Download PDF

Download Word

 

Materialien zum Ethikunterricht

Die 10 Gebote als ethische Grundlage?

Sind sie wirklich heute noch aktuell und richtungsweisend?
 
von Rudolf Kuhr, Autor des Buches „Wachstum an Menschlichkeit -Humanismus als Grundlage“, Ein Handbuch mit kurzen Texten und Zitaten
siehe Website
http://www.humanistische-aktion.homepage.t-online.de/gebote.htm



 

Die Konflikte zwischen den Menschen und die Zerstörung der Natur nehmen weltweit zu. In unserem christlich-abendländisch geprägten Europa ist es, nach all den schrecklichen Ereignissen der Geschichte, auch heute noch möglich, daß es beispielsweise in Irland und im ehemaligen Jugoslawien zu Bürgerkriegen zwischen Christen verschiedener Konfessionen kommt. Wie kann das trotz der langen, christlichen Tradition geschehen? Hat die christliche Lehre versagt, oder ist sie gar Ursache der Misere, indem sie vielleicht tief im Inneren des Menschen mehr Unfrieden als Heil stiftet? Hat die Entwicklung des Glaubens mit der allgemeinen Entwicklung der Gesellschaft nicht Schritt gehalten? Hat überhaupt eine grundsätzliche Entwicklung des Glaubens stattgefunden?

Die "Religion der Liebe"  "Wenn dein Bruder, der dieselbe Mutter hat wie du, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau, mit der du schläfst, oder dein Freund, den du liebst wie dich selbst, dich heimlich (zu anderen Gottheiten) verführen will ... sollst du nicht nachgeben und nicht auf ihn hören. Du sollst in dir kein Mitleid mit ihm aufsteigen lassen, sollst keine Nachsicht für ihn kennen und die Sache nicht vertuschen. Sondern du sollst ihn anzeigen. Wenn er hingerichtet wird, sollst du als erster die Hand gegen ihn erheben, dann erst das ganze Volk. Du sollst ihn steinigen, und er soll sterben."  Die Bibel, 5. Buch Mose 13,7-11; besser bekannt als Teil des ersten Gebots - ein Teil, der freilich aus naheliegenden Gründen meist weggelassen wird.  Einen Grund, warum die "Zehn Gebote" trotzdem so oft als Richtschnur bezeichnet werden, deckte die britische Sunday Times schon 1997 auf: Zwei Drittel der Priester im Dienst der anglikanischen Kirche konnten laut Augsburger Kirchenzeitung vom 9.2.97 nicht einmal die Kurzform der Zehn Gebote zitieren. Kein Wunder: Eine allzu genaue Textkenntnis führt nur zur Ernüchterung.            

 

Was ist eigentlich an den zehn Geboten und an der Bergpredigt, auf die man sich noch immer gern pauschal beruft, heute noch aktuell, was entspricht davon noch unseren heutigen Erkenntnissen?

1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Dieses Gebot ist, wenn wir wahrhaftig sein wollen - wie übrigens auch alle anderen Gebote - von Menschen empfunden, einem fiktiven, persönlichen Gott in den Mund gelegt und aus heutiger Sicht entbehrlich, weil es für aufgeklärte Menschen nicht mehr akzeptabel ist und selbst von gläubigen Menschen sehr oft nicht beachtet wird. Es ist sogar bedenklich, weil es Grundlage für Patriarchat, Hierarchie und Führertum ist.

2. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen. Spätestens seit Erich Fromm ist auch dieses Gebot mit seiner Vorstellung von einem persönlichen Gott ebenfalls entbehrlich. Erich Fromm sagt: Wenn man die reifende Idee des Monotheismus in ihren weiteren Konsequenzen verfolgt, kommt man zu dem einzigen Schluß: Gottes Namen überhaupt nicht zu erwähnen, nicht über Gott zu sprechen.

3. Du sollst den Sabbattag heilig halten. Dieses Gebot wäre als Empfehlung vom Inhalt her sinnvoll, wenn es darum geht, an einem Tag in der Woche oder an Feiertagen zur Ruhe und zur Besinnung auf das Ganze zu kommen und zu sich selbst zu finden. Von der Form her wird es, wie auch die anderen Gebote, gerade diejenigen stets zum Widerspruch reizen, an die es gerichtet ist. Im Judentum gibt es sogar ganz offiziell die verschiedensten Tricks, um dieses Gebot zu umgehen.

4. Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden. Solch ein pädagogisch völlig unhaltbares Gebot kann nur in einer menschlich wenig entwickelten Gesellschaft entstanden sein, in der Kinder vernachlässigt, zu viel oder falsch erzogen wurden. Wenn Kinder von ihren Eltern nicht genügend geachtet wurden, dann nützt ein Gebot wie das vierte auch mit seinem Tantieme-Versprechen wenig. Besser wäre eine Empfehlung wie: Achte die Kinder als eigenständige Menschen, sei ihnen mündiges Vorbild mit eigenen Bedürfnissen, gib ihnen so viel an Zuwendung und Liebe wie möglich, fördere und fordere sie, und zeige ihnen ihre Grenzen so oft wie nötig.

5. Du sollst nicht töten. Ein Gebot aus Zeiten der Blutrache, es wird heute besonders von Gläubigen, auch unter Berufung auf Gott, immer wieder verletzt. Für mündige Menschen ist es selbstverständlich und bedarf daher keiner besonderen Erwähnung. Besser wäre hier, wie auch bei den folgenden Geboten, eine allgemeine Empfehlung wie: Füge niemand etwas zu, das du nicht selbst erleiden möchtest.

