge dem Gesetz) und die rechtssprechende Gewalt (als Zuerkennung des Seinen eines jeden nach dem Gesetz), in der Person des Richters" (Kant IV 431), also Legislative, Exekutive und Judikative gab es nicht und wurde erst durch Montesquieu geprägt [8]. Der Monarch leitete faktisch alle politischen Vorgänge vom kulturellen Leben über die Wirtschaft bis zur Außenpolitik und dem Militär. Eingesetzte Minister und die Generalstände dienten lediglich zur Legitimation von Steuern und Kriegsführung, wobei das gros der Staatsgelder aus Kriegen und den dazugehörigen Reparationszahlungen sowie aus den Steuern insbesondere des 3. Standes [9] erwirtschaftet wurde. Trotz einer straffen Wirtschaft, bei denen Importe mit hohen Schutzzöllen belegt wurden um inländische Waren attraktiver werden zu lassen und strategischen Kriegen, die von innenpolitischen Problemen ablenken sollten stiegen die Staatsschulden durch Korruption und Fehlwirtschaft auf ein für das Volk nicht mehr tragbares Niveau.
So lösten sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts viele europäische Fürsten/ Könige von der Kirche aus Angst vor einem Aufbegehren im Volk durch die offensichtlichen wirtschaftlichen Defizite des Absolutismus und entwickelten aus der Willkür ihrer klerikal gestützten absolutistischen Macht einen aufgeklärten Absolutismus wobei sie sich als Diener des Staates bezeichneten. Das bedeutete insbesondere menschwürdiges Strafrecht (Gleichheit vor dem Gericht) ohne Folter und Aufhebung der Leibeigenschaft. Zudem wurde eine Art der Pressefreiheit (in Preußen) eingeführt, sowie das Schul- und Bildungswesen gefestigt. Dennoch blieb das Volk ohne Mitbestimmung. Wichtige Vertreter dieser Regierungsform waren in Preußen Friedrich Wilhelm I.
[10]  (Soldatenkönig) und Friedrich II. von Preußen [11]  (Friedrich der Große). Mit Friedrich Wilhelm II. [12], dem Nachfolger Friedrich II. erfuhr die scheinbare Entwicklung zu einem aufgeklärten Rechtsstaat einen Stillstand, der selbst Jahre später mit der Märzrevolutionevolution von 1848 noch aktuell war. Der Versuch des Erlasses ,,Preußisches Allgemeines Landrecht" (ALR) mit seinen 19.000 Einzelparagraphen stiftete Verwirrung. Durch neue Gesetze schien ein Fortschritt erzielt worden zu sein, jedoch wurde die altständische Gesellschaft durch sie wieder verstärkt berücksichtigt, so dass alte Regierungs- und Verwaltungsformen intensiviert wurden. [Kant erfuhr die Entwicklung in Form der preußischen Zensurbehörde.] Erst 1900, mit der Verabschiedung der ersten Fassung des Bundesgesetzbuches (BGB) wurde das ALR ganz abgelöst.
Als gegenläufige Strömung zum Absolutismus entwickelte sich im ausgehenden 17. Jahrhundert, eher 18. Jahrhundert die Aufklärung, die ihre Wurzeln in dem "Loch" begründete, das die Naturwissenschaftler mit Beweisen gegen die unfehlbare Kirche hervorgerufen hatten. Die zum Teil drastisch unterdrückten Veröffentlichungen ließen Verwirrung im Volk zurück. Es entluden sich die Zweifel an der Kirche und somit sich selbst durch Aberglauben ("Gegenglauben") und ungerichtete Gewalttaten, wie die Hexenverfolgung oder Selbstjustiz. Die Wissenschaft jedoch begann bald mit dem Hinterfragen der Menschheit, den Fragen nach der Unsterblichkeit der Seele, nach der Existenz eines Gottes und nach Anfang und Ende der Welt. Dies waren auch Kants entscheidende Fragen, die mit der Kritik an dem Rationalismus, dem Empirismus und dem Skeptizismus in seiner kritischen Phase zur sog. Kantischen Philosophie differenziert heranreiften und diskutiert wurden.
Die modernen Demokratien des Westens sowie der Sozialismus des Ostens basieren auf dem geistigen Ursprung der Aufklärungsbewegung. Ausgehend von England verbreitete sich die Idee über ganz Europa und nach Nordamerika, wobei sie überwiegend vom Bürgertum getragen wurde und die großen Städte und Universitäten mit ihren ,,Freidenkern" als Multiplikatoren dienten. Ihre größte Kraft entwickelte die Aufklärung in Frankreich. Als großer Vorbereiter trat Charles de Montesquieu [
13]  für die Gewaltenteilung, als Prinzip eines gefestigten, gerechten inneren Staatsaufbaus ein; Jean-Jacques Rousseau [14] vertrat die Volkssouveränität (,,Alle Macht geht vom Volke aus") und forderte die Abkehr von Zwängen der feudalistischen Gesellschaft. Ziel der Aufklärungsbewegung war es, den Menschen zum selbst-denkenden Individuum zu erziehen und damit ihn von den traditionellen Autoritäten und Ideologien, des Adels und der Kirche zu befreien. Mit dem Sturm auf das politische Gefängnis, die Bastille, am 14. Juli 1789 brach mit der Französischen Revolution [15] das enttäuschte und verärgerte Volk entgültig den Absolutismus. Lafayette [16] bildete eine Nationalgarde (Bürgermiliz). Einen Monat später wurden die Menschenrechte proklamiert: Liberté, Ègalité, Fraternité (persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit und Weltoffenheit/ Weltbürgertum). In den folgenden Jahren brodelte es weiter im Volk. Neben diversen Aufbegehren wurde die Kirche verstaatlicht und eine neue Verfassung [17] verkündet, die sich als konstitutionelle Monarchie darstellte (schwache Exekutive und Volksvertretung durch Zensuswahl, Wahl aller Beamten, öffentliche Gerichte, Menschenrechte, Rechtsgleichheit). Sie diente als Vorbild aller bürgerlichen Verfassungen des 19. Jh.
Kant formulierte in seiner Schrift ,,Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" im Jahre 1784 eine Definition der laufenden Diskussion
[18]:

,,Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung." Kant VI 53

III. Mehr als Immanuel Kants Heimatstadt - Königsberg

,,Der Staat ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen."
Kant IV 431

Königsberg, nahe der Mündung zu beiden Seiten des Pregels ins Frische Haff, ist heute die Hauptstadt des Gebiets Kaliningrad, wurde 1945 annektiert und in die RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) eingegliedert. Die Stadt wurde in Kaliningrad umbenannt [nach dem sowjetischen Politiker und Vorsitzenden des Präsidiums der Obersten Sowjets Michail Iwanowitsch Kalinin (1875 - 1946)], lag bis 1991 als Enklave zwischen der sowjetischen Unionsrepublik Litauen und Polen. Seit der Souveränität Litauens 1991 ist Kaliningrad eine russische Exklave [nur über fremdes Staatsgebiet zu erreichen].
Das heutige (zumeist zugängliche) Königsberg versucht seine Zeugnisse der großen Denker und Künstler wiederzufinden. Die Trabantenstadt mit über 400.000 Einwohnern hat kaum noch etwas mit dem ,,gelehrten Sibirien" von damals zu tun. Die Altstadt war in den letzten Jahrzehnten ein wichtiger militärischer Stützpunkt der Sowjets - eine Erhaltung der historischen Gebäude war nicht vorgesehen. So sind große Teile des auf einer Fliehburg des Deutschen Ordens (13 Jh.) gebauten Schlosses verfallen; weder der Sitz der Hochmeister (1457) noch die Residenz der Herzöge von Preußen (1525 - 1618) lässt sich am heutigen Stadtbild erahnen. Auch die baulichen Dokumente der preußischen Krönungsstadt Königsberg (1701; 1861) lassen sich nur schwer wiederfinden.
In Kants Geburtsjahr 1724 wurden die drei Teilstädte Königsberg (Altstadt), Löbenicht und Kneiphof aus verwaltungsrechtlichen Gründen zur Stadt Königsberg zusammengefasst und damit die Hauptstadt im ehemaligen Ostpreußen des Königreiches Preußen im Kurfürstentum Brandenburg (ab 1660). Die Stadt erfuhr durch regen Handel und Schifffahrt einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung. Insbesondere englische und holländische Schiffe liefen die wieder erblühte Hansestadt an. Königsberg hatte große Werftanlagen, Sägewerke, Tuchfabriken, Mühlen und Brauereien, sowie eine eigne Umschlagbörse.
So passte der, auch von Kant initiierte, Aufschwung der Königsberger Universität, der Albertina - gegründet 1544 - in das Gesamtkonzept der Stadt. Trotz des guten Rufs kann, vielleicht aufgrund ihrer Lage im Reich, die Albertina bis ca. 1800 als eher kleine Universität angesehen werden (1800 - ca. 200 Studenten).

IV. Ein Kind (in) Königsberg(s) - Kants ,,Schuljahre"

,,Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seien die besten und angenehmsten ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist, selten einen eigentlichen Freund und noch seltener Freiheit haben kann." Kant VI 740

Am 22. April des Jahres 1724 erblickte in der Sattlergasse (im Hause der Familie), im damals ostpreußischen Königsberg ein Kind das Licht der Welt. Es war das vierte von später elf Kindern der Familie Cant [19], von denen jedoch nur fünf [20] die Eltern überlebten. Der Junge wurde nach dem Tagespatron Emanuel benannt und getauft.
Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen, wobei der Vater Johann Georg als Riemer- und Sattlermeister durch regen Fuhrmannsverkehr in der abgelegenen Hafenstadt immer regelmäßige Aufträge erhielt; er galt als ehrenwerter, stark rechtlich denkender Mann. Insbesondere die gebildete und aufgeschlossene Mutter Anna Regina war streng religiös. Sie gehörte, wie die gesamte Familie, der Bewegung des Pietismus
[21] an, die gerade in Königsberg durch Franz Albert Schultz [22] hohes Ansehen genoss. Frei nach Spencers [23] verbreiteten Pietismus öffnete die Mutter in ihrer Erziehung Immanuels ,,Herz für die Eindrücke der Natur". Noch bevor Immanuels Mutter im Jahre 1737 (im Kindbett [nicht gesichert]) verstarb kann Schultz schon lange als der Familie nahestehend bezeichnet werden. Er war es wohl, der Immanuel Kant aufgrund seiner Begabung 1732 von der Vorstädter Hospitalschule an das Collegium Friedericianum holte und somit für Kants weitere strenge und religiöse Erziehung prägend wurde. Kant selbst belegte die Zeit später mit negativen Attributen, wobei er neben den Erziehungsmethoden den religiösen Zwang scharf kritisierte. [24] Neun Jahre lang besuchte Kant, fast immer als Klassenbester das streng pietistisch, aber grundsätzlich pädagogisch fortschrittlich geltende Gymnasium.

V. Ein junger Mann sucht seinen Weg - Kants ,,Studienjahre"

,,Durch Kritik wird unserem Urteil der Maßstab zugeteilt, wodurch Wissen von Scheinwissen mit Sicherheit unterschieden werden kann." Kant III 263

1740 nahm Kant als 16-jähriger nach bestandener Aufnahmeprüfung das Studium an der Albertina auf. Er orientierte sich nicht in Richtung Theologie, wie es der Wunsch unterschiedlicher Personen (u.a. seiner Mutter) war, sondern suchte sich die kaum beachteten Richtungen Naturwissenschaften und Philosophie aus. Ihn erwartete eine große Zahl an Wissensgebieten, die noch nicht explizit differenziert waren, wie z.B.: Altsprachliche Fächer (Latein, Griechisch, Hebräisch, etc.), Poesie, Beredsamkeit [Rethorik], Geschichte, Mathematik, Naturlehre, Logik und Metaphysik, sowie praktische Philosophie. Weiterhin verschult, aber mit einer freieren Form der Strenge knüpfte der wissbegierige und disziplinierte Kant bald ein persönlich-freundschaftliches Verhältnis zu Martin Knutzen [25].
Der Lehrer führte den Schüler in langen persönlichen Gesprächen/ Diskussionen in den mathematischen und philosophischen Bereich ein. So ist Knutzen auch als Initiator für Kants Auseinandersetzung mit Newtons
[26] Naturtheorie/ Mechanik zu sehen. Durch die freie, uneingeschränkte Nutzung Knutzens Privatbibliothek wurde Kant der Weg zum Selbstdenker eröffnet, der sich durch die Vielfalt der neusten und klassischen Publikationen ein eigenes Bild der Welt schaffen konnte, wobei Kant der Meinung war: ,,Büchergelehrsamkeit vermehrt zwar die Kenntnisse, aber erweitert nicht den Begriff und die Einsicht, wo nicht Vernunft dazu kommt." Kant VI 548

Sein Studium beendete Kant im Jahre 1746 ohne Abschlussprüfung. [27] Er legte zu diesem Zeitpunkt seine erste philosophische Arbeit beim Dekan der philosophischen Fakultät vor: ,,Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte". Dabei diskutierte Kant Berechnungen von Kraftwirkungen zwischen Masse und Geschwindigkeit wobei er die zwei vorherrschenden Meinungen von G. W. Leibniz [28] und R. Descartes [29] versuchte zu verknüpfen. Der Lösungsansatz ist aus Sicht der heutigen Naturwissenschaft falsch und bedeutete auch zu seiner Zeit keinen Fortschritt, da bereits 1743 d'Alembert [30] die richtige Lösung der Diskussion anbot. [31] Dennoch lässt sich an dem naturwissenschaftlichen Stil schon der kritische, denkende Kant erkennen. Noch versuchte er einen Spagat zwischen Metaphysik [32], zu der er sich eher hingezogen fühlte, aber die er in seiner Arbeit kritisierte und der Empirie [33], ,,[der] alles verdächtig ist, was nur den Schein einer Metaphysik an sich hat".

