Materialien
zum Ethikunterricht
Prof.
Dr. Vallabhbhai J. Patel wurde 1934 in Indien geboren, hat Zoologie und Medizin
studiert. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit in Deutschland befasste er sich in
zahlreichen Vorträgen mit philosophischen Themen. Sein Buch „Das Glück liegt
diesseits des Todes“ (ein-FACH-Verlag Aachen, 1998, Reihe Lebendige
Philosophie, ISBN 3-928089-20-X) widmet sich der Notwendigkeit einer
rational begründeten Ethik und dem Glück als Leitmotiv menschlichen Handelns.
Der folgende Vortrag über den Buddhismus wurde am 1. April 2006 in Neuburg ad
Donau gehalten.
V.J. Patel, Schloss Grünau, 86633 Neuburg / Donau, Tel.: 08431/49250
Zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen:
kennt keinen Gottesbegriff. Im Hinduismus wirkten gleichfalls atheistische weise Männer.
Christentum.
Wie kommt es, dass 500 v. u. Z. der Buddhismus entstehen konnte? Wie war die religiöse Situation in der damaligen Zeit?
Zunächst die Ketzer. Sie galten als weise Männer, auch wenn sie zeitweilig die Brahmanen, d.h. die Priester, mit scharfen Zungen attackierten. Sie wurden aber nicht geächtet oder verbrannt, sondern als Denker respektiert. Die Könige luden sie ein an ihre Höfe, wo sie mit den Orthodoxen disputierten.
Das war das Zeitalter der Upnishadas. Ihre Bücher, darunter auch ketzerische, wurden 800 - 500 Jahre v. u. Z. geschrieben. Im Chandogya Upnischad wird die strenggläubige Geistlichkeit jener Zeit mit einer Prozession von Hunden verglichen.
Die Svasamveda Upnischad verkündet: Es gebe keinen Gott, keinen Himmel, keine Hölle, keine Widergeburt. Die Vedas und andere Upnischaden seien das Werk eingebildeter Narren. Das von blumigen Reden verführte Volk klammere sich an Götter, Tempel und „Heilige Männer“, obgleich zwischen Vischnu (dem höchsten Gott) und einem Hund eigentlich gar kein Unterschied besteht.
Der große heilige Virochana, der seine Ansichten vom großen Gott Prajapati persönlich empfangen haben will, lehrte eine höchst aufrührerische Lehre.
Er sagte: „Das eigene Selbst soll hier auf Erden glücklich gemacht und gepflegt werden. Wer sich selbst glücklich macht, erlangt beide Welten, diese und die nächste.
Dann gab es so genannte „Nastikas“. Das waren die Neinsager, Nihilisten, Agnostiker und Atheisten.
Sangaya, ein Agnostiker, wollte ein Leben nach dem Tode weder anerkennen noch verneinen. Ajita, ein Materialist, sah im Menschen nur ein Gemisch von Erde, Wasser, Feuer und Wind. Er lehrte: „Tore und Weise werden alle bei der Auflösung des Körpers dahingerafft und vernichtet. Nach dem Tode sind sie nicht mehr“.
In dem Epos Ramayana (4. Jahrhundert v. u. Z.) verspottet der Skeptiker Jabali den Rama, weil der sich als eine Inkarnation des höchsten Gottes Vishnu ausgab.
Ich zitiere nur ein paar Sätze von ihm, die er Rama persönlich entgegen geschleudert haben soll:
„Warum lassest du, oh Rama, von müßigen Geboten dein Herz so bedrängen? Sind`s doch die Gebote, die Dumme und Blöde täuschen!“.......
„Listige Priester erfanden Gebote und sagen mit eigensüchtigen Sinnen: Gib deine Gabe, tue Buße und bete, lass fahren die irdische Habe!“.......
„Nicht gibt es ein Jenseits, oh Rama, vergeblich ist Hoffen und Glauben. Genieße dein Leben allhier, verachte das ärmliche Blendwerk!“..........
Die Schriften der meisten Washikas sind nicht erhalten geblieben. Allein die Schmähschriften ihrer Widersacher geben uns Auskunft über ihr Wirken.
Der älteste bekannte Nihilist war Brihaspati, von ihm ist nur ein einziges Gedicht erhalten geblieben. Hier ein paar Zeilen daraus:
„Es gibt keinen Himmel, keine endgültige Befreiung, keine Seele, keine andere Welt, keine Kastenriten“......