6. Du sollst nicht ehebrechen. Ein Gebot der Moralauffassung entsprechend, nach der die Frau ein Besitz des Mannes war, ist heute entbehrlich.

7. Du sollst nicht stehlen. Eine Selbstverständlichkeit für mündige Menschen. Wenn man es beibehalten wollte, so müßte es besonders dann beachtet werden, wenn es z.B. darum geht, Kindern durch Taufe und konfessionelle Indoktrination ihre Chance zur eigenen religiösen Entwicklung zu stehlen. Du sollst nicht betrügen, übervorteilen, ausbeuten, täuschen, lügen, manipulieren - und vieles andere noch wäre dann ebenso hinzuzufügen.

8. Du sollst nicht falsch Zeugnis geben wider deinen Nächsten. Auch dies ist eine selbstverständliche Forderung, die als Gebot bestehen bleiben könnte, wenn man solch differenzierte Vorschriften überhaupt für nötig hält, aber dann auch weitere hinzufügt, wie z.B. ...wider dich selbst.

9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Eine Selbstverständlichkeit für einigermaßen zivilisierte Menschen, besonders geeignet für Spekulanten und beliebig zu erweitern auf Auto, Geld usw., von daher entbehrlich.

10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib. Auch wieder eine Selbstverständlichkeit für mündige Menschen, die heute auch auf den Mann erweitert werden müßte. Auch diese Forderung ist als Gebot entbehrlich.

Die christlichen Gebote spiegeln im Grunde eine sehr ins einzelne gehende Reglementierung wider, die sich offensichtlich, wie auch in der Form erkennbar, an verhältnismäßig unmündige Menschen einer anderen Gesellschaft und Epoche wendet. Was heute dagegen fehlt, das wäre ein Gebot wie: Du sollst deine Umwelt nicht zerstören. Ein Menschen- und Weltbild oder Glaube jedoch, in welchem der Mensch eine mündigere, verantwortlichere Stellung hat und eine deutliche Verbundenheit zur Mitwelt, bestehend aus menschlicher Gemeinschaft und Natur, würde umfassendere, grundsätzlichere Empfehlungen enthalten, z.B.: Sei dir stets bewußt, daß du ein Teil deiner Mitwelt und auf diese angewiesen bist. Was du dir tust, tust du ihr und umgekehrt tust du ihr, was du dir tust.

Was sagt im wesentlichen die immer wieder gern zitierte Bergpredigt? Der Mensch Jesus sagte, bzw. soll verschiedenen Überlieferungen nach gesagt haben:

'Gott liebt Menschen, die wissen, daß sie vor ihm arm sind. Gerade ihnen fällt sein Reich zu.' (5.3) Hier wird, wie auch in den meisten der folgenden Zitate, eine imaginäre Autorität interpretiert, das heißt, der Schreiber dieser Worte wendet sich an unmündige Menschen, die durch fragwürdige Versprechungen mit wiederum imaginären Belohnungen getröstet werden sollen. Derartige Versprechungen haben bisher dazu beigetragen, den jeweils bestehenden gesellschaftlichen Status quo aufrechtzuerhalten und Systeme der Ausbeutung der Schwächeren bis heute zu ermöglichen. Die Reichen wissen immer ihr Gewissen durch milde Gaben zu erleichtern. Heute wird man Menschen, die man sich mündig wünscht, den Preis und die Nebenwirkungen materiellen Besitzes für Mensch und Umwelt deutlich machen, was eher zur Einsicht führt.

'Gott liebt Menschen, die Leid tragen. Gerade sie wird er trösten.' (5.4) Ein typisches Beispiel für ein Bild vom unmündigen Menschen. Bei einem Bild vom selbständigen, mündigen Menschen dagegen wird heute versucht, durch menschliche Unterstützung in Form von beratender und teilnehmender Begleitung mit Hilfe von Fachleuten oder Selbsthilfegruppen den Leidenden zu befähigen, sein Schicksal zu akzeptieren und selbst in die Hand zu nehmen.

Weitere Zitate aus der Bergpredigt, die überwiegend ein Verhältnis der Abhängigkeit zwischen Vater und Kind widerspiegeln, sollen für sich selber sprechen:

'Gott liebt Menschen, die sich bescheiden zurückhalten. Gerade ihnen wird er die ganze Welt schenken.' (5.5)

'Gott liebt Menschen, die nach seiner Gerechtigkeit hungern. Gerade sie werden sie bekommen.' (5.6)

'Gott liebt Menschen, die barmherzig sind. Gerade ihnen wird er barmherzig sein.' (5.7)

'Gott liebt Menschen, die ein reines Herz haben. Gerade ihnen wird er sich zeigen.' (5.8)

'Gott liebt Menschen, die Frieden stiften. Gerade sie wird er seine Kinder nennen.' (5.9)

'Gott liebt Menschen, die seinetwegen unterdrückt werden. Gerade ihnen gehört sein Reich.' (5.10)

'Ihr seid das Salz der Erde.' (5.13)

'Ihr seid das Licht für das All.' (5.14)

'Schon wer seinem Bruder böse ist, gehört vor Gericht. Und wer zu ihm sagt: 'Du Idiot!', wird vor den Augen Gottes gerichtet. Aber wer ihn sogar als Unmenschen verflucht, verdient selbst, daß Gott ihn ewig verstößt.' (5.22)

'Schließ schnell Frieden mit deinem Gegner, wer weiß, wie lange du es noch kannst. Sonst könnte nämlich dein Gegner dir einen Prozeß anhängen und der Richter dich verurteilen und ins Gefängnis bringen lassen (5.25) Ich sage dir Gottes Wahrheit: Du kommst dort nicht wieder heraus, bis du auch den letzten Pfennig bezahlt hast.' (5.26)