Der Tod des Vaters 1746 und die damit häufig in Zusammenhang gebrachte Ernährung der Familie gilt allgemein hin als Grund, dass Kant bis ins Jahr 1754/55 als Hauslehrer/ Hofmeister [34] bei (drei) begüterten/ adligen Familien im Königsberger Umland gearbeitet hatte. Gesichert ist, dass viele Akademiker der Zeit nicht über materielle Güter verfügten und so nach Beendigung des Studiums zur Finanzierung des Lebensunterhalts als Hauslehrer arbeiteten. Diese Zeit war häufig (für die vita belanglos aber) für die persönliche Entwicklung entscheidend. So sieht auch Vorländer [35] die Jahre als einen (gewollten) kreativen Reifeprozess Kants an, was an der expansiven Arbeits- und Schreibphase der darauf folgenden Zeit gut zu erkennen ist.

Im Jahre 1754 kehrte er nach Königsberg zurück, um den Druck seiner (anonym veröffentlichten) Arbeit ,,Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels" (März 1755) zu begleiten. Die Gedanken zur Weltentstehung und damit die klare Trennung von Religion und Naturwissenschaft wirkten für damalige Zeit sehr provokativ und fortschrittlich. Die naturwissenschaftlichen Theorien um die Entstehung des Planetensystems wurden durch Friedrich Wilhelm Herschel [36]  teilweise empirisch bestätigt und galten sogar als Grundlage für die Weltentstehungshypothese (1796) von Pierre Simon Marquis de Laplace [37], die im 19. Jh. als die theoretische Basis der Astronomie angesehen wurde.
Zur frühen vorkritischen Phase gehören ohne Zweifel auch die Dissertation ,,Meditationum quarundam de igne succincta delineatio"
[38] und die im gleichen Jahr (1755) verfasste Habilitation ,,Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio" [39]. Sie sind geprägt von den naturphilosophischen Gedanken des Physikers Isaac Newton und des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. Diese erste dogmatische Periode gipfelte einige Jahre später in der Abhandlung ,,Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes" aus dem Jahre 1763.

VI. Der Weg zur Kritik - Kants ,,Magisterjahre"

,,Man kann niemals Philosophie (es sei denn historisch), sondern, was die Vernunft betrifft, höchstens nur philosophieren lernen." Kant II 699

Das Leben als Privatdozent (magister legens) an der Albertina zu Königsberg war keineswegs bequem. Er war angewiesen auf die kargen ,,Vorlesungsgebühren" der Studenten und versuchte sich durch zusätzliche private Stunden zu finanzieren. Unregelmäßige Honorare für seine Publikationen waren ein zusätzliches Produkt seiner niedergeschriebenen Gedanken und Ideen. So veröffentlichte er noch im Jahre 1756 zwei Schriften ,,Über die physische Monadologie"40 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/> und ,,Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde", die er öffentlich verteidigen musste, um sich für eine ordentliche Professur bewerben zu können.
Neben Seminaren und Vorlesungen in den bestehenden Fächern las Kant auch in der von ihm modifizierten physischen Geographie
41 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/>. Eine seiner Hauptaufgaben sah Kant in der Erziehung mündiger Schüler, die selbstständig dachten und nicht nur nachsprachen. Das manifestierte sich bei Kant darin, dass er es nicht mochte, wenn die Studenten in den Vorlesungen mitschrieben, da sie so seiner Ansicht nach eher Unwichtiges notierten und Wichtiges überhörten. Seine Vorlesungen erfreuten sich steigender Beliebtheit42 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/>, da sich Kant als Dozent sprachlich phantasievoll, beispielreich, elegant und gewandt darstellte.43 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/> Der fachliche Ruf (gerade durch seine dicht aufeinaderfolgenden Publikationen) verbreitete sich im deutschsprachigen Raum, so dass Kants Name fortschrittliche, kritische Studenten an die Universität zog.44 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/>
Der Weg zu einer ordentlichen Professur sollte dagegen noch bis in das Jahr 1770 dauern. Bereits im Jahre 1756, ein Jahr nach dem Beginn seiner Honorartätigkeit, bewarb sich Kant auf die vakante Professur für Mathematik und Philosophie seines verstorbenen Doktorvaters und Mentors Knutzen. Diese wurde jedoch zunächst nicht wiederbesetzt, da die Staatsgelder für die Kriegswirtschaft des Siebenjährigen Krieges
45 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/> verwendet wurden. Auch Kants zweite Bewerbung, dieses Mal für die Professur Logik und Metaphysik 1758, die trotz des Krieges (von den Russen, die die Provinz Ostpreußen besetzt hatten) wiederbesetzt werden sollte führte nicht zu einer Professur, da der länger eingesessene und ältere Privatdozent F. J. Buck den Vorzug erhielt. Einen Ruf für Poesie der Universität 1764 lehnte Kant ab, da er nicht mit ,,Gelegenheitsgedichten, die zahlreich zu halten waren" und ähnlichem seine geistige Unabhängigkeit verlieren wollte. Statt sich anderen (zentralen) Universitätsstädten zuzuwenden blieb er Königsberg und der Albertina treu. Selbst gut dotierte Honorarangebote anderer Hochschulen von Erlangen 1769 und Jena 1770 lehnte er ab, mit den Worten: ,,Das Ziel meines akademischen Wirkens ist gleichzeitig das Ziel meines Lebens". So nahm Kant 1766 die Stelle eines Unterbibliothekars an der Königlichen Schlossbibliothek an, die ihm ein bescheidenes, aber sicheres Einkommen garantierte. Die durchaus (für ihn46 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/>) harte körperliche Arbeit führte er sogar bis in die Zeit der ordentlichen Professur weiter, die zunächst mit 166 Taler und 60 Groschen im Jahr dotiert war.
Nach einer publikationsarmen Zeit, erfuhren ab Mitte der 1760er Jahre die Schriften Kants eine skeptische Phase in der er sich bereits in der Vorstufe hin zur großen Wendung in seinem Denken befand. Im Aufsatz ,,Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume" (1769) griff er letztmalig die Diskussion zwischen Leibniz und Newton auf, um die absolute Existenz des Raumes oder die Relation zwischen den Dingen aufzuzeigen, wobei er eher Newton unterstützte indem er dem Raum eine selbstständige Realität zusprach, diese aber noch nicht bestimmte.
In seiner Antrittsdissertation ,,De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis"
[47] zur Ernennung zum ordentlichen Professor für Logik und Metaphysik [48] am 31. März 1770 durch Kabinettsordre49 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/> stellte Kant fest, der Raum und die Zeit seien weder reine Relationsbegriffe noch absolute Bedingungen der Möglichkeit der Dinge-an-sich selbst, sondern subjektive Formen unter denen die Menschen diese Dinge ansehen. Unterschieden werden müsse zwischen Erscheinung (Dinge, die durch die subjektive Form der Raum-Zeit-Betrachtung entstehen) und den ,,Dingen-an-sich" (die der Verstand unabhängig vom temporären Phänotypen versteht/ erkennt). [Die Erkenntnis ,,a priori" der ,,Dinge-an-sich" durch den menschlichen Verstand bleibt noch offen.]
Größere Publikationen fehlten in den nächsten Jahren - Ein weiterer großer Reifungsprozess, eingebettet in neue Aufgabenfelder oder reiner Zeitmangel durch die Lehrtätigkeit?
Grundsätzlich gilt, dass mit Kants Ernennung zum ordentlichen Professor seine eigentliche philosophische Schaffensperiode begann, die u.a. zu seinen ,,drei Kritiken" führte. Die Zeit der naturwissenschaftlichen Schriften war zumeist beendet.
In den späteren Jahren war er u.a. mehrfach Dekan der philosophischen Fakultät, zweimal (1786; 1788) Rektor der Albertina und ab 1792 Senior der philosophischen Fakultät, dann der gesamten Universität, was auch jeweils mit einer Verbesserung der Besoldung verbunden war. 1786 wurde Kant zum auswärtigen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften ernannt. 1794 folgte die Wahl in die Petersburger Akademie der Wissenschaften. Bereits nach Beendigung seiner Lehrtätigkeit 1798 wurde Kant außerdem in die Akademie der Wissenschaften von Siena gewählt.

VII. Die kritische Phase - Kants "Schaffensjahre"

,,Das Feld der Philosophie in dieser weltbürgerlichen Bedeutung lässt sich auf folgende Fragen bringen:
- 1. Was kann ich wissen?
- 2. Was soll ich tun?
- 3. Was darf ich hoffen?
- 4. Was ist der Mensch?" Kant III 447f.