„Wie kann der Körper, so zu Staub gewandelt, auf Erden wieder erscheinen? Und wenn ein Geist zu anderen Welten reiset, warum bringt ihn nicht die starke Zuneigung für jene, die er hinterlässt, zurück? Die teuren Riten - jenen, welche sterben, auferlegt - sind nur ein Unterhalt, von priesterlicher List geschaffen - und weiter nichts“........
„So lange Leben dauert, sei es leicht und froh gelebet. Ein Mann soll Geld von allen Freunden leihen und Feste feiern!“.....
Aus den Aphorismen Brihaspatis ging eine eigene materialistische Schulrichtung hervor. Diese Materialisten wurden nach einem ihrer Vordenker „Charvakas“ genannt.
Sie verkündeten unter anderem:
„Die Seele ist eine Täuschung, in Folge dessen ist ihre endgültige Vereinigung mit der Weltseele „Brahman“ reiner Unsinn. Wir können weder selbst noch in der Geschichte ein Eingreifen übernatürlicher Kräfte in der Welt beobachten. Alle Phänomene sind natürlich, nur Einfaltspinsel schrieben sie Dämonen oder Göttern zu. Die Materie ist die einzige existierende Wirklichkeit. Der Körper ist lediglich denkende Materie und besteht aus einzelnen Atomen. Wer hat jemals die Seele in einer vom Körper getrennten Existenz gesehen?
Es gibt keine Unsterblichkeit oder Wiedergeburt. Religion ist eine Geistesverwirrung, eine Krankheit oder eine Schikane. Mit der Annahme eines Gottes kann man die Welt weder erklären noch begreifen.
Die Menschen halten die Religion nur deswegen für notwendig, weil sie daran gewöhnt sind und ein Gefühl des Mangels und einer trostlosen Leere erfahren würden, sobald das Wachsen des Wissens diesen Glauben zerstört.
Auch die Moral ist etwas natürliches; sie beruht auf gesellschaftlicher Übereinkunft und Angemessenheit. Kein göttlicher Befehl hat jemals Einfluss auf sie.
Die Natur verhält sich gegenüber Gut und Böse, Laster und Tugend gleichgültig und lässt die Sonne auf Schurken und Heilige gleichermaßen scheinen. Zweck des Lebens ist es, zu leben, und die einzige Weisheit ist die Glückseeligkeit“........
Diese revolutionäre Philosophie der Charvakas setzte dem Zeitalter der Veden und Upnischaden ein Ende. Sie schwächte den Einfluss der Brahmanen auf die Geisteswelt Indiens und hinterließ in der indischen Gesellschaft eine Leere, die das Entstehen einer neuen Religion nahezu zwangsläufig herauf beschwor. Dieses Vakuum versuchten zwei neue Religionen, der Jainismus und Buddhismus, um 500 v. u. Z. auszufüllen.
Die Materialisten hatten ihre Arbeit jedoch so gründlich getan, dass die beiden, zum Ersatz des alten vedischen Glaubens angetretenen Glaubensrichtungen, so sonderbar es auch klingen mag, vom Wesen her atheistisch orientiert waren.
Es ist schwer, die gesellschaftlichen Verhältnisse von damals, also vor 2.500 Jahren, genau zu rekonstruieren. Sicher ist jedoch, dass die indische Kultur einen bis dahin nie gekannten Höhepunkt erreicht hatte. Große Städte wurden gebaut, Handel und Gewerbe gediehen und schufen eine gewichtige ökonomische Basis. Wahrscheinlich war es der Reichtum Indiens, der die Entstehung des Epikureismus und des Materialismus im 7. und 6. Jahrhundert v. u. Z. begünstigte.
Religionen gedeihen nicht im Wohlstand! In unserer heutigen Gesellschaft ist das auch nicht anders.
Der Verfall der alten Religionen, die die Moral mit Zuckerbrot und Peitsche durchzusetzen versuchten, war nicht mehr aufzuhalten. Im ethischen Skeptizismus fand sich der Nährboden, auf dem neue Religionen, wie der Buddhismus, gedeihen konnten. Nicht zuletzt beschleunigten religiöse Reaktionen gegen hedonistische Glaubensbekenntnisse einer emanzipierten und weltenfrohen Klasse von Müßiggängern diesen Prozess des geistigen Wandels.
Das waren also im Großen und Ganzen die Ursachen, die zu einer Neuorientierung der indischen Geisteswelt führten.
Wer war nun eigentlich Buddha?