'Wer sich von seiner Frau trennt - außer sie begeht Hurerei -, der treibt sie zum Ehebruch. Und wer die getrennt Lebende heiratet, begeht selbst Ehebruch.' (5.32)

'Schwört überhaupt nicht! Weder beim Himmel - er ist Gottes Thron. Noch bei der Erde - sie ist sein Fußschemel. Noch bei Jerusalem - es ist des großen Königs Stadt. Laß auch das Schwören bei meinem Kopf!' (5.34)

'Ihr sollt nicht Böses mit Bösem vergelten. Wenn dich also jemand ins Gesicht schlägt, sei bereit, dich auch ein zweites Mal schlagen zu lassen.' (5.39)

'Gib dem Bittenden! Leih gern dem Bedürftigen!' (5.42)

'Habt eure Feinde lieb. Betet für eure Bedrücker. So werdet ihr zu wirklichen Kindern eures Vaters im Himmel. Läßt er nicht seine Sonne scheinen über Böse und Gute und Regen fallen auf Fromme und Gottlose?' (5.44)

'Seid als Kinder eures Vaters im Himmel so, wie er ist: vollkommen.' (5.48)

'Achtet darauf, daß ihr euch nicht anderen Menschen zur Schau stellt, wenn ihr Gutes tut. Sonst gilt es in den Augen eures himmlischen Vaters nichts.' (6.1.)

'Du aber sollst so helfen, daß deine linke Hand nicht nachzählt, was die rechte ausgibt. So unauffällig soll deine Hilfe geschehen. Dein Vater wird dich dafür belohnen. Er sieht ja auch die heimlichsten Taten.' (6.3.)

'So soll es auch sein, wenn ihr betet. Macht's nicht wie die frommen Wichtigtuer. Sie lassen sich gern von anderen offen dabei sehen, wenn sie beten, damit sie den Leuten Eindruck machen.' (6.5)

'Wenn du aber betest, dann geh in dein Zimmer, schließ zu und sprich mit deinem Vater in der Stille.' (6.6)

'Betet einfach so: Unser Vater im Himmel,/ dein Name sei heilig. / Dein Reich komme. / Dein Wille geschehe, / wie im Himmel auch auf Erden / Das Brot, das wir brauchen, gib uns heute. / Vergib uns unsere Schuld, / wie wir denen vergeben, / die bei uns Schuld haben. / Laß uns nicht in Versuchung geraten, / sondern rette uns vor der Macht des Teufels. / (Dir gehört die Herrschaft / und die Macht / und die Majestät/ in alle Ewigkeit. / Amen.)' (Math.6.9-13)

'Wenn ihr den Menschen ihre Fehler vergebt, dann vergibt euer Vater im Himmel euch auch. / Aber wenn ihr den anderen nicht verzeiht, dann wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht verzeihen.' (6.13)

'Wo euer Vermögen ist, ist auch euer Herz.' (6.21)

'Denkt nicht krampfhaft an morgen.' (6.34)

'Verurteilt nicht, sonst werdet ihr auch verurteilt.' (7.1)

'Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?' (7.3.)

'Handelt selbst so, wie ihr es von anderen euch gegenüber erwartet.' (7.12) In diesem Satz sind das Gesetz Moses' und die Schriften der Propheten zusammengefaßt.

'Geht durch die enge Tür hinein. / Groß ist jedoch das Tor und breit der Weg zum Verderben. / Viele gehen ihn. / Aber eng ist die Tür und schmal der Weg zum Leben. / Nur wenige finden ihn.' (7.13)

'An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.' (7.20)

'Wer meine Worte hört und nicht danach handelt, der verhält sich wie ein dummer Mann.' (7.26)

Soweit einige wesentliche Auszüge aus der sogenannten Bergpredigt (NT für Menschen unserer Zeit, Quell-Verlag Stgt.1968). In dieser Zusammenstellung von mehr oder weniger weisen, heute zum Teil überholten, mitunter auch recht seltsam, ja kurios und gar infantil anmutenden Texten mit ethischem Überlieferungsgut verschiedener Quellen ist nichts zu finden, was sich nicht für mündige Menschen bereits aus der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit für ein wünschenswertes Zusammenleben folgerichtig ergibt und versteht.

Die grundsätzlichen ethischen Aussagen, die in den großen sogenannten Welt-Religionen (richtiger: Konfessionen) Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus und Judentum enthalten sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

·        Handele selbst so, wie du es von anderen dir gegenüber erwartest.  Halte deinen Zorn zurück und verzeihe den Menschen.  Sei keinem Wesen gegenüber böse gesinnt, sei gleichermaßen freundlich  und mitfühlend gegenüber Freund und Feind.  Niemals hört in der Welt Haß durch Haß auf, sondern durch Liebe.  Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.    

 

Eine universelle Aussage könnte lauten:

 

Achte deine Mitwelt und dich selbst.

oder

Sei verantwortlich für dich und deine Mitwelt.