Über zehn Jahre ohne große Veröffentlichung wurden gebrochen durch das Werk "Kritik der reinen Vernunft" (KdrV), das das Denken in der Philosophie und Wissenschaft auf ein völlig neues Fundament stellte.50 <http://www.hausarbeiten.de/archiv/philosophie/philo-text14/> Innerhalb weniger Monate fasste Kant das in ihm gereifte Werk ab und lies es auf der Leipziger Buchmesse 1781 vorstellen. Zunächst unbeachtet trat es binnen weniger Jahre einen Siegeszug an, wobei fast alle großen Wissenschaftler die Veröffentlichung ähnlich einstuften wie A. Schopenhauer, der es für "das wichtigste Buch, das jemals in Europa geschrieben worden ist" hielt. Zwei Jahre später veröffentlicht er "Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können". Eine in buchdicke "nachgereichte Vorbemerkung" und Aufarbeitung der KdrV. Der Schwerpunkt der KdrV bildete die neue Lehre der Transzendentalphilosophie, als Weiterführung der Metaphysik. Dabei löste sich Kant von den griechischen Philosophen und der Leibnizschen Monadenlehre, wobei er sich mit aller Erkenntnis beschäftigte, die nicht nur mit den Gegenständen, sondern vielmehr mit der Erkenntnisart von Gegenständen (sofern sie apriorisch möglich sind) umgeht. Der Zugriff der menschlichen Erkenntnis beschränke sich so auf die "Erscheinungswelt", da uns alle Formen der Erscheinungen nur zugänglich sind über die Erfahrung und wie ihre daraus resultierenden Formen in unseren Geist getragen werden. Ein Leben in Raum [51] und Zeit [52] ist die Vorrausetzung jeglicher Anschauung, schließt eine apriorische Sicht der Dinge-an-sich aber aus. Dennoch sind wir "im Besitz gewisser Erkenntnisse a priori, und selbst der gemeine Verstand ist niemals ohne solche" wie Kant in der Überschrift des zweiten Kapitels der Einleitung behauptet. Reine Verstandsbegriffe, Kategorien machen dabei die Erscheinungswelt differenzierbar, da sie völlig erfahrungsunabhängig sind. Sie sind wie Raum und Zeit Voraussetzung oder Bedingung jeglicher Erfahrung. Durch sie werden die Daten der Sinne in ein geordnetes Ganzes gebracht.
Aus dem gewissen Erkenntnisvermögen formulierte Kant Urteile:
tautologische analytisch-apriorische Urteile
Dem Subjekt wird durch ein Prädikat keine neue Erkenntnis zugeführt; es muss ein unbedingtes Merkmal sein, das zudem erfahrungsunabhängig ist. Subjekt und Prädikat sind immer miteinander verbunden (in beide Richtungen). Z.B. "Alle Körper sind ausgedehnt." "Der Kreis ist rund."
partiell analytisch-apriorische Urteile
Es gilt der Grundsatz von oben, jedoch lässt sich das Urteil nicht umkehren. "Gold ist ein Metall" ist wahr, wobei Metall nicht unbedingt Gold sein muss. (anders bei Kreis und rund)
synthetisch-apostiorische Urteile
Im Gegensatz zu den erstgenannten sind diese Urteile durch Erfahrungen bedingt. Ein Subjekt wird mit einem Prädikat verbunden, das auf Grund von Sinnlichkeit oder Verstand ausgewählt wurde. Z.B. "Der Körper ist schwer." (ein Körper muss aber nicht schwer sein) Da dies allgemein gehalten ist spricht man von mittelbar evident. Unmittelbar evident ist z.B. das Urteil: "Die Sonne scheint gerade."
synthetisch-apriorische Urteile
Das höchste Gedankenkonstrukt, da das Subjekt nicht im Prädikat enthalten ist (oder umgekehrt), nicht empirisch beeinflusst ist, aber trotzdem allgemeingültig ist. Z.B. "Alles was geschieht hat eine Ursache." Die Mathematik (der arithmetische Satz ist also jederzeit synthetisch), Geometrie und Physik (auch Metaphysik) arbeiten mit solchen Urteilen.
Das Streben des menschlichen Erkenntnisvermögens nach dem Abschließenden, Unbedingten fand Kant in den Ideen. Diese sind nicht Verstands-, sondern Vernunftbegriffe und haben eine regulative Bedeutung für die Verarbeitung des Erfahrungsstoffes, sie ordnen also Erfahrungen und verbinden sie, eröffnen jedoch keine Erkenntnis des Unbedingten, wobei die höchsten theoretischen Ideen Gott, Welt, Seele sind. Kant zeigt Schwächen im Rationalismus, Empirismus, Skeptizismus, der rationalen Psychologie, der rationalen Kosmologie und der rationalen Ideologie auf, die durch die Problematik von falsch getroffenen Urteilen entstanden - der Schwerpunkt der Kantischen Philosophie.
1787 erschien eine überarbeitete Version der KdrV.
Nachdem Kant 1785 eine "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" gegeben hatte, begründete er in der zweiten Kritik, der "Kritik der praktischen Vernunft" 1788 die Sittenlehre/ Ethik. Das Buch beschäftigt sich mit dem Nachweis, dass es eine "reine" praktische Vernunft gäbe, die unmittelbar durch das moralische Gesetz bestimmbar sei. Das wiederum ließe den transzendenten Begriff der Freiheit durch den Menschen als intelligibles Wesen in die Nähe der Verwirklichbarkeit rücken. Dabei laute das sittliche Grundgesetz: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne." Dies ist der kategorische Imperativ, wobei Kant ganz auf Bestimmungen und Einstellung der Menschenpflichten verzichtete, da sie nicht zum System der Kritik sondern zum System der Wissenschaft gehören. Dennoch ist die Grundvoraussetzung dass der Mensch der dem kategorischen Imperativ folgen möchte frei sein muss, d.h. sein Wille muss autonom sein und er sich selbst gesetzgebend sein. Die reinen Gesetze sind frei von Objekten des Begehrens, da sonst die Sinne abgeleitet würden. Der reine Wille ist unabhängig von allen Neigungen und Interessen. Die praktische Vernunft muss also einem Gesetz folgen, welches aus ihr selbst entspringt, ohne empirische Einflüsse. Anderenfalls handele es sich nicht um den kategorischen Imperativ sondern vielmehr um hypothetische Imperative, die die Glückseligkeit und das Verlangen jeden einzelnen mit einbeziehen.

Abb. 1: Prinzipien nach denen Menschen handeln:

 

Warum der kategorische Imperativ?
Das oberste Prinzip besagt, dass der Mensch nur nach der Maxime handeln sollte, von der er zugleich verlangen könnte, dass sie von allen anderen Menschen befolgt werden müsste. Der Mensch kann einer Maxime, frei von jeglichen materiellen Verlangen, gültig für alle, folgen, die somit aus der Vernunft selbst entspringt. Bei Einhaltung der Maxime möchte der Mensch etwas erreichen, das alle anderen Menschen auch erreichten ohne Rücksicht auf eigene Interessen. Er strebte ein übergeordnetes Ziel an (selbst, wenn es nicht erreicht werden könnte).

Im 1790 erschienen Werk "Kritik der Urteilskraft" suchte Kant den Rechtsgrund für den Anspruch unseres ästhetischen Geschmacksurteils auf allgemeine Gültigkeit aufzudecken. Weiterhin deckte er die Grenzen der theologischen Naturbetrachtung auf.

VIII. Der Mensch Kant - Homo Cant

,,Reich ist man nicht durch das, was man besitzt, sondern mehr noch durch das, was man mit Würde zu entbehren weiß." Kant V 376

Der Mensch Kant stellt sich natürlich viel facettenreicher und undurchdringlicher dar als es in der bisherigen Chronologie aufgezeigt wurde. Um einen etwas tieferen Einblick zu gewähren sind im folgenden Kapitel einige wichtige Begriffe im Bezug auf Kant jeweils einzeln beleuchtet worden, um Kants Ansichten und Meinungen zu verdeutlichen.

VIII.1 Kant und die Privatsphäre

,,Arbeit und Ruhe, Stadt- und Landleben, im Umgange Unterredung und Spiel, in der Einsamkeit Unterhaltung, bald mit Geschichten, bald mit Gedichten, einmal mit Philosophie und dann mit Mathematik, stärken das Gemüt." Kant VI 460

Augenscheinlich war Kant mit 1,57m Körpergröße und einer Knochendeformierung ein kleiner, hagerer Mensch. Ihn plagten überdies Allergien, so konnte er keine frisch gedruckten Zeitungen lesen und Nervenleiden. Oftmals wird in seiner gesundheitlichen Konstitution der Grund für seine Heimattreue angenommen. Tatsächlich hat Kant nie den Regierungsbezirk Königsberg verlassen obwohl er über Ideen für Reisen (nach England) geschrieben hatte und er zunächst den Ruf an die Universität Erlangen 1769 zusagte, bevor er sich ganz auf Königsberg konzentrierte. Andererseits war Kant zu einer Veränderung unentschlossen, da er seine sozialen Kontakte sehr pflegte. Sein Bekanntenkreis wird als relativ groß angesehen, was sich natürlich auch aus seiner beruflichen Stellung heraus ergab. Dennoch waren seine engen Bekannten eher in Kreisen fern der Universität angesiedelt, gehörten sie doch vorwiegend der Königsberger Kaufmannschaft an. Er suchte in jüngeren Jahren gerne Ablenkung im Kaffeehaus, Tee trinkend spielte er mit Freunden Billard. Auswärtiges Essen sowie sporadische Theaterbesuche gehörten ebenso zum älter werdenden Kant wie Karten- und Gesprächsabende, wobei er als ,,bis ins hohe Alter recht trinkfest" beschrieben wurde. Andererseits brauchte er absolute Ruhe, um konzentriert arbeiten zu können. Er wechselte häufig seine Wohnungen, da ihn der Krach seiner Mitmenschen und sogar Naturgeräusche störten und schmerzten. Erst 1783 fand er in seinem neu erworbenen Haus endlich seine gesuchte Ruhe. Obwohl er dort eine Köchin und einem Diener angestellt hatte war Kant gegen finanzielle Verschwendung. Vielleicht war dies der Grund für seine spartanische Inneneinrichtung. Frauen passten schwierig in so ein Leben voller Arbeit und Eigenarten. Keineswegs war Kant den Frauen abgeneigt, aber durch sein zögerliches Verhalten kam es nie zu einer Heirat, noch zu langen Beziehungen. Das Junggesellenleben bedeutete jedoch keinesfalls die Abwendung von Frauen. So verehrte er Gräfin Keyserling, als philosophisch gebildete Frau und eine ,,Zierde ihres Geschlechts". Wie er im zwischenmenschlichen Bereich zu Männern stand ist nicht klar überliefert.
Mit fortschreitendem Alter ging Kant zu einem streng geregelten Tagesablauf über. Blieb in den Studienjahren Zeit für Zerstreuung durch Billard und Kartenabende mit Freund und WG-Bewohner Wlömer und Freund Hilsberg, so war seine zweite Lebenshälfte (die ,,Schaffensphase") geprägt durch Pünktlichkeit und Pedanterie. War solch ein Lebensrhythmus notwendig, um durch tägliche Rituale den großen Geist über seinen anfälligen Körper heben zu können.
Er stand um 5 Uhr auf, kleidete sich an und genoss zwei Tassen Tee mit seiner einzigen Pfeife Tabak des Tages. Nach den Vorlesungen, die ab 7 Uhr oder 8 Uhr begannen und häufig in seinem Haus stattfanden, was zur damaligen Zeit üblich war, widmete er sich (im Morgenrock) der Lektüre. Um 12.45 Uhr empfing Kant seine wechselnden Tischgäste. Das ausgedehnte Mittagessen (Kants einzige Mahlzeit) begann um 13 Uhr und konnte, gerade mit guten Bekannten durchaus einige Stunden dauern, wobei nicht philosophiert sondern allgemein erzählt wurde. Es folgte ein ausgedehnter Spaziergang
[53]  (mit Freunden), um erneut Lektürearbeit zu leisten. Nachdem der englische Kaufmann und Freund Kants Joseph Green starb, verzichtete Kant auf die täglichen Spaziergänge/ Treffen bei Green und arbeitete in dieser Zeit vielmehr an Manuskripten. Zum Abend erledigte er sonstige Arbeiten und nahm sich die Zeit zum Nachdenken oder für leichte Lektüre (z.B. Reiseberichte), um genau um 22 Uhr den Tag zu beenden.

VIII.2 Kant und die Erziehung

,,Gute Erziehung ist das, woraus alles Gute in der Welt entspringt" Kant VI 704f.

Zu seiner Arbeit als Hauslehrer, die auch die ,,Persönlichkeitsbildung der Kinder" zur Aufgabe hatte, meinte Kant selbstkritisch und gleichzeitig selbstironisch, das es wohl kaum jemals einen schlechteren Hofmeister mit besseren Grundsätzen gegeben habe. Sein großes Vorbild in der Pädagogik war der schweiz-französische, politisch arbeitende Sozialphilosoph Jean-Jacques Rousseau [54]. In Kants Haus hing gar ein Portrait des Pädagogen und geistigen Wegbereiters der Französischen Revolution. Nicht nur bewusst bezog sich Kant auf die Lehrern Rousseaus, vielmehr nahm Kant auch die Haltung ,,Zurück zur Natur" von ihm ein und wandte sie auf seine Philosophie an.
,,Pfleg und gieß die Pflanze, ehe sie verdorrt; eines Tages wirst du dich an ihren Früchten laben." schrieb Rousseau in ,,Emil oder Über die Erziehung" bereits zu Beginn des ersten Buches. Kants Auftaktsatz in dem Werk ,,Über Pädagogik" ist noch klarer: ,,Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss." (Kant VI 697)
Dabei sprach Kant davon, dass der Einzelperson allein aus dem Grund Mensch zu sein, Autonomie und Würde zukommen müsse und damit (durch Selbstgesetzgebung) die Würde und Autonomie aller anderen Einzelpersonen/ Menschen gewährleistet würde [kategorischer Imperativ]. Diese Idee des Wechselverhältnisses bezog sich auf den ,,Gemeinwillen" Rousseaus. Kant zeigte in seinen Werken Maxime bis zu Imperativen auf, die generelle Lebenshaltungen mit ihren Werten in einen Handlungskontext bringen. Dabei gibt es einen Handlungsspielraum, was bedeutet, dass keine ethische Einheitslösung existiert, ethische Imperative keine direkten Anweisungen enthalten können/ dürfen und dass es eine Willensfreiheit geben kann.
Ganz praktisch bedeutete dies für Kant, das es zwar einen Zwang in der Erziehung geben müsse, dieser aber zur Freiheit führe. Das damals bestehende Schulsystem hielt Kant mit den alten Gewohnheiten und der sklavischen Nachahmung für "insgesamt im Zuschnitt verdorben".