Siddhartha oder Sarvarthasiddha Gautama, wie er mit historischem Namen hieß, wirkte um das Jahr 500 v. u. Z. als Religionsstifter im nördlichen Vorderindien. „Buddha“ bedeutet der „Erwachte“ oder der „Erleuchtete“. Diese Bezeichnung ist kein eigentlicher Name, sondern ein Titel wie „Pfadvollender“ oder „Sieger“, die neben anderen dem Religionsstifter früh beigelegt wurden. Jeder von uns kennt die Bezeichnung Buddha, während der Familienname des Buddha weitaus weniger bekannt ist. So sehr ist im Buddhismus die irdische Persönlichkeit Gautamas mit der Zeit zurückgetreten. Aus einer in den ältesten Texten noch durchaus greifbaren Gestalt ist im Laufe der Entwicklung des Buddhismus aus Siddhartha eine legendär verklärte Persönlichkeit geworden.
Buddhas Vater herrschte als unbedeutender König über ein Gebiet an der Grenze zwischen dem heutigen Nepal und Indien. Damals gab es diese Grenze nicht.
Die Legende erzählt, dass die Mutter von Buddha eines nachts träumte, ein leuchtend weißer Elefant mit sechs Stoßzähnen und einer Lotusblume im Rüssel sei in ihrem Palast erschienen. Ehrerbietig drehte er drei Runden um sie und trat schließlich von der rechten Seite in sie ein. Daraufhin wurde sie schwanger.
Die Parallele zur Schwängerung Marias durch den heiligen Geist ist wohl kaum zu übersehen! Die herbeigerufenen Priester verkündeten:
Königin Maya habe einen außergewöhnlichen Sohn empfangen, der entweder als großer König regieren oder der Welt entsagen und den Menschen den Weg in das Reich des ewigen Friedens weisen wird.
Nach der Geburt ließ der König einen großen Palast erbauen, wo es dem Sohn an nichts ermangelte. Er lebte in Saus und Braus, Leid kannte er keines. Als er Mannesalter errreicht hatte, verlangte er, dass er den Palats verlassen und in die Stadt spazieren gehen dürfe. Hier sah er zum ersten Male all die Armut, Krankheit, Altersgebrechlichkeit und sogar Tote. (Der Tod ist der Ausgangspunkt aller Religionen. Wenn es keinen Tod gäbe, hätte es vielleicht auch keine Götter gegeben.)
Dieses Erlebnis war für Buddha der Beginn seiner Erleuchtung. Er wollte die Menschen vom Leid befreien. Um das zu erreichen, bat er seinen Vater, in die Einsamkeit ziehen zu dürfen. Er entsagte äußerlich der Welt und wurde Mönch. Heilige und Gurus, die er aufsuchte, konnten ihm keine befriedigenden Antworten auf seine Fragen geben. Auch Fasten, Askese, Selbsterniedrigung etc. brachten Gautama keine neuen Erkenntnisse. Schließlich beschloss er, sich unter einen Baum zu setzen und dort so lange nachzudenken und zu meditieren, bis er die Wahrheit erfahren würde. Mara - der Böse, welcher zu jenen Göttern gehört, die die Wurzeln des Guten einst abgerissen haben, eine Art Teufel also - versuchte mit seinen Heerscharen, seinen Söhnen und schönen Töchtern Buddha zu verführen oder ihn zum Selbstmord zu verleiten.
Schließlich durchlief Buddha vier Stufen der Meditation und erlangte so die höchste Erleuchtung. Danach begab er sich auf Wanderschaft, um seine neue Lehre zu verkünden und zu predigen.
Was waren die Grunderkenntnisse Buddhas?
Er meinte, dass das Leben Leiden sei, Leiden wiederum von Begierden herrühren und dass die Weisheit darin liege, alle Begierden zum Schweigen zu bringen. Man löscht die Lebensgier aus und zerbricht damit das leidvolle Rad der Wiedergeburt. So erlangt man Nirwana, wo alles aufhört und nichts beginnt.
Er war ein Freund des Friedens. Gleich Lao-tse oder Christus, wollte er Böses mit Gutem, Hass mit Liebe vergelten.
Wörtlich sagte er:
„Wenn mir ein Mensch törichterweise Unrecht tut, so will ich ihm meine Liebe anbieten. Je mehr Böses von ihm kommt, desto mehr Gutes soll von mir kommen“......