 

Alle religiösen Lehren wollen grundsätzlich das Gute im Menschen fördern. Das Gute kann sich aber nur dann entfalten, wenn es von Kindheit an nicht nur gepredigt, gefordert oder befohlen, sondern vor allem vorgelebt und zugelassen wird. Der mündige Mensch wird sich heute eher aus der Einsicht in die Notwendigkeit und aus der Erkenntnis der Sinnhaftigkeit auch seinen Feinden gegenüber menschlich verhalten, als durch Gebote, Belohnungen oder Drohungen, noch dazu, wenn diese einer imaginären Autorität in den Mund gelegt werden. Die kindhafte Vorstellung von einem teils gütigen, teils strafenden Vater im Himmel ist heute selbst für Theologen ebenso unglaubwürdig wie etwa die Vorstellung vom Weihnachtsmann für ältere Kinder. Und dennoch halten erwachsene Menschen an den alten Vorstellungen fest. Warum, geschieht dies aus Gewohnheit, Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit oder aus Überzeugung? In jedem Fall aus partieller Unmündigkeit und Verantwortungslosigkeit. Die meisten Politiker ergänzen noch immer ihren Amtseid mit "so wahr mir Gott helfe". Erwachsene Menschen, die an diesen kindlichen und vordemokratischen Formen festhalten sind sich offenbar nicht klar über die Gefahren, die sich aus einer solchen Bewußtseinsspaltung für das reale Leben ergeben. Der ständige - unbewußte - innere Konflikt zwischen kindhaftem Glauben und kritischem Verstand bildet eine Spannung, die entweder selbstzerstörerisch oder in destruktiver Weise nach außen wirkt, oder auch beides.

Mit der Erziehung von Kindern zum Glauben an einen personalen Gott werden diese zur Unmündigkeit, zur Selbsttäuschung und zur Unwahrhaftigkeit veranlaßt. Es wird die nach Artikel 1 und 2 unseres Grundgesetzes garantierte freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit be- oder gar verhindert, was einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellt. Es wird ihnen eine Sicherheit vorgetäuscht, die nicht selten Ursache für psychische Krankheit und sogar für Gewalt werden kann. Eine Heilslehre, die zur Abhängigkeit von einer beliebig auslegbaren, imaginären Autorität und zur psychischen und rechtlichen, oft lebenslangen Bindung an die Kirche führt, ist mit einer geistigen Einstiegsdroge vergleichbar und deshalb als Verführung Minderjähriger und abhängiger Personen abzulehnen.

Kein vernünftiger und verantwortungsbewußter Mensch käme auf den Gedanken, Kinder bereits im Säuglingsalter in einer politischen Partei anzumelden, um sie frühzeitig auf eine bestimmte politische Richtung festzulegen. Was in der Regel selbstverständlich ist, nämlich Kinder nicht zu früh und ohne deren Bedürfnis über Sexualität aufzuklären, dasselbe sollte auch für den Glauben an geistige Heilmittel gelten, die, um Abhängigkeiten zu vermeiden, nur in Notfällen, wenn eine Selbstheilung nicht mehr möglich ist, angeboten werden dürften.

Man sollte sich zur heiligsten Pflicht machen, dem Kinde nicht zu früh einen Begriff von Gott beibringen zu wollen. Die Forderung muß von innen heraus geschehen, und jede Frage, die man beantwortet, ehe sie aufgeworfen ist, ist verwerflich. Das Kind hat vielleicht seine ganze Lebenszeit daran zu wenden, um jene irrigen Vorstellungen wieder zu verlieren. Das sagte der Dichter Friedrich von Schiller.

Lebendiger Glaube kann nicht durch Wiederbelebungsversuche überholter Vorstellungen vergangener Zeiten erreicht werden. Da machen junge Menschen entweder nicht mehr mit, oder sie werden zu gespaltenen Persönlichkeiten. Leben heißt Entwicklung und Veränderung. Die Kirche hat nur dann eine Zukunft und eine Daseinsberechtigung in einer demokratischen Gesellschaft, wenn sie über begrenzte Reformen hinaus eine Transformation von einer christlichen, am Führerprinzip orientierten Kirche zu einer humanistischen, an Mündigkeit orientierten Vereinigung anstrebt.

Der heute lebende, mündige Mensch ist für sich selbst voll- und für seine Mitwelt mit-verantwortlich. Er ist und bleibt ein Teil seiner Mitwelt. Seine von der Natur her gegebene Aufgabe ist es, sich nach Anlage und Umwelt-Bedingungen zu größtmöglicher Entfaltung zu bringen, wozu zumindest Mündigkeit gehört. Dies erfordert eine kritische Distanz und gleichzeitig wohlwollende Verbundenheit sowohl zu seiner Mitwelt als auch besonders zu sich selbst. Sein Problem ist das Erlangen der Fähigkeit zur Erkenntnis seiner Endlichkeit und relativen Unbedeutsamkeit. Dies gilt es zu akzeptieren und sinnvoll zu nutzen. Seine allem anderen übergeordnete Orientierung ist das Ideal des Humanismus, die Vision vom verantwortlichen Menschentum, das folgerichtig den sorgsamen Umgang mit der Natur, der materiellen Lebensgrundlage des Menschen, enthält. Jeder mündige Mensch ist schon im eigenen Interesse gegenüber seinen Mitmenschen sowohl zur Hilfeleistung als auch zur Entgegennahme von konstruktiver Kritik verpflichtet.

Neue, unserer gesellschaftlichen Entwicklung entsprechende, Gebote, Grundsätze oder besser noch Selbstverpflichtungen bzw. Aufträge an mich selbst könnten - hier in zwei verschiedenen Formulierungen - lauten:

Ich will mich als Teil meiner  Mitwelt erkennen und fühlen. Ich will meine Mitwelt achten  und fördern wie mich selbst. Ich will wahrhaftig sein. Ich will ganzheitlich leben. Ich will verantwortlich sein. Ich will Großmut üben. Ich will um Ausgleich bemüht sein. Ich will mir Zeit lassen. Ich will nach Einfachheit streben. Ich will freundlich sein.      Ich erkenne und fühle mich  als Teil meiner Mitwelt. Ich achte und fördere mich  selbst und meine Mitwelt. Ich bin wahrhaftig. Ich lebe ganzheitlich. Ich bin verantwortlich. Ich bin großmütig. Ich bemühe mich um Ausgleich. Ich lasse mir Zeit. Ich strebe nach Einfachheit. Ich bin freundlich.     