VIII.3 Kant und die Revolution

,,Eine Veränderung der (fehlerhaften) Staatsverfassung, die wohl bisweilen nötig sein mag - kann nur vom Souverän selbst durch Reform, aber nicht vom Volk, mithin durch Revolution, verrichtet werden, und, wenn sie geschieht, so kann jene nur die ausübende Gewalt, nicht die gesetzgebende, treffen." Kant IV 441

Kant wurde in seiner Philosophie beeinflusst durch den Vorabend der Französischen Revolution und ihr selbst, doch ebenso durch die innerpolitische Lage. Er selbst fühlte sich als Kosmopolit in seiner Philosophie und als Untertan Preußens in seiner Person. Seine Schriften erschienen größtenteils in deutscher (und nicht lateinischer oder französischer) Sprache, womit er der erste deutsche Philosoph war, der größere Schriften für "das Volk" schrieb und seine Texte ihnen somit leichter zugänglich werden ließ. Eingebunden in seine Zeit verfolgte Kant nicht die Polarisierung einer Denkweise. Erst später im großen geschichtlichen Kontext wurde über ihn gesagt (als Begründer des Deutschen Idealismus) die "deutsche Theorie der französischen Revolution" (Karl Marx) verfasst zu haben und durch "Kritik der reinen Vernunft" die "geistige Revolution in Deutschland eingeleitet zu haben, die mit den Vorgängen in Frankreich große Parallelen aufwies" (Heinrich Heine).
Die Ideale der Französischen Revolution wurden von vielen Dichtern und Denkern der Zeit unterstützt. So sprachen sich Multiplikatoren wie Goethe, Schiller, Klopstock oder Wieland für "Liberté, Ègalité, Fraternité" aus, um mit dem progressiven Bürgertum die absolutistische Feudalherrschaft zu brechen. Nicht verständlich war den meisten, weshalb es noch eine Klassendifferenzierung (Proletariat, Bourgeoisie) gab. Mit der aufkommenden Radikalisierung der Handlungen wandten sich jedoch die meisten Befürworter von der Bewegung ab.
Kant gehörte trotz Skepsis (gerade in Bezug auf Gewalt) zu einer kleinen Gruppe, die die enorme geschichtliche Bedeutung erkannten. Er verstand den Versuch der Schaffung einer bürgerlichen Gesellschaft und somit die Ankündigung eines neuen Zeitalters. Doch spätestens 1793 wurde Kants Euphorie durch eine große Enttäuschung am Glauben an eine "gerechte" Revolutionsbewegung gedämpft. Mit der Hinrichtung Ludwig XVI. und seiner Frau Marie Antoinette verstand er die republikanische Idee, die er unterstützte, mit der Gewaltenteilung Montesquieus hintergangen. Kant vertrat danach ausdrücklich den Weg von Reformen denn Revolutionen, da diese mit seinen Maximen eher zu vereinbaren waren. Dabei musste er jedoch vom mündigen Bürger ausgehen, den die Aufklärung hervorbringen sollte, der sich zunächst aus seinen geistigen Fesseln befreien musste.

VIII.4 Kant und die Religion

,,Religion ist das Gesetz in uns, in so ferne es durch einen Gesetzgeber und Richter über uns Nachdruck erhält; sie ist eine auf die Erkenntnis Gottes angewandtes Moral." Kant VI 755f.

Viele Philosophen der Zeit studierten zunächst Theologie oder kamen aus einem (streng) religiösen (familiären) Umfeld, wie es auch bei Kant der Fall war. Die Kirche als große Macht ließ keinen Freiraum, um an der indoktrinierten Philosophie, der Philosophie in dem engen Spektrum des Ganzen vorbeizusehen. Unbestritten hat die religiöse Vorbildung einen großen Anteil an der theoretischen Denkweise beigetragen. Jedoch ließ sich bei vielen Denkern der aufkommenden Aufklärung ein Abwenden von der Kirche erkennen, was nicht zwangsläufig mit dem Abkehren von einer Religion gleichzusetzen war. Es vertrat lediglich kein Philosoph das Gedankengerüst der Institution Kirche. Vielmehr kam es zu eigenen Auseinandersetzungen mit dem Thema Glauben und Religion, was zum Teil auf heftige Kritik von Seiten der Kirche und des Staates stieß.
Auch Kant wurde in einen Zensurstreit mit Preußen verwickelt, hervorgerufen durch das 1793 erschienene Werk: "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft". War Kants Religionsphilosophie im zweiten Buch der "Kritik der praktischen Vernunft" noch von Friedrich II. geduldet worden, wurde die neue Veröffentlichung von seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II., durch das Zensuredikt (religiöse Toleranz gleich staatsfeindliche Haltung) von 1788, verboten. Es wurde ein Diskutierverbot ausgesprochen, das selbst Kant, zur Verwunderung vieler, als Ausdruck seiner Untertanenpflicht unterzeichnete. Doch mit dem Tod von Friedrich Wilhelm II. und der Aufhebung der strengen Gesetze 1797 ging Kant noch einmal in "Streit der Fakultäten" 1798 auf die Religionsfrage ein.
Ein Schwerpunkt in Kants Auseinandersetzung mit Religion war der Beweis der Existenz/ Nichtexistenz von Gott. Dabei stützte Kant seine Arbeit auf drei Thesen.

1. Der ontologische [55] Gottesbeweis nach Anselm von Canterbury [56]:
Von Canterbury stellte folgende Prämissen: Gott kann lediglich als vollkommenes und notwendiges Wesen gedacht werden, d.h. zur Vollkommenheit und Notwendigkeit gehört auch Existenz, also Gott existiert.
Kant führte einen Fehler in den Realitätseben auf, da die Realität einer Aussage nicht die Realität der Dinge-an-sich sein müssen/ können. Kant bietet als Beispiel an, dass eine Triangel ein dreieckiges Musikinstrument sei, also drei Winkel besäße. Doch allein der Gedanke an eine Triangel mache diese noch nicht existent. Kant schränkte damit Anselm von Canterbury ein indem Gott nicht nur als daseinsnotwendiger Begriff gedacht werden könne, sondern auch schlicht als möglicher Begriff oder gar nur Gedanken, besser Idee.

2. Der kosmologische Gottesbeweis nach Thomas von Aquin [57]:
Von Aquin rollte die Existenz (nach der Idee von Aristoteles) Gottes von ,,hinten auf". Durch die Kausalkette das alles Zufällige/ Bedingte eine Ursache habe, die selbst durch eine Ursache bedingt werde müsse es am Anfang/ Ende eine unbedingte/ absolute Ursache geben, also da es einen Kosmos gibt existiert Gott. Kant sah darin einen Denkfehler, da die unbedingte Ursache nur jenseits der bedingen Ursachenkette vorstellbar sei [auch wenn es nur ein einziges Glied aus einer gegen unendlichen Kette wäre]. Da aber eine Kausalität nur empirisch vorstellbar sei, hielt Kant hierbei Gott für "den wahren Abgrund für die menschliche Vernunft." Kant II 641

3. Der teleologische/ physiktheologische [58]  Gottesbeweis:
Bei einer zweckmäßigen Ordnung in der Natur muss auf einen ersten/ obersten Verantwortlichen geschlossen werden, der einen letzten/ umfassenden Zweck verfolgt. Gott ist dann also ein Weltschöpfer, der ein Ziel hat.
Kant versuchte durch transzendentale Logik die Pyramide genauer zu beleuchten, indem er sagte, dass eine solche Annahme zwar zulässig sei, aber bei dem Versuch Gott als Glied in der Kette zu sehen Gott selbst einem noch höheren Zweck unterworfen sein müsse [et cetera]. Wäre Gott ein von der Kette getrenntes Wesen, also nur durch den Intellekt zu erkennen (intelligibel), dann fehle die Verbindung zwischen Erfahrung und Vernunft und da die Menschen Erkenntnis nur aus Erfahrungen aus der Sinneswelt schöpfen, wäre Gott nicht existent oder lediglich ein Weltbaumeister, ohne das die Welt Gott unterworfen wäre.
[59]
Theorieübergreifend hielt Kant rein moraltheologisch aus der Ethik heraus das Dasein Gottes und aller Attribute für weder beweisbar noch widerlegbar.
"Das höchste Wesen bleibt also für den bloß spekulativen Gebrauch der Vernunft ein bloßes, aber doch fehlerfreies Ideal, ein Begriff, welcher die ganze menschliche Erkenntnis schließt und krönet, dessen objektive Realität auf diesem Wege zwar nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt werden kann..." Kant II 669.
Kant hat es geschafft die Paralogismen (Fehlschlüsse) und Antinomien (Widersprüche) der Gottesbeweise, hervorgerufen durch die empirischen Konstruktionen, auf einem systematisch-methodischen Weg, durch die transzendentale Philosophie weiter zu entschleiern.
[60]

VIII.5 Kant und die Praxis

,,Frei ist der, der nur von sich selbst abhängt." Kant

Kant versuchte den Geist und Willen über den Körper und die Leidenschaft zu stellen. Als wichtig galten ihm unbedingte Wahrhaftigkeit (er erzählte keine Lügen und Unwahrheiten; Falschheit war das Böse), Aufrichtigkeit (wichtiger als das Richtige ist die Aufrichtigkeit; keine Meinung [da temporär] als Gewissheit ausgeben, eigene Schwächen [in Ideen] offen darlegen), Ehrlichkeit und Gerechtigkeit.
Er versuchte die Beherrschung der Leidenschaft zu praktizieren, wobei er Völlerei und Askese (Verschwendung und Kargheit) ablehnte, um einen gesunden Mittelweg in Dingen des Genusses zu gehen (Kant legte Wert auf maßvolles, gutes Essen und Trinken, rauchte nur eine Pfeife am Tag, war nie in einer ernsthaften Beziehung, hatte später zwar Hauspersonal, war aber schlicht und funktional eingerichtet).
Außerdem lebte er für die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit des inneren Menschen (Ichs), welches eine große Maxime der Aufklärung war wobei ihm Persönlichkeiten wie Jean-Jacques Rousseau oder David Hume [
61] die nötigen Denkanstöße lieferten, die Kant weiterentwickeln konnte.
Kant vertrat also auch praktisch den kategorischen Imperativ.

IX. ,,Es ist gut."

1796 stellte Immanuel Kant als 72jähriger Mann, nach seiner Emeritierung einige Zeit zuvor, seine Lehrtätigkeit endgültig ein. (1801 schied er schließlich aus dem akademischen Senat.) Neben Kants körperlichen Verfall, ihm machte insbesondere das Gehen Probleme, später erblindete er auf dem linken Auge, ließ auch seine geistige Kraft nach. Er konnte kaum noch klare Gedanken sammeln, geschweige denn sie niederschreiben. Seine Konzentration und Merkfähigkeit verkümmerten, so dass es Kant schwer fiel sich verständlich in sinnvollen Sätzen zu äußern, selbst gute Bekannte erkannte er nicht mehr. Kant fühlte sich in hellen Momenten ,,nutzlos", da er der Gesellschaft nicht mehr dienen konnte. Er zog sich zurück, verließ die letzten zwei Jahre seines Lebens nicht mehr sein Haus und empfing keine Gäste mehr. Kants jüngere Schwester (Frau Theuerin) pflegte und kümmerte sich um ihn, ebenso wie sein Freund und späterer Biograph E. A. Ch. Wasianski, bis zu seinem Tod. Letztlich durch eine langanhaltende Magenerkrankung, wobei eine Nahrungsaufnahme für Kant unmöglich wurde, starb er am 12. Februar 1804, mit den Worten: ,,Es ist gut", in seinem Königsberger Haus an ,,körperlicher Entkräftigung". Zwei Wochen später wurde er, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, Honoratioren und Professoren im Professoren-Gewölbe der Universitätskirche bestattet. Als Epigramm steht auf einer Steintafel, die die Bürger Königsbergs später an seinem Grab anbringen ließen, der Beschluss aus Kants ,,Kritik der praktischen Vernunft":

,,Zwei Dinge erfüllen
das Gemüt mit immer neuer
und zunehmender Bewunde-
rung und Ehrfurcht, je öfter
und anhaltender sich das Nach-
denken damit beschäftigt:
Der bestirnte Himmel über mir
und das moralische
Gesetz in mir."

X. Resümee

Immanuel Kant nahm die große Chance wahr, die philosophischen und naturwissenschaftlichen Strömungen seiner Zeit, geprägt vom Umbruch des Wiederentdeckens des Individuums, der eigenen objektiven Subjektivität - zu diskutieren, um aus eigenen Hypothesen eine eigene Synthese zu bilden. In bemerkenswerter Weise fand er bei der Gratwanderung neue Wege, besser neue Dimensionen, die nachhaltig bedeutend für die deutsche, aber auch internationale Philosophie blieben.
Kants Geist beherrschte seinen gebrechlichen Körper, gab ihm die Energie und Kraft seine Ideen, Maximen und Imperative trotz vieler Hindernisse als Multiplikator zu verbreiten. Nur durch seine Publikationen und eifrige Lehrtätigkeit wurde die Kantische Philosophie erst publik und verbreitete sich horizontal und vertikal in der Gesellschaft. Den Weg an die Öffentlichkeit beschritt Kant mit schlafwandlerischer Sicherheit voller Lob seiner Studenten und Kollegen. Fehlschläge und lange Durststrecken entmutigten ihn nicht. Seine Publikationen lassen den Kant erkennen, der seinen eigenen Maximen und dem kategorischen Imperativ treu blieb, indem er sich weiterentwickelte, Fehler und Veränderungen immer als den ,,denkenden Menschen" begleitend ansah. So war auch sein Privatleben geprägt durch seine Philosophie. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass Kant auch in anderen Fächern las, die heutige ,,Schul-Erdkunde" entwickelte und durchaus ein geselliger, umgänglicher Mensch sein konnte, der als Gastgeber hohes Ansehen genoss und ein gerngesehener Gast bei Festivitäten war. Bemerkenswert an der Person Kant bleibt der Spagat zwischen Kosmopolit und Untertan. Wurde in den Jahren bis heute viel dazu beigetragen, Kant als (mindestens) geistigen Revolutionär zu sehen, hätte dies Kant zu Lebzeiten vehement bestritten, da er nicht die Idee der Revolution verfolgte sondern die der geistigen Freiheit des Individuums. Das dies im geschichtlichen Kontext eng miteinander verbunden war/ ist, zeigt erst der rückwärtige Blick aus heutiger Sicht. Versucht man Kant in seiner Zeit zu betrachten, so war er ein medienwirksamer Entertainer und großartiger Denker, der die Strömungen der Zeit zu einem Fluss mit neuem Lauf vereinigte, in den noch heute die meisten Auen münden und der selbst nach den Jahrhunderten kaum in der Richtung verändert wurde, ein wenig mäandrierend vielleicht, sich nicht in ein von Religionen gefertigt Betonbett zwängen lassend - auf dem Weg zum Meer.