„Überwinde deinen Zorn durch Herzlichkeit, Böses durch Gutes“…
„Sieg erzeugt Hass, denn der Besiegte ist unglücklich“….
„Niemals in der Welt hört Hass durch Hass auf, Hass hört nur durch Liebe auf“.....
Als seine Schüler ihn baten, seine Auffassung vom gerechten Leben klarer zu definieren, formulierte er die „fünf Sittengesetze“.
Diese fünf Gebote werden an einer anderen Stelle als achtfacher Pfad beschrieben.
Analyse und Kommentare:
Die nachfolgenden Ausführungen sind meine persönliche Meinung, für mögliche Denkfehler oder Fehlinterpretationen bin ich demzufolge allein verantwortlich.
Der Religionsbegriff von Buddha war ein rein ethischer. Er kümmerte sich ausschließlich um das Verhalten. Wie Konfuzius blieben auch ihm Ritual oder Kult gleichgültig.
Buddha war in der Religionsgeschichte eine starke Persönlichkeit und zählt bis heute zu den einflussreichsten Denkern der Menschheit. Er gründete eine Weltreligion, verweigerte aber zugleich eine Diskussion über Ewigkeit, Unsterblichkeit oder Gott. Andererseits meinte er, Beten sei sowieso sinnlos, weil es die Naturgesetze sind, die unser Leben bestimmen. Durch Beten können diese nicht verändert werden.
Das Unendliche ist nach seiner Ansicht ein Mythos, eine Erfindung von Philosophen und Theologen, die nicht genug Bescheidenheit besitzen, um einzugestehen, dass ein Atom niemals den Kosmos verstehen kann. Er belächelt die Debatten über die Endlichkeit oder Unendlichkeit des Universums, gerade so, als ob er die sinnlose Astromythologie der Physiker und Mathematiker, die heute über dieselbe Frage diskutieren, vorausgeahnt hätte. Viele Fragen sind ihm überhaupt nicht wichtig oder aktuell. Es sei sinnlos, darüber zu diskutieren, ob die Welt einen Anfang oder ein Ende hat, ob die Seele das Gleiche ist wie der Körper oder sich von ihm unterscheidet, ob große Heilige irgendeine Belohnung in irgendeinem Himmel zu erwarten haben. Er nennt solche Fragen Verwirrung der Spekulation und will nichts damit zu tun haben. Sie führen nur zu fiebrigen Disputationen, zu persönlichen Verstimmungen und zum Leid. Frömmigkeit und Zufriedenheit liegen nicht im Wissen über das Universum und Gott, sondern einfach in der alltäglichen selbstlosen Wohltätigkeit.
Mit manchem kann man einverstanden sein, aber manche Thesen behagen mir nicht. Ich will mich nur in Form von Fragen dazu äußern.
Soll man nicht weiter über das Universum nachdenken und forschen?
Hätte man, wäre man Buddha gefolgt, die Relativitätstheorie entwickelt? Oder die Quanten-Physik?
Kann der Mensch selbstlos sein oder ist er im Grunde ein Egoist?
Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt genügend Punkte, über die man sich Gedanken machen und diskutieren kann.
Buddha hat halt andere Prioritäten gesetzt.
Eine Erforschung des Universums war damals nicht möglich, also wäre nur Spekulation übrig geblieben, hätte man sich mit diesem Thema befasst. Insofern war er ein Realist.
Sozial gesehen, hat er viele Verdienste aufzuweisen. Er hat das Kastenwesen aufgehoben und alle Menschen auf eine gleiche Stufe gehoben.
Es gab keine Unberührbaren bei ihm. Frauen waren gleichberechtigt.
Er verbietet den volkstümlichen Götterkult nicht, lächelt aber zugleich über die Idee, Gebete zum Unerforschlichen hinauszusenden.
Er predigte: „Es ist töricht anzunehmen, dass ein anderer über Glückseligkeit oder Elend entscheidet. Glück und Elend sind immer das Ergebnis unseres eigenen Verhaltens und unserer eigenen Wünsche. Deswegen ist Beten sinnlos. Unser Leben wird durch Naturgesetze bestimmt, die durch Beten nicht verändert werden können.“
„Die Seele ist ein Mythos“, sagt er, „den wir uns ungerechtfertigterweise zur Bequemlichkeit unseres eigenen, unzulänglichen Hirns ausgedacht haben. Nur die Sinnesempfindungen und
–wahrnehmungen selbst sind Wirklichkeit. Selbst unser kostbares Ich besteht aus sittlichen Gewohnheiten, Veranlagungen und Neigungen des Organismus. Da spielen Vererbung, Umwelt und Umstände eine Rolle. Die Seele, also das Ich, ist nur ein von hilfloser Vererbung und vergänglicher Erfahrung geformter Charakter, ein Vorurteil. Schon deshalb kann sie nicht unsterblich sein.