Ein neues Glaubensbekenntnis könnte lauten:

Ich glaube, daß der Sinn unseres Lebens in der größtmöglichen Entfaltung

und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie

und Verbundenheit zu unserer Mitwelt liegt. Ich glaube an die Bildungsfähigkeit des

Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, verantwortlichen Gemeinschaftswesen

und daran, daß die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur.

 

 

Allgemeine Grund-Regel  1. Die Teilnahme am Leben erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.  2. Jeder Mensch hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.  In Anlehnung an die StVO § 1  

 

 

 

------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Buchbesprechung
Rudolf Augstein: Jesus Menschensohn
Aus: MIZ 1/00
Erweiterte und aktualisierte Neuauflage. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1999. 573 Seiten, gebunden. DM 54,-, ISBN 3-455-11284-6.
Als 1972 die erste Auflage von "Jesus Menschensohn" erschien, waren viele empört: Was - um alles in der Welt - trieb Rudolf Augstein, den Herausgeber des Spiegel, dazu, mit dem Christentum so radikal abzurechnen? Anders als die meisten anderen KirchenkritikerInnen befasste sich Augstein nicht vordringlich mit der Geschichte der Kirche, deren Verbrechen gerne mit dem Verweis auf das "Allzumenschliche" entschuldigt werden. Augsteins Angriff war radikaler, er ging ans Eingemachte, an den Kanon jener Wahrheiten, die kein Christ aufgeben kann ohne seine christliche Identität zu verlieren. Dabei wies er nach, dass - so wenig gesichert unser Wissen über die historischen Vorgänge auch ist - eines doch unzweifelhaft feststeht: der historische Jesus von Nazareth (sofern es ihn überhaupt gab) hatte kaum etwas gemein mit jenem geheimnisvollen Gottessohn, der zur Grundlage des christlichen Glaubens wurde und auch heute noch von ChristInnen in aller Welt verehrt wird.
27 Jahre später, rechtzeitig vor dem Beginn des "Heiligen Jahres" 2000, legt Augstein nun eine gründlich überarbeitete, aktualisierte und in vielerlei Hinsicht verbesserte Neuauflage seines Bestsellers vor. Schon im Vorwort enttäuscht er all jene, die von dem 75-Jährigen eine altersbedingte Revision seiner Ansichten erhofft haben: "Spekulationen darüber, daß ich [...] die viel beschworene Umkehr vorgenommen und mich nun eines besseren besonnen hätte, gar in den Schoß der Kirche zurückkehren würde, dürften sich nach der vorliegenden Lektüre erübrigen."
Wohl wahr: Augstein deckt in seinem fast 600-seitigen Werk nicht nur die gravierenden Widersprüche in den biblischen Jesusdarstellungen auf (er begründet diese mit den unterschiedlichen Missionsinteressen der Verfasser). Er dokumentiert darüber hinaus gewissenhaft die verunglückten Versuche christlicher TheologInnen, dem nebulösen, in sich widersprüchlichen Christusmythos irgendeine halbwegs vernünftige Bedeutung abzuringen. Gegenüber der Erstauflage neu hinzugekommen ist eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der jüdischen Gottesidee. Augsteins Schilderung des merkwürdigen Siegeszugs Jahwes, der es immerhin vom provinziellen Berggott zu einem weltweit anerkannten Monopolisten in Gottesfragen gebracht hat, macht klar, dass nicht nur das Neue Testament historisch auf Sand gesetzt ist, sondern die gesamte Bibel. Moses zum Beispiel ist ebenso sehr Kunstfigur wie Jesus. Falls er überhaupt gelebt hat, so doch mit Sicherheit anders, als dies im Alten Testament überliefert wird. Einen Auszug des gesamten jüdischen Volkes aus Ägypten hat Moses nie angeführt (denn den hat es nie gegeben) und aller Wahrscheinlichkeit war er nicht einmal Monotheist (der Ein-Gott-Glaube setzte sich erst im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung durch, d.h. mehr als ein halbes Jahrtausend nach dem vermeintlichen Exodus).
Augsteins Buch ist packend geschrieben, auch wenn so manches Mal in der Fülle der Details der rote Faden verlorenzugehen droht. (Glücklicherweise verfügt das Buch aber nebst Zeittafel über ein gut strukturiertes Register.) Kritisch anzumerken ist allenfalls, dass Augstein die wichtigen Erkenntnisse jüdischer Jesusforscher (beispielsweise Pinchas Lapide und Hyam Maccoby), die vor allem auf gravierende Fehlübersetzungen der Bibel hingewiesen haben ("Übersetzung übt Ersetzung"), nicht in sein Werk mit aufgenommen hat. Dies hätte wahrscheinlich geholfen, dem Bild des hinreichend fehlverstandenen, jüdischen Wanderpredigers schärfere Konturen zu geben. An der Grundaussage hätte sich dadurch freilich nichts geändert: Es ist in der Tat ein ungeheurer Skandal, dass sich die Kirchen auch heute noch "auf einen Jesus berufen, den es nicht gab, auf Lehren, die er nicht gelehrt, auf eine Vollmacht, die er nicht erteilt, und auf eines Gottessohnschaft, die er selbst nicht für möglich gehalten und nicht beansprucht hat".
Fazit: Es ist zu hoffen, dass "Jesus Menschensohn" (auch dank der Prominenz seines Verfassers) wieder seinen Platz auf den Bestseller-Listen findet. Als Gegengift zu den theologischen Phantasieprodukten, die im christlichen Jubiläumsjahr auf uns niederprasseln werden, ist das Buch geradezu unersetzlich. Es demonstriert eindrucksvoll, dass es im Bereich der Religionskritik nicht ausreicht, die religiösen Institutionen allein anhand des von ihnen angerichteten geschichtlichen Unheils zu kritisieren. Notwendig ist darüber hinaus ein gewissenhafter Blick in die "heiligen" Schriften selbst. Denn die Demonstration der historischen Unglaubwürdigkeit dieser Schriften dürfte die religiöse Einfalt noch stärker treffen als all die Kriminalgeschichten, die man über die Entwicklung religiöser Institutionen zu schreiben vermag. Augsteins Religionskritik ist - so sachlich sie auch vorgetragen wird - radikal, denn sie geht an die Wurzeln des christlichen Glaubens. Sie legt schonungslos offen, dass das Christentum ein alle historische Fakten negierender Aberglaube ist, ein Hirngespinst, das sich nur deshalb ausbreiten konnte, weil es unter bestimmten historisch-sozialen Umständen hervorragend als Herrschaftsideologie taugte. "Verdrängen ist gut, Bewußtmachen ist besser", schreibt Rudolf Augstein am Ende seines Buches. Hoffen wir, dass der aufklärerische Impuls des Spiegel-Herausgebers nicht hoffnungslos untergehen wird in den Jubelgesängen, Kirchenchorälen und Festgottesdiensten des scheinheiligen Jahres.
Michael Schmidt-Salomon