Anhang:
1. Glossar
Im folgenden Glossar wurden div. Standartlexika verwendet, sowie Schlüter, Immanuel Kant, 1999. Es wird nicht ausdrücklich auf die einzelnen Werke verwiesen, da es sich oftmals um Synthesen diverser Artikel handelt.
Die vorliegende Auswahl an Personen und Begriffen stellt einen direkten Bezug zur vorangegangenen Arbeit dar. Darüber hinaus waren für diese und andere Zeiten natürlich weitere Personen (der Philosophie) prägend, erneuernd und leitend. Die Auswahl der im Sachverzeichnis befindlichen Begriffe beschränkt sich auf Begriffe, deren Klärung zum ausdrücklichen Verständnis der Arbeit notwendig sind.

1.1 Personenverzeichnis

Aquin(o), Thomas von (1225/26 - 1274); Theologe und Philosoph (Kirchenlehrer)
Auf der Grundlage von Aristoteles entwickelte A. die Lehre der "Vermählung von Philosophie und Theologie" als wahre christliche Weisheit. Der Kern seines System beruhte auf dem Sein in der Stufenreihe der Körperwelt (Elemente, Pflanzen, Tiere, Mensch, menschliche Seele, Engel, Gott) in einer Ordnung (Familie, Volk, Staat, Kirche). Die höchste Norm für sittliches Verhalten ist das Heil der unsterblichen Seele. Im 14. Jh. zum doctor communis (gemeinsamer Lehrer), im 15.Jh. zum doctor angelicus (engelsgleicher Lehrer) und 1567 durch Heiligsprechung zum Kirchenlehrer erhoben. Schüler von Albertus Magnus; Hauptwerk: "Summa theologiae" (Hochscholastik)

Canterbury, Anselm von (1033 - 1109); Theologe, Erzbischof von Canterbury
Als "Vater der Scholastik" entwickelte er in seiner streng wissenschaftlichen Theologie den sogenannten ontologischen Gottesbeweis. Hauptwerk: "Proslogion"

D'Alembert, Jean le Rond (1717 - 1783); französischer philosophischer Mathematiker
Wegbereiter der Französischen Revolution durch wichtige Beiträge zur Zahlentheorie, Infinitesimalrechnung und theoretischen Physik im "Discours préliminaire" des Werkes "Encyclopédie Française", das 1751 bis 1780 unter der Mitarbeit von z.B. Diderot, Voltaire und Rousseau erschien und eine Synthese des gesamten Wissen der Zeit darstellt. Entscheidend war in dem Werk die Abhandlung zur Staatslehre und Ethik, die das erste Mal sehr deutlich von einem "modernen Staat" mit Demokratie, Verfassung und Menschenrechten sprach.

Descartes, René (1596 - 1650); französischer mathematischer Philosoph
Die beweisbare Wirklichkeit suchte D. im eigenen Denken, was er mit "Cogito, ergo sum" zum Ausdruck brachte. So war seine Religion die Mathematik, sein Weltbild die Mechanik. Als "Pate des Umdenkens" zeigte D. auf, das der Mensch nicht Subjekt der Schöpfung war sondern ein eigenes Objekt. Er stiftete zu einem neuen (Nach-)Denken an, das in die neue Zukunft wies.

Fichte, Johann Gottlieb (1762 - 1814); deutscher Philosoph
F. galt als Kämpfernatur mit Idealen in Patriotismus, Humanismus und Weltbürgertum. Nach seinem Ruf, der auf viel Widerspruch stieß, nach Berlin, sind die "Reden an die deutsche Nation" als entscheidend zu nennen. Mit dem Schlachtruf: "Die alte Zeit ist tot, lasst uns nicht zögern, sie zu bestatten!" forderte F. die Beseitigung der Standesschranken, damit die Untertanen zu Staatbürgern werden konnten.
Friedrich II. (der Große) [der "Alte Fritz"] (1712 - 1786); König von Preußen
"Ich bin der erste Diener das Staates!", als Sinnbild für den aufgeklärten Absolutismus regierte F. selbstlos für seine Person, aber nicht für seine Dynastie mit absoluter Gewalt. Dabei trat er für die Nation ein, vernachlässigte aber das Volk. Als "Schöngeist und Philosoph" trat er für div. Reformen ein, ließ Dichter und Denker an seinem Hofe "Sanssouci" um sich scheren. Sein Ausspruch, dass jeder "nach seiner Fasson selig werden möge" galt nicht für die Kriegspolitik. Drei Kriege (unter anderem den Siebenjährigen Krieg) führte F. mit Härte, die ihn über die preußischen Grenzen hinweg zum (Kriegs-)Heros werden lies.

Friedrich Wilhelm I. (1688 - 1740); König von Preußen
Sohn von Friedrich I (als Kurfürst Friedrich III.), regierte seit 1713; Finanzverwaltung sehr sparsam und geregelt; innere Reformen, dazu Ausbau des Beamtenstaates; Reform und Erweiterung des preußischen Heeres

Friedrich Wilhelm II. (1744 - 1797); König von Preußen
Neffe von Friedrich II., regierte ab 1786; u.a. Teilnahme am Koalitionskrieg gegen Frankreich [Baseler Friede 1795] Konflikte mit Österreich durch die Teilung Polens, Gewinn von Posen und Warschau; Reaktionäre Maßnahmen im Inneren.

Hegel, Georg Friedrich (1770 - 1831); deutscher Philosoph
Er hatte das Ziel. die Lebensauffassung des Deutschen Idealismus in einem umfassenden System niederzulegen und alle Gebiete des Wissens darin einzuordnen. Nach H. strebt die vernunftbestimmte absolute Idee einen Weltzustand an, wobei dieser nach dem Erreichen in einen Gegenzustand führt. Hat sich der erstere erholt, dann ergibt sich ein dritter Zustand, der das Wesentliche der beiden Vorangegangen besitzt. "Alles was ist, ist vernünftig", ist H. Versuch der fassbaren Deutung der Welt. Im Gegensatz zu diesem (negativen) Ansatzpunkt des Materialismus sprechen Feuerbach oder Marx von: "Alles, was nicht vernünftig ist, hat kein Recht zu bestehen."

Herder, Johann Gottfried (1744 - 1803); deutscher Geschichtsphilosoph
Sohn eines ostpreußischen Kantors, musste sich aus engen familiären Verhältnissen herauslösen; ab 1762 verfasste er als ,,Verehrer" Kants die Inhalte der Vorlesungen zuhause in Verse, löste sich später von Kants Thesen und schlug einen anderen Kurs ein, der unter anderem durch die Ideen von J. G. Hamann geprägt wurde; Vorkämpfer des Sturm und Drang, Anreger der Romantik [,,Stimmen der Völker in Liedern"]; die Eigendynamik des Nationalbewusstseins in europ. Staaten entfernte sich jedoch von der Idee der Humanität.

Herschel, Friedrich Wilhelm (1738 - 1822); Astronom
War zunächst Militärorganist in England bis er über die Musik, Mathematik und Optik zur Astronomie fand; er baute ein verbessertes Fernrohr (schliff Linsen selbst); 1774 erstes Spiegelteleskop; entdeckte 1781 die Uranus; durch staatliche Unterstützung größere Projekte möglich, viele neue Entdeckungen; sehr wichtig für die Astronomie

Hobbes, Thomas (1588 - 1679); (gebbürtiger) englischer Philosoph
verband den antiken Materialismus mit dem Nominalismus von Oxford; H. gilt als der erste materialistische Systematiker; Hauptwerk: "Leviathan"

Hume, David (1711 - 1776); schottischer Philosoph
Als Nationalökonom und Historiker erwähnenswert, als Aufklärer und Empirist berühmt geblieben; Anhänger humanitärer Aufklärung und Gegner des Staatsabsolutismus mit einer nur formalen Gottesverehrung stellte H. sein Gedankengebäude auf den "allein tragfähigen Grund" - der Erfahrung; so lehnte er die Metaphysik ab; Christentum war für H. eine pädagogische Macht, die das Volk zusammenhielt; Seine "Essays" gehörten zu den meistgelesensten Schriften der Zeit; Hauptwerk: "Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand"

Knutzen, Martin (1713 - 1751); dt. Professor für Logik und Metaphysik in Königsberg
Bereits mit 21 Jahren Extraordinarius für Logik und Metaphysik; Schüler des Aufklärers C. Wolff; versuchte pietistische und naturwissenschaftliche Ideen mit der strengen Schulphilosophie Wolffs zu verbinden

Lafayette (1757 - 1834); franz. Freiheitskämpfer
Bereits als Offizier ist der Hass gegen Unrecht und Unterdrückung überliefert; L. nahm als Söldner aktiv in den heutigen USA am Freiheitskampf gegen England teil, kehrte nach Frankreich zurück und übernahm die Führung der Nationalgarde 1789; durch den Versuch als "rechtschaffender Charakter" zwischen den Parteien zu vermitteln machte er sich Feinde auf beiden Seiten und musste fliehen; es folgten Gefangenschaft in Preußen und Österreich, Napoleon befreite ihn, L. misstraute ihm jedoch

Laplace, Pierre Simon Marquis de (1749 - 1827); franz. Mathematiker und Astronom
Entwickelte die Wahrscheinlichkeitsrechnung und eine Theorie der Kapillarität; er baute die Idee Newtons über die Himmelsmechanik weiter aus; stellte eine Hypothese der Entstehung des Planetensystems vor (Kant-Laplacesche Theorie); wichtiges Werk dazu: ,,Traité de la m´canique céleste"

Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646 - 1716); deutscher Philosoph
Gilt als einer der letzten Universalgelehrten, was auch seine Aufgabe widerspiegelt, da nach L. in jeder Religion oder Weltanschauung etwas Wahres zu finden sei und diese Wahrheit in eine große Harmonie einzuordnen sei; so gehörte u.a. auch die Wiedervereinigung der Konfessionen zu einem Ziel; mit der Theologie verband L. die mathematisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse (u.a. die Theodizee); mit Newton Entdecker der Infinitesimalrechnung; nahm als Weltgrundbestandteil unendlich viele individuelle Kraftzellen an (Monaden), die durch "prästabilisierte Harmonie" von Gott verbunden wurden; durch Universalmathematik glaubte er die göttliche Logik des allgemeinen und speziellen errechnet zu haben; in seinem Hauptwerk "Theodizee" stellte L. die bestehende Welt als die bestmögliche Welt vor

Lessing, Gotthold Ephraim (1729 - 1781); deutscher Dichter und Kritiker
Bedeutender Vertreter der Aufklärung; Hauptanliegen: Toleranz und Humanität, was insbesondere im Werk "Nathan der Weise" deutlich wird; hat auch diverse theoretische Schriften verfasst

Locke, John (1632 - 1704); englischer Philosoph
Hauptvertreter des englischen psychologischen Empirismus (und damit Vorläufer Kants) und Begründer der neueren Erziehungsformen (und damit Vater der rousseauschen Ideen), nach L. Thesen lassen Erkenntnisquellen nur Erfahrung (sensation) und die teilhabende geknüpfte Dedukation (reflection) zu; mit Ideen zum Liberalismus nahm L. indirekt Einfluss auf die Formulierung der amerikanischen Verfassung und war (somit) Verfechter der Glorious Revolution.