Da kommen bei einigen sicherlich gewisse Zweifel auf.
Wenn dem so ist, wenn es keine Seele gibt, die ein Ich definiert, wie kann es dann eine Wiedergeburt geben?
Er bezieht dazu keine Stellung. Dies ist sicherlich ein Schwachpunkt in seinen Thesen.
Buddha hatte einfach den Glauben an Wiedergeburt und Karma vom Hinduismus übernommen. Das war für ihn wahrscheinlich etwas Selbstverständliches und wurde nicht in Frage gestellt. Sein ganzes Denken konzentrierte sich darauf, wie man dem Rad der Wiedergeburt entrinnen und ins Nirwana eingehen konnte.
Ein zweiter Schwachpunkt ist nach meiner Ansicht, dass das Leben nur aus Leid bestehen soll. Das war sein Ausgangspunkt.
Dem kann ich nicht zustimmen.
Ich finde, das Leben ist schön. Sicher gibt es auch manches Leid. Sehr viel aber kann vermieden werden.
Buddhas pessimistischen Ansatz kann ich nicht ganz nachvollziehen. Er empfiehlt die Abkehr von Begierden, eine vollkommene Wunschlosigkeit.
Ist aber der Wunsch, keine Wünsche zu haben, nicht auch ein Wunsch?
Wie in vielen andere Religionen, beherbergt auch der Buddhismus eine gewisse negativ egoistische Komponente.
Man soll das eigene Heil suchen, sich zurückziehen aus der Welt, keine Wünsche haben usw. Ist das nicht inhuman egoistisch?
Wenn ich das Leid der Welt erblicke, kann ich mich dann als Humanist mit gutem Gewissen zurückziehen und nur um mein eigenes Heil kümmern? Ist es nicht meine Pflicht, mich sozial zu engagieren, um das Leid zu mildern?
Buddha hat gesagt, dass man keinem Lebewesen Leid antun soll.
Klingt edel, sind aber Pflanzen nicht auch Lebewesen? Darf man sie bei lebendigem Leibe kochen und essen? Dürfen Buddhisten im Falle einer Lungenentzündung oder anderer Krankheiten Antibiotika einnehmen? Denn die Bakterien, gegen die sich die Medikamente wenden, sind auch Lebewesen.
Das ist zwar ein banaler Einwand, und Buddha konnte damals davon nicht wissen.
Das wäre eine Erklärung.
Aber wie ist es mit den heutigen Buddhisten, die sich auch außerhalb Asiens, im „gebildeten“ Europa oder Amerika, zunehmend ausbreiten?
Sie wissen ganz sicher, dass Pflanzen und Bakterien ebenfalls Lebewesen sind.
Nun gut.
Für damalige Zeiten hat Buddha eine unwahrscheinlich intellektuelle Leistung hervorgebracht. Er hat für sich nie einen Gottesstatus in Anspruch genommen.
Bezeichnend ist, was er seinen Anhängern sagte: „Oh, ihr Mönche, glaubet nicht an meine Lehre, nur weil ich es euch sage, sondern prüfet nach, ob das, was ich da sage, euch auch richtig und weise erscheint“.
Das finde ich viel weiser als das, was Jesus meinte, indem er sagte oder gesagt haben soll: „Wer meine Worte höret und mir nicht folget, bei dem wird ein Heulen und Zähneklappern sein“.
Was ist aus der Lehre Buddhas geworden? Wie hat sich der Buddhismus in 2500 Jahren weiterentwickelt?
Der Buddhismus breitete sich rasch aus. Die Mönche hatten im Gegensatz zum Hinduismus einen Missionierungsauftrag. Buddhas Schüler bereisten nicht nur Indien sondern ganz Asien. Sie verbreiteten den Buddhismus in China, Japan, Sri Lanka, Nepal, Bhutan, Tibet und im gesamten südostasiatischen Raum. Dabei verschmolz die neue Lehre mit lokalen Religionen und änderte sich erheblich. In Japan, China und anderen Ländern wurden örtliche Glaubensvorstellungen aufgenommen oder umgekehrt.