Buchbesprechung
Rainer Schepper: Das ist Christentum
Aus: MIZ 1/00
Informationen aus zweitausend Jahren Geschichte. Das Kirchenjahr in 2.471 historischen Daten (30. März 315  30. Juni 1998). Neustadt a.R. 1999. Angelika Lenz Verlag; 618 Seiten, illustriert, kartoniert, DM 69,80, ISBN 3-933037-11-5
Der durch zahlreiche Bücher wie Gott beim Wort genommen und Denn es steht geschrieben renommierte Kirchenkritiker Rainer Schepper legt mit diesem beeindruckenden Werk das jüngste Ergebnis jahrelanger Recherchen vor. Unter dem schlichten Aussagesatz des Titels erstellt der Autor auf über 600 Seiten sozusagen einen Gegenentwurf zum katholischen Heiligenkalender. Statt der Märtyrer, die  der Legende nach  für den Glauben ihr Leben ließen, erinnert Schepper an diejenigen, die durch den Glauben zu Tode gebracht wurden. Und diese, in die Millionen gehende Zahl von Opfern der Verwalter des christlichen Glaubens, übersteigt die der "Seligen" oder "Heiligen" um ein vielfaches. Deshalb kann das Kalendarium sowie die "Gedenk- und Ehrentafel" mit den Namen von 1526 Opfern, welche Scheppers Geschichtsbuch voransteht, nur ein pars pro toto darstellen.
Die Liste des Schreckens ist für den Autor die logische Konsequenz eines systemimmanenten Verblendungszusammenhanges, den er in einer Art "Genesis des Grauens" herleitet: Beginnend mit dem Kapitel "Am Anfang war der Betrug" schildert Schepper, wie das allzumenschliche Bedürfnis nach Sinn, Transzendenz und Spiritualität zu der Ideologie eines kleinlich strafenden und bösartigen Richter- bzw. Rachegottes instrumentalisiert wurde, um die Gutgläubigen in einem Teufelskreis von Sünde und Erlösungsversprechen an die Heilsverkünder zu ketten. Angst vor ewiger Verdammnis, Gewalt gegen und Unterdrückung von Andersgläubigen gebiert Heuchelei und Lüge. Die Vorstellung einer Hölle im Jenseits führt zu einer realen Hölle hienieden. Anhand zahlreicher Text- und Bildzitate aus historischen Quellen wirft Schepper einen Grauen erregenden Blick in die Folterkammern der christlichen Inquisition, dokumentiert eindringlich das unendliche Leid der so genannten "Zauberer", "Ketzer" und "Hexen" sowie die menschenverachtende klerikale Quällust. Weder hast sich die (katholische) Kirche je von ihren Verbrechen distanziert, noch die Bereicherung an unrechtmäßig eingezogenen Vermögen wieder gut zu machen versucht.
Nach diesen umfangreichen Prolegomena bildet ein Kalendarium den rund 400-seitigen Hauptteil des Buches. Für jeden Tag des "Kirchenjahres" listet es Namen, Daten und Informationen aus zweitausend Jahren Geschichte auf, die im Zusammenhang mit dem methodischen Glaubenswahn stehen. In der Tradition von Karlheinz Deschners Kriminalgeschichte des Christentums ist so eine "Chronique scandaleuse" der abendländischen Religion entstanden, die neben den Leiden der Opfer und den Gräueltaten der Täter auch an viele fortschrittliche Denker und Skeptiker wie Voltaire oder Heine erinnert.
Ein Personen- und Ortsregister erschließt die Kompilation, ein Verzeichnis der verwendeten Literatur ermöglicht weitere Recherchen in diesem wahrlich uferlosen Sumpf. Dem verdienstvollen Buch ist eine möglichst weite Verbreitung zu wünschen.
Roland Seim

 

Die Christliche Erlösungsmystik

 

Als Christ muss man reumütig einräumen, dass die gruselige Erlösungsmystik der stellvertretenden Genugtuung Christi eine extrem scheußliche spirituelle Verknüpfung ist. Sie ist eine Obszönität. Eine Perversion des Denkens.