Montesquieu, Charles de Secondant, Baron de La Brède et de (1689 - 1755); frz. Staatsphil.
Gegner des Absolutismus mit Kritik insbesondere gegen Finanzwirtschaft und Politik; bejahte die Verschiedenheit der Staatsformen, da sie auf ein wechselndes Naturverhältnis der gesetzlichen Institutionen zu den lokalen und sozialen Bindungen zurückführt; seine weiterentwickelte Lehre der Gewaltenteilung wurde ab 1791 in den Verfassungen der USA und Frankreichs aufgenommen; Hauptwerk: "Geist der Gesetze"

Newton, Sir Isaac (1643 - 1727); englischer Physiker, Mathematiker und Astronom
Begründer der klassischen theoretischen Physik und der Himmelsmechanik (Apfelgleichnis) [ins. Gravitationsgesetz, Spektrum des Lichts, Erfassung mathematischer Grundbegriffe, Erklärung der Gezeiten, Grundlagen zur Akustik und Aerodynamik]; unabhängig von Leibniz Entwicklung der Infinitesimalrechnung [ins. Fluxionsrechnung]

Rousseau, Jean-Jacques (1712 - 1778); französischer Schriftsteller und Kulturphilosoph
(gebbürtiger Schweizer); Mit dem Glauben alles Übel der Welt sei die Folge der Zivilisation (durch eine verdorbene Gesellschaft) überwand R. die Aufklärung und schlug einen naturhaften Urzustand der Menschheit vor; R. forderte eine radikale Neuordnung der Gesellschaft, wobei er die freiwillige Unterwerfung des Einzelnen zum Wohle des Kollektivs forderte, welche die freiwillige Selbstbeschränkung des Menschen als dessen eigentliche Freiheit anbot; nicht nur prägend für den Revolutionsgedanken gilt R. als Begründer der modernen Pädagogik; pädagogisches Hauptwerk: "Emil oder Über die Erziehung"

Schultz, Franz Albert (1692 - 1763); dt. Prof. f. Theologie/ Dir. d. Collegium Fridericianums
Aufgewachsen in Halle; Konsistorialrat in Königsberg, dann Professor für Theologie an der Albertina, später Direktor des Collegium Fridericianums [pietistischen Friedrichsgymnasiums]; er war Schüler von C. Wolff

Schultz, Johannes (1739 - 1805); dt. Philosoph
Befreundet mit I. Kant; veröffentlichte zu Kants Werk ,,Kritik der reinen Vernunft" die Erläuterungen

Wolff, Christian Freiherr von (1679 - 1754); dt. Philosoph
Gilt als ,,Wortführer der deutschen Aufklärung"; nach abgebrochenem Theologiestudium wird er Schüler von Leibniz; wurde mit seinem neuen Weltbild scharf von der theologischen Seite angegriffen; seine Professur in Halle wurde durch Verbannung jäh unterbrochen, über Marburg wurde er wieder in alle Ehren zurückgerufen; seiner rationalistischen Philosophie mangelte es an Originalität, war aber von stärkstem Einfluss auf die kommende philosophische Phase; entwickelte in seiner Staatslehre den Typus des aufgeklärten Despotismus; leitete die Lösung der Philosophie und der Sittenlehre von der Theologie ein

1.2 Sachverzeichnis

Apperzeption - Wahrnehmung seiner selbst als eines denkenden Subjekts. Transzendentale oder reine A. ist das ursprüngliche, stets identische Selbstbewusstsein. Es ist das Bewusstsein des "Ich denke", das das Vorstellen und Begreifen begleitend bedingt. Es ist die Beziehung der Vorstellungsinhalte auf das rein formale, also nicht inhaltlich bestimmte, sich stets gleich bleibende Bewusstsein.

a priori - ([lat.] vom früheren her) Allgemeinheit und Notwendigkeit ihrer Geltung/ Existenz kennzeichnen den Begriff als einer Erfahrung vorausliegend; unabhängig von Erfahrungen, aus bloßen Vernunftgründen; im voraus/ vorhinein

a posteriori - ([lat.] vom späteren her) Aus der Erfahrung geschöpft, da durch die Sinne erkannt/ vermittelt; im nachhinein

Briefwechsel - Grundsätzlich wird ein Briefwechsel zwischen Friedrich den Großen (sowie Kriegs- und Etatminister Fürst von Kupferberg) und Kant angenommen, bei dem Kant feststellt, dass er sein ,,Vaterland" für keine Professur verlassen würde [inwieweit seine Gesundheit eine Rolle spielte bleibt ohnehin im Verbogenen] und um Unterstützung seiner Bewerbung zur Professur für Philosophie bat. F. Gause und J. Lebuhn (Kant und Königsberg bis heute, o. O. 1989, 116) dagegen gehen davon aus, dass es keinen Briefwechsel gab.

Cant - Erst nach dem Tod des Vaters, der den Namen Cant führte, schrieb ihn Immanuel mit ,,K". [Königsberg als bekannter hanseatischer Handelsort war Anziehungspunkt vieler verschiedener Völker. Die Vorfahren väterlicherseits stammten nach Immanuel Kants Ansicht aus Schottland. Tatsächlich lässt sich jedoch der väterliche Familienstammbaum nach Memel, Tilsit und in das kurländische Gebiet mehrere Generationen zurückverfolgen; die mütterliche Linie weist in den süddeutschen Raum.]

Collegium Fridericianums (oder auch: Friedrichsgymnasium/ Friedrichskolleg) - Der Unterricht begann täglich mit einer halbstündigen Morgenandacht und einer weiteren Stunde Katechismusunterricht. Neben zusätzlichen religiösen Pflichtveranstaltungen lag ein Schwerpunkt im Lateinunterricht (bis zu 20 Stunden die Woche) [Kant hatte neben vielen lateinischen Pflichtarbeiten, es war üblich Magisterarbeiten und Fachliteratur in Latein zu verfassen, bis in die späten Jahre in Vorlesungen und bei Gesprächen lange Passagen römischer Klassiker rezitiert.] Weiterhin standen Fächer wie Kalligraphie, Mathematik, Hebräisch, Französisch, Polisch, Musik sowie Geographie (das zur damaligen Zeit philosophische Ansätze enthielt) auf dem Stundenplan. Es gab keine Ferien, die Schule war streng gemaßregelt und pietistisch geleitet. [siehe auch Schultz]

Ding-an-sich - das Ding in Wirklichkeit, unbeeinflusst und unabhängig von jeglicher Erfahrung; die absolute Realität; der Mensch erkennt das Ding nur in den Dimensionen Raum und Zeit, sowie in den Kategorien des Verstandes (oder: in den individuellen Erfahrungen).

Empirismus/ Empirie - Die Sinneserfahrung ist der Start-/ Endpunkt aller Erkenntnis. So kann eine echte, ,,wahre" Aussage über Dinge nur endgültig sein, wenn die Erfahrung dazu abgeschlossen ist.

Fächer - Kant unterrichtete u.a. Anthropologie, Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Theologie, Naturlehre, Naturrecht, Mathematik, Pädagogik
Die physische Geographie (Physiogeographie) war/ ist ein Hauptzweig der allg. Geographie und wurde aufgeteilt in Geomorphologie, Klimatologie, Hydrographie und Biographie.
Kant gilt als Begründer der wissenschaftlichen Erdkunde, da er, obwohl er nie selber reiste, die ,,Reiseberichte" verlies und versuchte sich theoretisch dem Thema Erdgeschichte/ Erdkunde zu nähern.

Familie - Zu seinem Bruder Johann Heinrich und seinen drei Schwestern hatte er kaum Kontakt. Lediglich eine Schwester (Frau Theuerin) pflegte ihn während seines körperlichen und geistigen Verfalls bis zu seinem Tod.

Französische Revolution - Drei Teilrevolutionen waren der Auslöser der eigentlichen F.R. 1. Das einfache Volk forderte mehr Stimmrecht in den Generalständen, welche wiederum mehr Mitspracherecht forderten. 2. Das einfache Volk hatte Existenznöte (Hunger, keine Bildung, Frauen- und Kinderarbeit, steigende Preise, Frondienste...)3. Pariser Revolutionäre stürmen die Bastille.
Forderungen: alle Stände sollten nach ihren Möglichkeiten Steuern zahlen, Beseitigung der Zehntzahlung, gleiches Gesetze und Rechte für alle, Recht auf Eigentum, Abschaffung der Frondienste, Wehrdienst nur in Notfällen, ohne Freikauf

Hauslehrer - Aus Mangel an Schulen und Infrastruktur war es gängig Hauslehrer/ Hofmeister für die Kinder einzustellen. Den ,,Service" konnten sich nur wohlhabende Familien (Adlige, Gutsbesitzer und ähnliche) leisten. Dabei kam es häufig zu einer Eingliederung in die Familie, auf der Ebene eines Hausknecht oder einer Hausmagd mit erheblichen Sonderrechten.

Hedonismus - (hedone [gr.] - Lust) Das höchste Gut des Lebens ist die spontane Lust und Befriedigung, der man zum inneren Frieden nachgeben sollte.

Hörerzahlen - Folgende Hörerzahlen als ordentlicher Professor sind überliefert: 1775 hörten 45 Studenten die Lesung über Logik, 1780 bereits 100 (von 200 Studenten an der Uni); 1776 hörten 30 Studenten die Lesung über Metaphysik, 1781 bereits 70.

Idealismus - Grundlegend für den theoretischen I. ist die Philosophie Platons durch die Lehre von den Ideen, den ewig seienden , wahren Urbildern, mit denen die sinnlichen wahrnehmbaren Dinge/ Schattenbilder (Höhlengleichnis) durch "Teilhabe" verbunden sind. Allgemein ausgedrückt bedeutet zunächst jede philosophische Form des I. eine Annahme, das die uns umgebende Wirklichkeit eine bloße Erscheinung ist hinter denen die wahre Welt mit ihren begründeten Ideen verborgen bleibt/ liegt. Als extreme Form sei der subjektive I. (Fichte) genannt, der das Bewusstsein als die objektiv wahre Welt hält und somit die Außenwelt für ein Produkt des erkennenden Ichs hält. Kants kritischer I. erkennt zwar eine unabhängige Außenwelt, diese ist jedoch nur durch die vorgegebenen Formen unseres Erkenntnisvermögens zugänglich, das Ding-an-sich bleibt unerkennbar. Aufbauend, verändernd und entwickelnd entsteht der deutsche I., wobei z.B. Hegels absoluter I. zu erwähnen ist, in dem sich "Wirklichkeit" und "Begriff" in ihrer Idee als Einheit dialektisch aufheben.

Infinitesimalrechnung - zusammenfassender Begriff für Differenzialrechnung und Integralrechung als Teilgebiete der Analysis

Kategorie - Die Kategorien sind reine Verstandsbegriffe (z.B. Möglichkeit, Dasein, Notwendigkeit, Substanz, Ursache, Kausalität, Einheit, Vielfalt). Sie sind nicht angeboren, sondern "aus den dem Geiste eingepflanzten Gesetzen abstrahiert". Sie konstituieren gemeinsam mit den Anschauungsformen Raum und Zeit die Erfahrung, indem sie das Anschauungsmaterial "bestimmen".

Kriegsführung (im 18. Jh.) - Leistungsprinzip/ Hierarchien wurden als Anreiz und Machtkontrolle ausgebaut; der Weg führte weg vom Söldnerheer (das für den meistbietenden kämpfte) hin zur allgemeinen Wehrpflicht (levé en masse); die Möglichkeit sich durch andere (Söldner) ersetzen zu lassen wurde ebenfalls ausgeschlossen; Frontsoldaten wurden zuerst die ungebundenen jungen Männer; es wurden Taktiken vor den Schlachten geplant, das Terrain ausgenutzt, die Soldaten trugen Tarnkleidung (also kein offener direkter Schlagabtausch); Kriege dauerten länger; [Bauern zahlten ihre Steuern häufig in Naturalien an das Militär]

Krieg - Koalitionskriege - Diese Kriege mehrerer Verbündete gegen einen gemeinsamen Gegner wurden geführt, um von der innerpolitischen Lage abzulenken und Gelder zu erwirtschaften. Dabei lag der Hauptschwerpunkt im Angriff auf das revolutionäre und napoleonische Frankreich durch Koalitionen europäischer Mächte. 1. Krieg: Frankreich (F) gegen Österreich (A) und Preußen (Pr); Napoleon gewinnt, Tochterstaaten/ gegen England (Eng) in Ägypten; Lord Nelson siegt über die F-Flotte[1792 - 1797] - 2. Krieg: F gegen A, Eng, Russland (Rus); Napoleon siegt, linksrheinische Fürsten werden entschädigt durch Säkularisierung (geistlicher Besitz wird enteignet), es kommt vornehmlich zur Mediatisierung [1799 - 1802]; 3. Krieg: F gegen A, Eng, Rus; Napoleon (N.) verliert Seeschlacht bei Trafalgar, gewinnt aber bei Austerlitz; deutsche Fürsten schließen sich zum Rheinbund zusammen, Ende des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation"; Ausrufung der Kontinentalsperre gegen die britische Insel durch N. [1805] - 4. Krieg: F gegen Pr, Rus; F. zerschlägt Pr, Pr muss Reparationen zahlen wird besetzt und muss Truppen für F. Kriege stellen [1806 - 1807] - 5. Krieg: F gegen A; A verliert weitere Gebiete, Tirol löst sich von A

Krieg, Siebenjähriger [oder: 3. Schlesischer Krieg] (1756 - 1763) - Um das von Friedrich dem Großen eroberte Schlesien zurückzugewinnen, verbündete sich Österreich mit Russland, Frankreich und Sachsen-Polen (später gar mit Spanien und Schweden). Preußen mit seinem einzigen Verbündeten Großbritannien-Hannover führte einen schnellen Präventivkrieg durch, um Schlesien ,,endgültig zu befreien", das ,,Österreich geraubt hatte". Viele Schlachten bedrängten Preußen immer mehr. Königsberg fiel an den russischen Zaren in St. Petersburg, Russland zog sich jedoch 1762 aus dem Krieg (durch Peter III.) zurück. Der Krieg führte durch indirekte und direkte Kriegshandlungen zu ernsten wirtschaftlichen Problemen.
Im Frieden von Fontainebleau musste Frankreich sein nordamerikanisches Kolonialreich an Großbritannien abtreten, das dadurch seine Kolonialmacht ausbauen konnte.