So hat der dickleibige lachende chinesische Buddha (jap. Hotei, chin. Budai oder Putai) mit dem asketischen mageren Erleuchteten aus Indien wenig gemeinsam.
In Indien selbst entfaltete sich der Buddhismus zunächst rasant. Nachdem der mächtige König Ashoka im Jahre 280 v. u. Z. nach einer Schlacht im südlichsten Indien die Sinnlosigkeit des Tötens eingesehen hatte und sich offiziell zum Buddhismus bekannte, folgten viele seinem Beispiel und schlossen sich dem neuen Glauben an. In Indien übernahmen die Hinduisten viele der neuartigen Lehren und machten Buddha zu einem der ihren, so dass der reine Buddhismus in Indien als selbstständige Religion kaum noch zu finden ist.
Außerdem war auch die Priesterkaste, die Brahmanen, nicht untätig geblieben. Sie sahen ihre Vormachstellung gefährdet, da Buddha gegen das Beten war, Gott und Kastenwesen ablehnte. Die Brahmanen ließen das große Epos Mahabharata und zu einem späteren Zeitpunkt Bhagwad-Gita, das heißt den „Gesang des Erhabenen“ schreiben, der in das Mahabharata eingeschmuggelt wurde. Darin sagt Gott Krishna, dass er der höchste Gott sei. Er habe das Kastenwesen geschaffen und eine Erlösung kann nur durch seine Anbetung erreicht werden. Die große Masse folgte ihm, da das Beten ein weitaus weniger anstrengender Weg ist, als die ernsthafte Beschäftigung mit dem intellektuellen Buddhismus.
Wie in allen anderen großen Religionen auch, gibt es im Buddhismus mehrere Schulen und Richtungen. Analog zur katholischen, orthodoxen und evangelischen Kirche im Christentum sind es vor allem drei Hauptgruppierungen, aus denen wiederum verschiedene Unterschulen hervorgegangen sind.
Der Urbuddhismus Therawada ist sehr streng und wird mit mönchischem Rigorismus praktiziert.
Hinayana heißt „Das kleine Fahrzeug“. Nach dieser Lehre kann nur eine kleine Gruppe von Mönchen und Nonnen sofort nach ihrem Tode aus dem Kreislauf der Wiedergeburt erlöst werden.
Mahayana bedeutet „Das große Fahrzeug“. Nach dieser Lehre kann die Erlösung nicht nur den Mönchen und den Nonnen zuteil werden, sondern auch den einfachen Menschen, wenn sie dem Weltenheiland vertrauen. Es versteht sich wohl von selbst, das der Mahayana-Buddhismus die größte Schulrichtung darstellt und die größte Anhängergemeinde besitzt.
Die dritte Schulrichtung ist der außerhalb Asiens kaum bekannte Vajrayana-Buddhismus, (Vajrayana - „Diamantenes Fahrzeug“). Er hat viel vom orthodoxen Hinduismus übernommen, z.B. Riten, heilige Sprüche usw.
Es gibt noch viele weitere Schulen.
Da wäre kurz der Lamaismus zu nennen, der als Schule seit der Vertreibung des Dalai Lama aus Tibet im Westen einen besonders hohen, von der Politik geschürten Bekanntheitsgrad genießt. Diese Schule ist ein Ableger des „Diamantenen Fahrzeugs“.
Lama bedeutet wörtlich übersetzt „Lehrer“ oder „vornehmer Mönch“. Als Erleuchteter gibt der Dalai Lama die Lehre weiter. Er gilt als Inkarnation Buddhas und wird als solcher von den Gläubigen angebetet.
Ich komme nun zum Schluss!
Auch im Westen ist der Buddhismus inzwischen ziemlich populär geworden. Schon der pessimistische Schopenhauer zeigte sich vom Buddhismus tief beeindruckt und hat vieles von dessen Gedankengut in sein philosophisches Weltbild übergenommen. Hermann Hesse schrieb das millionenfach gelesene Buch Siddharta, in der VHS können Sie Kurse in Zen-Buddhismus belegen, in buddhistischer Weise meditieren usw.
Ich selbst kenne mehrere Europäer, die nicht nur mit dem Buddhismus sympathisieren, sondern selbst Buddhisten geworden sind.
Buddha war ein Atheist!
Er hat sich gegen das Beten ausgesprochen!
Was tun viele seiner Anhänger jetzt?
Sie beten Buddha, den Atheisten, an, konstruieren sogar Gebetsmühlen!