 

Mit einem Mindestmaß an ethischer Gefühlsfähigkeit muss man als verantwortlicher Christ mit dem Brustton der Entrüstung die entsetzliche Vorstellung, dass die Qualen der zu Tode Folterung des armen Jesus eine Möglichkeit bietet, für sich persönlich Nutzen ziehen zu können, abweisen.

Die Logik eines solchen sinisteren Konzepts kann nur eine mafiöse sein im Sinne einer verschwörerischen Blutsverbrüderung mit den Tätern / den spirituellen Urhebern, wenn im molochmystischen Symbolismus des kannibalen Abendmahlrituals durch das „Kosten des Blutes Christi“ die stellvertretende Genugtuung Christi erwirkt werden soll / Jesus für Sünden verschachert wird.

 

Die Düsternis der christlichen Erlösungsmystik weist den dazugehörigen Gott Jahwe eindeutig als Gott der Dunkelheit und des Hasses aus. Mit Licht und mit Liebe hat dieser Gott nichts im Sinn:

 

+

Dazu ist die verwendete Symbolik eine völlig falsche und völlig ungeeignete.    

++

Substantielle Verbesserung von Missständen kann nur durch bewusstseinserweiternde Lernvorgänge erwirkt werden:

 

a)

Auf rationaler Ebene können realitäre strukturelle Verbesserungen kausalitätsorientiert erarbeitet werden. Diese Methode erfordert emotionale Distanz und Nüchternheit und die kränkende Einsicht, sich vom Hochgefühl der Auserwähltheit verabschieden zu müssen.

b)

Auf  überbewusster Ebene können Lösungsmuster von Erleuchtungserlebnissen, die bestehende Denkkategorien und paradigmatische Strukturen transzendieren oder aufheben, in die Realität umgesetzt werden.

 

+++

Eine Kategorie wie „Genugtuung“, die auf der Ebene des Gemüts angesiedelt ist, kann die Welt nicht wirklich verbessern und ist geeignet, bestehende Missstände nur noch zu zementieren.

 

 

Die Richtigkeit dieser Aussagen belegen 90 Millionen Menschenopfer während 2000 Jahren Christentums, die in weiteren 12 Millionen Menschenopfer im I. und 56 Millionen Menschenopfer im II. Weltkrieg und im Holocaust kulminierten.

 

Typischerweise kam es im Mittelalter traditionell regelmäßig vor Ostern zu christlich-liebevollen Gefühlsausbrüchen in Form von Judenpogromen.

 

Sowas kommt von sowas.

Wer einen Kultus des Menschenopfers sät wird Menschenopfer ernten. Solange es Menschen gibt, die diesen finsteren Kult und seinen Ritus mitmachen. Am besten gläubig, unschuldig und mit reinem Gewissen. Sich hingebend als spirituelle Jungfrauenopferungen der Kirche.

 

Der wahre religiöse Gedanke im christlichen Sinne ist eigentlich, lieber einen Gort sterben zu lassen, als Menschen oder nach Prof. Dr. Sir Karl Popper qua Falsifikation „lieber eine Theorie sterben zu lassen, als Menschen“.

Das eröffnet wirklich die Möglichkeit der bewusstseinsmäßigen Transzendierung bzw. Überschreitung kognitiver paradigmatischer Strukturen, auf denen bestehende disfunktionale Situationen oder Rahmenbedingungen beruhen.

Leider hat dieser Gedanke in der christlichen Ideenwelt historisch nie eine Rolle gespielt.


 

Heute ist die Zeit gekommen, uns diese Zusammenhänge geistig zu erschließen. (2. Petrus 3, 3..13)

Das definiert

die EndZeit eines alten Paradigmas (einer alten Welt)

und den Beginn eines neuen Bewusstseins (einer neuen Welt).

 

Es geht aber auch blutiger:

Die Zutaten sind ein paar Ausschließlichkeitskonzepte der Arroganz wie Auserwähltheit, Alleinseligmachendheit, einzige Wahrheit, einziger Gort, die Vision eines finalen Apokalype-Szenarios,  eine soziodynamische ausschließliche Verpflichtung mit dem dazu passenden Blutritual  und in der politischen Umsetzung eine auf dieser Basis motivierte ebenso unbewusste wie kompromisslose Aufschaukelung zu immer extremeren Eskalationen ...

 

Zur Ventilierung des der christlichen Erlösungsmystik unterlegten Prinzips soll sie auf die Ebene der Alltags-Erfahrung abgebildet werden:

Jemand erleidet oder verursacht einen Schaden irgendwelcher Art und empfindet auf der Gemütsebene die unbefriedigende Situation von Schuld- und Frustrationsgefühlen. Um diese abzureagieren, d.h. Genugtuung zu erwirken und zwecks Vergeltung von Schuld trifft er die Entscheidung, eine dritte unbeteiligte Person zu ermorden bzw. durch Anstiftung zum Mord töten zu lassen.

Hier wird deutlich, dass die innere Logik der christlichen Erlösungsmystik

 

1.

nur in der Konnotation von Schwerkriminalität kategorisierbar ist,

2.

nicht weise ist und

3.

nicht funktioniert.

 

Nicht funktionieren kann, sondern trotz bester Absichten schlimmstenfalls das krasse Gegenteil ihrer vorgeblich edlen Zielsetzung verursacht.