Logik - Lehre des folgerichtigen Denkens; Grundlage jeden richtigen Denkens und Schließens, wobei wahre Voraussetzungen wahre Schlüsse bedingen - Idee der grundsätzlichen formalen L.; die mathematische L. ist eine Disziplin, die logisches Schließen mit mathematischen Methoden untersucht, wobei die Präzisierung der Sprache entscheidend ist; arbeitet die Junktorenlogik mit einfachen Begriffen wie: nicht, und, oder, wenn ... dann, so lässt die Prädikatenlogik weitere Quantoren zu wie: für alle, es gibt, mit denen Objekten Eigenschaften zu- oder abgesprochen werden können.
[Titel von Kants Professur: Professor logices et metaphysices ordinarius]

Metaphysik - Betrachtung der Dinge hinter der Natur; Im vorkantischen Sinne meint M. die systematische Erkenntnis des Übersinnlichen, der Dinge-an-sich. Der Name M. rührt angeblich von der Anordnung der Werke Aristoteles in der Bibliothek von Alexandria. "Nach" (meta) den Büchern "über die Natur" (ta physika) wurden die Werke eingeordnet, die über die Natur hinausgingen und sich mit den ersten Prinzipien des Seienden befassten, weshalb sie meta ta physika genannt wurden. Eine transzendente, d.h. alle Erfahrungen übersteigende M. ist aber nach Kant eine Illusion unserer Vernunft. Er versteht M. als Transzendentalphilosophie, d.h. als Wissenschaft von den in der Erfahrung selbst erkennbaren Voraussetzungen und Bedingungen, die der Erfahrung vorausliegen, also apriorisch sind.

Merkantilismus - wirtschaftspolitisches System des Absolutismus zur Erhöhung der staatlichen Geldeinkünfte. Es förderte inländische "industrielle" Erzeugung und Ausfuhr, um eine aktive Handelsbilanz und den Zustrom von Geld aus dem Ausland zu erreichen. Zur Erreichung wurden überdies sehr hohe Einfuhrzölle auf fertige ausländische Produkte gelegt, keine Zölle auf ausländische Rohmaterialien (die dann verarbeitet und exportiert wurden) genommen.

Monade - das Einfache, das Unteilbare, das nicht zusammengesetzte, sind bei Leibniz die letzten in sich geschlossenen, vollendeten, einheitlichen Kraftzellen, aus denen die Weltsubstanz durch "prästabilisierte Harmonie" zusammengesetzt ist. Dabei stellt Gott den "Zusammenfüger" dar.

Ontologie - Lehre vom Wesen und von den Eigenschaften des Seienden, von den Seinsweisen und Seinsschichten, die zu zeigen hat, was allem Seienden als solchem gemeinsam ist; im Kritizismus Kants als Erkenntnismöglichkeit abgelehnt, erneuert durch z.B. Heidegger.

Philosophie, Deutsche - Als Ausdruck für die Philosophie des deutschen Sprach- und Kulturraums.
Mittelalter: Mystik und Scholastik - Meister Eckart, Albertus Magnus, T. v. Aquin
bis 17. Jh.: Rechts- und Naturphilosophie - Paracelsus
17.Jh.: 1. Universalgelehrter der Neuzeit - G. W. Leibniz
18. Jh.: Idealismus - I. Kant
danach: Deutscher Idealismus - J.G. Fichte, G. W. F. Hegel (Hegelianismus, Marxismus)

Deutsche Philosophie erreicht Weltgeltung

19. Jh.: Erfahrungswissen (Positivismus, Naturwissenschaften) und Lebensphilosophie
zum 20. Jh.: Neukantianismus und Phänomenologie
20. Jh.: Existenzphilosophie - M. Heidegger, K. Jaspers
nach dem 2. Weltkrieg: Anthropologie, Soziologie [kritische Theorie, Frankfurter Schule], Ethik, Sprachphilosophie [methodologische Orientierung des kritischen Rationalismus mit Anregungen aus dem angelsächsischen Raum - K. R. Popper]

Philosophie, Kantische - Als Ausdruck für Kants Gedankengerüst, insbesondere den Kritizismus, der sich in seinen drei Hauptwerken "Kritik der reinen Vernunft", "Kritik der praktischen Vernunft" und "Kritik der Urteilskraft" widerspiegelt.

Pietismus (pietas [lat.] - Frömmigkeit) ist eine religiöse Bewegung, die zum Ende des 17. Jh. aus dem Protestantismus hervorging und eine geistige Erneuerung der Kirche forderte. Als Gründer gilt P. J. Spencer (1635 - 1705). Er orientierte sich an einer gefühlsbetonten, strengen Auslegung der Bibel mit den Schlagworten: Herzensfrömmigkeit, Rücksichtnahme, Tugendstreben, Nächstenliebe, religiöse Persönlichkeit und Andacht.

Raum - Der Raum ist keine Eigenschaft der Dinge ist die subjektive Bedingung jeder äußeren Anschauung; der Mensch kann keine Aussagen über das Ding-an-sich tätigen, da alles was er von ihm erfährt "zufällig beigefügte Wirkungen und bloße Empfindungen" sind; nur durch den Raum als Anschauungsform können Dinge für uns zu äußeren Gegenständen werden; Raum hat eine empirische Realität und eine transzendentale Idealität (liegt den Dingen-an-sich nicht zugrunde)

Rationalismus - Die Vernunft steht über Sinneseindrücken, da diese nicht beweiskräftig sind. Nur die Vernunft selbst kann eine echte, "wahre" Aussage über die Wirklichkeit tätigen, eine logische Beweisführung unterstützend.

Reputation - Durchaus üblich war es durchzupromovieren (und zum Teil, wie bei Kant auch durchzuhabilitieren), das heißt, statt einer Examensarbeit wurde zu einem späteren Zeitpunkt zum Magister promoviert (gleichbedeutend: Doktor der Philosophie). Die Lehrberechtigung als Privatdozent konnte nur über eine weitere Arbeit, die Habilitation, erreicht werden. Ein Privatdozent (magister legens) erhielt jedoch noch kein staatliches Gehalt. Vorlesungsgebühren, die die Studenten direkt an den Dozenten zu entrichten hatten, waren die Regel. Um sich auf eine ordentliche Professur bewerben zu können (wurde man nicht gerufen), mussten drei Schriften (inkl. der Habilitation) veröffentlicht und öffentlich diskutiert werden. Zum Antritt einer ordentlichen Professur gehörte dann eine weitere Dissertation.

Revolutionsverfassungen - Durch die Unfehlbarkeit des von Gott eingesetzten Königs wurde zuvor keine Verfassung benötigt. Durch die Französische Revolution entwickelte sich eine konstitutionelle Monarchie mit Gewaltenteilung. In den 3 Verfassungen (03.09.1791/ 1793 [nicht in Kraft getreten]/ 1795-1799) wurde festgelegt, welches Organ welche Gewalt innehatte und wie dieses Organ gewählt wurde und welche klar definierten Rechte und Pflichten es hatte. Dabei wählten die Aktivbürger (Männer über 21 Jahre, die Steuern zahlten) die Wahlmänner (Männer über 25 Jahre mit höherer Steuerabgabe). Diese wählten Mitglieder in die Nationalversammlung (später Rat der 500), die als Legislative Gesetze berieten und verabschiedeten. In der Exekutive saßen die Wahlmänner, die wiederum (ab 3. Verfassung) das Direktorium, die Verwaltung und Departmentbeamte wählten (zum Teil auch durch Aktivbürger). Der König besaß Vetorecht und ernannte zunächst (1. Verfassung) noch seine Minister. Die Judikative war durch Richter und Geschworene fundamentiert, es folgte der Kasationshof. Beides wurde durch Wahlmänner gewählt. Aus dem Kasationshof wurden 5 Mitglieder in den Hohen Justizhof gewählt.

Scholastik - [gr./ lat. Schulwissenschaft] - Wichtige geistige Bewegung des Mittelalters, wobei Grundgedanken der griechischen Antike [ins. Aristoteles] zur systematischen Darstellung christlicher Glaubenswahrheiten benutzt wurden. In der scholastischen Methode wurde eine These im syllogistischen Schlussverfahren "bewiesen". Scholastische Gesamtbilder wurden als "Summa" bezeichnet und decken alle philosophischen Disziplinen der Zeit mit ab. Frühscholastik (800-1200) mit Eriugena, Anselm von Canterbury; Hochscholastik (1200-1300) mit Albertus Magnus, Thomas von Aquin; Spätscholastik (Neuscholastik) (1300-1500) mit Wilhelm von Ockham

Spaziergänge - Es heißt, dass Kants Spaziergänge so regelmäßig waren, dass die Königsbürger Bürger ihre Uhren danach stellen konnten. Diese Aussage lässt vermuten, dass auch der weitere Tagesablauf tatsächlich präzise eingehalten wurde.

Stände - (vor der Revolution) Klerus (Geistliche) 0,5 % [aufgeteilt in niederer Klerus {3.Stand nah} und höherer Klerus {adelsnah}]; Adel 1,5 % [aufgeteilt in Hochadel, Amtsadel und niederer Adel {häufig ärmer als 3. Stand}]; 3. Stand 98 % [aufgeteilt in Bauern und Bürger] - in dieser Aufteilung besaßen jedoch Klerus und Adel 75% des Landes und zahlten lediglich 5% der Steuern.

Syllogismus - [gr./ lat.] Aus drei Urteilen bestehender Schluss zur Abtrennung des Besonderen von dem Allgemeinen. Die erste Prämisse wird Obersatz, die zweite Prämisse wird Untersatz, das aus beiden Urteilen folgende dritte Urteil wird Schlusssatz (Conclusio) genannt. [ähnlich These-Antithese=Synthese]

Teleologie - (telos [gr.] - Ziel/ Zweck) behauptet, dass die vom Vitalismus unterstellte Ursache zielgerichtet sei, dass es mithin so etwas wie Absicht oder Planung in der Natur gebe.

Theodizee - [gr.] Durch Leibniz Schrift "Essais de Théodicée" (1710) eingeführter Begriff für die Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm zugelassenen Bösen in der Welt.

transzendent - übersteigend, hinausgehend über die Erfahrung und deren Möglichkeit. Transzendente Begriffe definieren etwas Undefinierbares, weil sie das absolut Unerfahrbare behandeln wie etwas Erfahrbares. Eine transzendente Erkenntnis ist nicht möglich, da nur das erkennbar ist, was der Konstitution des erkennenden Bewusstseins entspricht.
transzendental - die Voraussetzungen betreffend, die der Erfahrung logisch (nicht zeitlich und nicht psychisch) vorausliegen. Transzendentale Erkenntnis betrifft also die Bedingungen der Möglichkeiten von Erfahrung.
transzendentale Philosophie - Begrifflichkeit, die die Metaphysik Kants genauer definiert (nach Kant selbst); die Philosophie, die hinter die Natur sieht, das nicht Erfahrbare in erfahrbaren Worten versucht zu erklären.

Urteilskraft - Mittlerinstanz zwischen Verstand und Vernunft. Sie ist das Vermögen, das Einzelne unter das Allgemeine einzuordnen, "unter Regeln zu sublimieren, d. i. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen Regel stehe oder nicht". Das apriorische Prinzip der Urteilskraft ist die Zweckmäßigkeit; Es ist der Leitfaden zur Beurteilung von Erfahrungen in bezug auf irgendeine bestimmte Hinsicht. Darüber hinaus dient es dazu, den Zusammenhang einzelner Erfahrungen und allgemeiner Regeln oder Gesetze zu verstehen.