Wenn Buddha wüsste, was seine Anhänger aus seiner Lehre gemacht haben, würde er sich im Grabe umdrehen.
Verzeihung!
Er ist ja gar nicht begraben, er ist verbrannt worden, seine Asche hat der Wind wie Samenkörner in alle Richtungen verstreut.
Vielleicht ist seine Asche auch nur hochgestiegen, und Buddha sitzt nun im nicht vorhandenen Himmel und lächelt wehmütig über die Dummheit der Menschen.
Seine Anhänger murmeln inzwischen weiter ihr „Om, mani Padma hun“ (Om, Juwel im Lotus) oder „ namu amida butsu“, die japanische Anbetungsweise des Amida-Buddha.
V.J.Patel, März 2006
Autor: Sven Höfler
1.Allgemeines
- (Buddha: sanskrit: der Erwachte,
Erleuchtete); Ehrentitel für Siddhartha Gautama (um
563 bis ca. 486v.Chr.),in Kapilavastu, heutigem Nepal geboren
- innerhalb versch. Quellen Übereinstimmung im erreichten Alter (80)
- wo Buddhismus Staatsreligion irdische
Existenz Buddhas als Zeitraum zwischen 623 v.
Chr. und 543 aufgefasst -> von meisten westl. und ind. Historikern
angezweifelt
- älteste Quellen 2 untersch. Chronologien:
1. beruht auf singhalesischen Texten, besagt Buddha sei um 273 v. Chr. ins
Nirwana
gegangen
2. (von allen chines. und Sanskrit-Überlieferungen bestätigt) Buddha sei 100
Jahre
vor König Ashokas Amtsantritt gestorben
- infolge vieler Mythen und Legenden objektive
Fakten nur schwer von Geschichten
trennbar
- meisten buddh. Überlieferungen vertreten
These Buddhas Leben sei die letzte
Inkarnation in einer Reihe verschiedentlich bezeugter Existenzen
- für Mahayana-Buddhismus Buddha Ausdruck
einer allumfassenden kosmischen
Erleuchtung
- Erzählungen & Wundergeschichten über Buddha
ebenso wichtig wie seine Worte
und Taten
2.Kindheit und Jugendjahre
- als Sohn Königs aus Adelsgeschlecht der Shakyas, Namensgebung: Siddharta
- nach Erleuchtung Beinamen Shakyamuni (Weltflüchtige aus der Shakya-Dynastie)
- Legende: Mutter träume vor Geburt von Elefanten, der in sie eindrang
- Starb nach Geburt, Si. von Vater und
Stiefmutter erzogen, Neigung zur Meditation->
Vater dagegen, wollte Krieger und Herrscher, keinen Philosophen
- Si. mit 16 mit Shakya-Prinzessin, Cousine,
verheiratet; nahm dann aktiv Anteil am
höfischen Leben
- Si. gab Sohn Namen Rahula (Fessel)
- Erleuchtung mit 29: begegnete nacheinander
Greis, Kranken, Leichenzug -> erkannte,
dass Leid & Vergänglichkeit zur mensch. Existenz gehörten
- später heiteren, in sich ruhenden
Bettelmönch begegnet -> Entschluss Fam. Besitz,
Macht für Suche der wahren Erkenntnis aufzugeben => verließ alle, wanderte
als Bettler
durch Nordindien
- nachdem 6 Jahre lang unter strenger Askese
nach Erleuchtung gestrebt, Nutzlosigkeit
seines Tuns bewusst geworden
- -> schlug grundsätzlich anderen Weg ein =>
mittlere Weg zwischen Extremen Überfluss
und Askese = Versenkung als Lösung von der Welt
3.Die Erleuchtung
- mit 35, als er in Gaya unter Feigenbaum meditierte
- Legende: Gautama ließ sich eines Abends dort
nieder, um nicht eher aufzustehen, als bis
Nirwana erreicht; erst Besuch vom Dämonenheer der Mara (Verkörperung der
Sinnlichkeit) -> konnte Meditation nicht stören
- Folgenden Nacht durchlief versch.