 

Die Erblast der Ideologie Moses,  der menschenverachtenden Gleichschaltung eines ganzen Volkes, der fanatischen Linientreue,  der Säuberungen im Innern (Num. 16 + 17) und des totalen Krieges und der Aufhetzung zum Völkermord nach außen (Gottes Genozid-Gebote: Dtn. 7, 1 - 11), hatte als Blaupause fungierend und als tradierter Bestandteil der abendländischen paradigmatischen judaistisch-christlichen Prägung die westlichen Nationen vom Frühmittelalter an bis in die Neuzeit dispositionell anfällig für totalitäre und katastrophal verlaufende geschichtliche Prozesse gemacht.

 

Das Konzept des mosaischen Heiligen Krieges des auserwählten Volkes Gottes zerfiel in drei Teile:

 

Erstens stellte man sich vor, dass auf spiritueller Ebene Jahwe seinen Heerscharen voranschreitend die Schlacht schlägt.

Zweitens erfolgte das eigentliche Kampfgeschehen, welches die Schlacht Gottes nur mehr nachvollzog.

Der dritte Teil war die Vollstreckung des Banns, welche als Blutritual im Sinne einer kultischen Opferhandlung (und nicht aus Rache oder Hass) eine rituelle Vernichtungweihe allen menschlichen und tierischen Lebens bedeutete.

Und damit von seiner konzeptuellen Zielsetzung auch Frauen und Neugeborene mit einschloss aber definitiv menschliche Regungen wie Vernunft und Mitgefühl und Ethik ausschloss.

„ ... Alles  was  Odem  hatte“,  selbst  Haustiere,  war „mit  der  Schärfe  des  Schwertes“  hinzurichten, es war ein totales sinnloses Schwelgen in Blut.

Der mystische Überbau dieses Holocausts war eine rituale Heiligmachung, bei der dem Lebengeber Gort Jahwe dieses Leben zurück übereignet werde.

Darüber hinaus auch erbeutetes Edelmetall für die eigenen kultischen Zwecke.

 

Dtn. 7, 1: „Wenn dich Jahwe, dein Gort, ins gelobte Land bringt, in das du kommen wirst, es einzunehmen, und ER ausrottet viele Völker vor dir her, die Hetiter, Girgaschiter, Amoriter, Kanaaniter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, sieben Völker, die größer und stärker sind als du, und wenn sie Jahwe, dein Gort, vor dir dahingibt, dass du sie schlägst, so sollst du den Bann an ihnen vollstrecken ...“

 

Josua 10: „... An diesem Tag eroberte Josua auch Makkeda und schlug es mit der Schärfe des Schwertes samt seinem König und vollstreckte den Bann an der Stadt und an allen, die darin waren, und ließ niemand übrig und ... kämpften gegen Libna ... und schlugen die Stadt mit der Schärfe des Schwertes und alle, die darin waren und ließ niemand darin übrig ... und vollstreckte den Bann an allem, was Odem hatte, wie Jahwe, der Gort Israels, geboten hatte ... und er verbrannte Hazor mit Feuer ... und vollstreckte den Bann an ihnen, wie Mose, der Knecht Jahwes, geboten hatte....“ ... Und das geht ewig so weiter ...

 

Unbegreiflicherweise beansprucht das Christentum die Mystik der Auserwähltheit als Volk Gottes als Erbe für sich und definiert sich in der Kontinuität mit seinem mosaischen Gesetz und seiner blutrünstigen Geschichte.  Mit der Begründung, dass sich die antiken Juden als nicht würdig erwiesen haben.

 (Lk.1 20, 9 - 19, Apg. 4, 10 - 12)

 

Was die spirituelle Hypothek dieser Erblast für Europa und weltweit bedeutete, davon erzählen die Myriaden geopferter Ketzer, Häretiker, Hexen, Juden, Zigeuner, politisch Verdorbene ... In den letzten 3,5 Jahrtausenden sind die schrecklichsten Massaker, Volksverhetzungen bis hin zu Genoziden mit der Heiligen Schrift gerechtfertigt worden. Bei einer linearen, direkten und ungebrochenen 1 : 1 - Rezeption, die die Bibel in ihrer nicht nur im Subliminalen situierten apokalyptischen Tendenz zugegebenermaßen aber auch nahe legt.  Wobei die oben zitierten göttlichen Genozid-Gebote und die dazugehörigen Kriegsberichte von treu ergebenen Befehlsempfängern Gottes des Altertums in Gehorsamkeit ausgeführter Gräueltaten, nicht mehr interpretationsfähig sind. Hier wird bereits das Faktische reportiert.

 

Und dem unterliegt ein Paradigma der totalen Menschenverachtung und der totalen Kriegführung.

Zu welchem Ende führt ein Paradigma / eine Religion, welche im Totalen Krieg und im Holocaust wurzelt?

 

Das Kernthema im Alten Testament ist, dass sich der Herrgott in der Politik des auserwählten Volkes paradigmatisch geoffenbart hatte.

Damit stellt sich aus christlicher Sicht die Frage, warum sich Gort so unmissverständlich bis zur Kenntlichkeit missverständlich ausdrückt?

Ist Gort am Ende so zu verstehen, wie ER sich darstellt?

 

Jesus nimmt im Neuen Testament über 80 mal auf Mose Bezug. Und lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er sich in der Kontinuität des bluttriefenden Alten Testaments stehend versteht.

Mit welcher rationalen oder psychologischen Begründung ist kraft einer solchen verhängnisvollen spirituellen Verstrickung irgend etwas Positives zu erwirken oder mittels eines solchen abstrusen Mystizismus des Grauens „Erlösung“ zu antizipieren?

Download PDF

Download Word