Utilitarismus - (utilis [lat.] - nützlich) ethische Lehre (insb. von England ausgehend), die das Sittliche als das Nützliche annimmt. Sittlich einwandfrei scheint das zu sein, was das menschliche Wohlbefinden fördert. Das bedeutet, die Steigerung des Glücks ist eine gute Handlung, nicht durch ihre Sittlichkeit, sondern durch ihre Verwirklichung. Im Gegensatz zum Hedonismus beschränkt sich der U. nicht auf den Moment, sondern auf das Glück der gesamten Lebenszeit; nicht nur auf das eigene (individuelle), sondern vielmehr (auch) auf das der Gemeinschaft. Also: größtmögliches Glück für größtmögliche Anzahl ist das Ziel. Vertreter: Jeremy Bentham (1748 - 1832); John Stuart Mill (1806 - 1873)

Vernunft - Im weitesten Sinne ist sie "das ganze obere Erkenntnisvermögen" und umfasst den Verstand und die Vernunft im engeren Sinne. Im weiteren Sinne ist die Vernunft das Vermögen apriorischer Erkenntnis, wobei sie den Zusammenhang und die abschließende Einheit des Wissens und des Handelns herzustellen sucht. Die Vernunft im engeren Sinne bringt das vom Verstand bereits Bearbeitete "unter die höchste Einheit des Denkens". Sie gibt der Vielfalt der Verstandeserkenntnisse eine Einheit a priori durch Rückbezug auf gemeinsame Prinzipien. Kant nennt die Vernunft im engeren Sinne deshalb auch "Vermögen der Einheit der Verstandsregeln unter Prinzipien". Wie sich der Verstand zu den in den Sinnen gegebenen Daten verhält, so verhält sich die Vernunft zu den vom Verstand erarbeiteten Erkenntnissen.

Verstand - Der Verstand hat die Fähigkeit zur "Spontaneität", zur geistigen Selbsttätigkeit, die aber den Anstoß durch Empfindung und Anschauung braucht. Verstand ist das Vermögen der Erkenntnis durch Vergleichen, Analysieren, Abstrahieren und Schlussfolgern. Es sucht alles in den Sinnen Gegebene einheitlich zu verknüpfen, d. h. unter Gesetze zu bringen. Kant nennt deshalb den Verstand auch das "Vermögen der Regeln".

Vorlesungsstil - Jemand schreibt, Kant habe den ,,freien Diskurs mit Witz und Laune gewürzt. Oft Zitate und Hinweisungen zu Schriften, die er eben gelesen hatte, bisweilen Anekdoten, die aber immer zur Sache gehörten."

Zeit - Zeit existiert nicht an sich, noch ist es eine objektive Bestimmung von Dingen; Zeit ist die Form des inneren Sinnes (keine Gestalt, noch Lage) und bestimmt das Verhältnis der Vorstellungen in unserem inneren Zustand; Zeit ist reine Anschauung, da sich Verhältnisse der Zeit an einer äußeren Anschauung ausdrücken lassen; alle Erscheinungen der Sinne sind in der Zeit; ohne Erscheinung ist die Zeit Nichts; Zeit hat eine empirische Realität und transzendentale Idealität (bei Abstrahierung von der sinnlichen Anschauung nicht vorhanden)

2. Bibliographie

Diese Bibliographie stellt kein opus omnia dar, sondern lediglich eine subjektive (große) Auswahl Kants Werke. Ihr sind die Band- und Seitenzahlen der Werkausgabe ,,Werke in sechs Bänden" (Hrsg. W. Weischedel), Darmstadt 1983. als Konkordanz zum besseren Zitat-Verständnis beigefügt; Dabei bezieht sich die Römische Ziffer auf die Bandnummer, die arabische Zahlen auf die Seitenzahlen in diesem Band.

     
Ersch jahr Titel Konk.
Vorkritische Phase
1746 Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte und Beurteilung der Beweise derer sich Herr von Leibniz und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedient haben, nebst einigen vorhergehenden Betrachtungen welche die Kraft der Körper überhaupt betreffen I 13-224
1755 Meditationum quarundam de igne succincta delineatio  
1755 Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt I 225-405
1755 Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio/ Neue Erhellung der ersten Grundsätze metaphysischer Erkenntnis I 406-515
1756 Metaphysicae cum geometria iunctae usus in philosophia naturali, cuius specimen i. continet Monadologiam physicam [Physische Monadologie] I 516-568
1756 Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde  
1758 Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe, und der damit verknüpften Folgerungen in den ersten Gründen der Naturwissenschaft, wodurch zugleich seine Vorlesungen in diesem halben Jahre angekündigt werden I 569-586
1759 Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus von M. Immanuel Kant, wodurch er zugleich seine Vorlesungen auf das bevorstehende halbe Jahr ankündigt I 587-598
1762 Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren I 599-620
1763 Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes I 621-742
1763 Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral. Zur Beantwortung der Frage welche königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin auf das Jahr 1763 aufgegeben hat I 743-778
1763 Versuch den Begriff der negativen Größen in eine Weltweisheit einzuführen I 779-824
1764 Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen I 825-886
1764 Versuch über die Krankheiten des Kopfes I 887-906
1765 Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre 1765-1766 I 907-922
1766 Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik I 923-992
1768 Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume I 993-1002
1770 De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiies/ Von der Form der Sinnen- und Verstandeswelt und ihren Gründen III 12-112
Kritische Phase
1781 Kritik der reinen Vernunft [1. Auflage] II (2.Aufl.)
1783 Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können III 113-266
1784 Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung VI 53-64
1785 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten IV 11-106
1786 Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft V 11-138
1786 Was heißt: Sich im Denken orientieren? III 267-286
1786 Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte VI 85-104
1786 Einige Bemerkungen des Herrn Professor Kant (aus Ludwig Heinrich Jakobs Prüfung der Mendelssohnschen Morgenstunden oder aller spekulativen Beweise für das Dasein Gottes) III 287-296
1787 Kritik der reinen Vernunft [2. überarbeitete Auflage] II 9-714
1788 Kritik der praktischen Vernunft IV 107-308
1788 Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie V139-172
1790 Kritik der Urteilskraft V237-622
1790 Über Schwärmerei und die Mittel dagegen  
1790 Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll III 297-376
Nachkritische Phase
1791 Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee VI 105-126
1793 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft IV 649-882
1793 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis VI 127-174
1794 Etwas vom Einfluss des Mondes auf die Witterung  
1794 Das Ende aller Dinge VI 175-194
1795 Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie III 405-420
1796 Aus Sömmering: Über das Organ der Seele VI 255-260
1796 Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie III 377-400
1796 Ausgleichung eines auf Missverstand beruhenden mathematischen Streits III 401-404
1796 Logik III 421-586
1797 Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre [Die Metaphysik der Sitten Erster Teil] IV 309-502
1797 Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre [Metaphysik der Sitten Zweiter Teil] IV 503-636
1797 Über ein vermeintes Recht, aus Menschenliebe zu lügen IV 637-648
1798 Der Streit der Fakultäten VI 265-398
1800 Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (2. Auflage) VI 399-694
1803 Über Pädagogik VI 695-761
  ,,Opus postumum" [unvollendet gebliebenes Manuskript von 290 Seiten. Seit 1999 in der Handschriftensammlung der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz]  

3. Literaturverzeichnis

Craig 1998: E. Craig (Hrsg.), Routledge Encyclopedia of Philosophy, London/ New York 1998.
Eisler 1984: R. Eisler, Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichem Nachlass, Hildesheim/ Zürich/ New York 1984.
Grause und Lebuhn 1989: F. Gause/ J. Lebuhn, Kant und Königsberg bis heute, o.O. 1989.
Gulyga 1990: A. Gukyga, Immanuel Kant, Hamburg 61990.
Guyer 1998: P. Guyer, Kant, Immanuel. (1724-1804). In : Craig 1998, 177 - 200.
Hirschberger 1981: J. Hirschberger, Geschichte der Philosophie. Band II. Neuzeit und Gegenwart, Frankfurt a.M. 111981, 267 - 361.
Höffe 1988: O. Höffe, Immanuel Kant, München 21988.
Kant 1983: I. Kant/ W. Weischedel (Hrsg.), Werke in sechs Bänden, Darmstadt 1983. (Nachdruck von 1956ff.)
Kropp o.J.: G. Kropp, Philosophie. Ein Gang durch die Geschichte, München 2o.J. 102 - 115.
Kunzmann u.a. 1998: P Kunzmann/ F-P. Burkhard/ F. Wiedmann, dtv-Atlas Philosophie, München 71998, 102 - 159.
O'Neill 1998: Onora O'Neill, Kantian Ethics. In: Craig 1998, 200 - 204.
Schulz 1995: U. Schulz, Immanuel Kant, Hamburg 1995.
Schlüter 1999: W. Schlüter, Immanuel Kant, München 1999. [dtv Portrait]
Vorländer 1986: K. Vorländer, Immanuel Kants Leben, Hamburg 41986.

1 siehe Anhang 1.2 Philosophie, Kantische

2 Hirschberger, Geschichte der Philosophie. Band II, 1981, 270.

3 siehe Anhang 1.2 Idealismus

4 siehe Anhang 1.2 Philosophie, Deutsche

5 siehe Anhang 1.2 Merkantilismus

6 siehe Anhang 1.2 Kriegsführung

7 siehe Anhang 1.2 Koalitionskriege

8 siehe Anhang 1.2 Revolutionsverfassungen

9 siehe Anhang 1.2 Stände

10 siehe Anhang 1.1 Friedrich Wilhelm I.

11 siehe Anhang 1.1 Friedrich II.

12 siehe Anhang 1.1 Friedrich Wilhelm II.

13 siehe Anhang 1.1 Montesquieu

14 siehe Anhang 1.1 Rousseau

15 siehe Anhang 1.2 Französische Revolution

16 siehe Anhang 1.1 Lafayette

17 siehe Anhang 1.2 Revolutionsverfassungen

18 Siehe VIII.3 Kant und die Revolution

19 siehe Anhang 1.2 Cant

20 siehe Anhang 1.2 Familie

21 siehe Anhang 1.2 Pietismus

22 siehe Anhang 1.1 Schultz

23 siehe Anhang 1.2 Pietismus

24 siehe Anhang 1.2 Collegium Friedericianum

25 siehe Anhang 1.1 Knutzen

26 siehe Anhang 1.1 Newton

27 siehe Anhang 1.2 Reputation

28 siehe Anhang 1.1 Leibniz

29 siehe Anhang 1.1 Descartes

30 siehe Anhang 1.1 d'Alembert

31 Ephraim Lessing formuliert zu Kants erster Arbeit folgenden Spottvers: Kant unternimmt ein schwer Geschäfte/ der Welt zum Unterricht/ er schätzet die lebend'gen Kräfte/ nur seine schätzt er nicht.

32 siehe Anhang 1.2 Metaphysik

33 siehe Anhang 1.2 Empirismus/ Empirie

34 siehe Anhang 1.2 Hauslehrer

35 Vorländer, Immanuel Kants Leben, 1986, 23.

36 siehe Anhang 1.1 Herschel

37 siehe Anhang 1.1 Laplace

38 ,,Über das Feuer" (Juni 1755)

39 ,,Neue Erhellung der metaphysischen Erkenntnisprinzipien" (September 1755)

40 siehe Anhang 1.2 Monaden

41 siehe Anhang 1.2 Fächer

42 siehe Anhang 1.2 Hörerzahlen

43 siehe Anhang 1.2 Vorlesungsstil

44 siehe Anhang 1.1 Herder

45 siehe Anhang 1.2 Krieg, Siebenjähriger

46 siehe VIII.1 Kant und die Privatsphäre

47 ,,Über die Form und die Prinzipien der Sinnen- und Verstandeswelt"

48 siehe Anhang 1.2 Logik sowie Metaphysik

49 siehe Anhang 1.2 Briefwechsel

50 Schlüter, Immanuel Kant, 1999, 61.

51 siehe Anhang 1.2 Raum

52 siehe Anhang 1.2 Zeit

53 siehe Anhang 1.2 Spaziergänge

54 siehe Anhang 1.1 Rousseau

55 siehe Anhang 1.2 Ontologie

56 siehe Anhang 1.1 Canterbury

57 siehe Anhang 1.1 Aquin

58 siehe Anhang 1.2 Teleologie

59 nach Kant II 648

60 nach Schlüter, Immanuel Kant, 1999, 82f.

61 siehe Anhang 1.1 Hume

 

 


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