Bewusstseinsstufen, erhielt Gewissheit über seine
früheren Leben & ,,göttliche Auge" (> kann Reinkarnation aller verfolgen);
erfuhr die
,,Vier edlen Wahrheiten", um diese zu erkennen ,,Achtfachen Pfad"
beschreiten
4.Buddha als Lehrer
- Nach dem Entdecken und Vervollkommnen des
Dharma (Gesetz) wollte er es verkünden
-> ging zu ehemaligen Schülern nach Benares
- akzeptierten ihn als Lehrer, folgten ihm als Mönche
- kurze Zeit später ersten Lehrvortrag
,,Predigt von Benares" oder buddhistische
Bergpredigt, enthielt die Grundgedanken des Buddhismus
- Reiste mit Schülern durch Gangestal,
verkündete Lehre, sammelte Anhänger, gründete
Brudergemeinschaften, die jeden aufnahmen
- Kehrte kurz in Heimat zurück um Familie zu bekehren
- Wohlhabender Gönner finanzierte Bau Klosters
in Savatthi, -> Hauptsitz und Zentrum
seiner Lehrtätigkeit; weitere Stätten in Orten entlang des Ganges
- Ebenso Höhen und Tiefen: rivalisierende
relig. Gruppen kritisierten ihn und Lehre;
Vetter und Schüler Buddhas wollte Rache, da er es nicht schaffte die Leitung
der
Mönchsgemeinschaft zu übernehmen
5. Buddhas Tod
- in Kusinagara (Nepal) an Lebensmittelvergiftung
- sah nahes Ende voraus, wollte aber keine
genauen Anweisungen bezüglich der
Organisation und Verkündung seiner Lehren geben
- war der Meinung seinen Anhängern die zur
Erlangung des Heils notwendigen Schritten
bereits vermittelt zu haben
- wurde eingeäschert und Asche in 8 Stupas (Sakralbauwerke) aufbewahrt
Vier edle Wahrheiten
- = 4 Grundsätze des Buddhismus
- Wahrheiten sind:
1. Die edle Wahrheit vom Leiden: alles ist Leiden
2. Die edle Wahrheit von der Entstehung des
Leidens: Der grund des Leidens ist
der Durst nach Lust, der Durst nach Werden und Dasein, der Durst nach
Vergänglichkeit
3. Die edle Wahrheit von der Aufhebung des
Leidens: Das Leiden kann durch
Aufhebung des Durstes durch restloses Vernichten des Begehrens aufgehoben
werden
4. Die edle Wahrheit von dem Weg zur
Aufhebung des Leidens: Der Weg, der zur
Aufhebung des Leidens führt, ist der edle, achtteilige Pfad
- Gelten als
Schlüssel zur Erlangung des Nirwana, in allen Richtungen des
Buddhismus
Achtfacher Pfad
- Weg, das Leiden auszulöschen, somit ins Nirwana zu gelangen
- mittlerer zwischen Extremen der Maßlosigkeit und der Selbstkasteiung
- ist die Folge der inneren Erkenntnis des
Buddhisten, dass alles Sein Leiden ist, eine
Lebensweise dazu ausersehen, sein Leben von der Bürde des Karma zu befreien
und
damit die Befreiung aus dem endlosen Kreislauf der Wiedergeburt zu erreichen
- die Acht Elemente:
1. rechte Erkenntnis (~ der 4 edlen Wahrheiten)
2. rechte Gesinnung ( gute Gedanken fördern, schlechte vermeiden )
3. rechte Rede ( keine Lügen, Beleidigungen )
4. rechte Tat ( gute Taten, keine Schlechten )
5. rechter Lebenserwerb ( keine unmoralischen Berufe )
6. rechte Anstrengung ( Ziele setzen, die Mühen erfordern )
7. rechte Achtsamkeit ( alles bewusst erleben )
8. rechte Sammlung (Meditation )
- => letztendlich 3 Kategorien: Moral, Meditation, Weisheit
Dharma
- Sanskrit: Halt, Gesetz
- zentraler Begriff des Hinduismus, mehrere
Bedeutungen: bezeichnet Weltordnung,
gesellschaftliche Ordnung,...
- im Buddhismus Dharma = ewige Wahrheit, die
schon vor Buddha existierte und die
dieser wiederentdeckte und verkündete
- Dharma + Buddha + Sangha (Gemeinschaft der
Mönche) zusammen das Triratna (Drei
Juwelen) = Grundlage Buddhismus
- buddh. Dharma, bes. 4 edlen Wahrheiten, zur
Überwindung Unwissenheit (hält
Lebewesen im Kreislauf der Existenzen gefangen), also Heilmittel gegen
menschliche
Leiden
Devadatta
- Vetter & Schwager Buddhas
- Wollte 8 Jahre vor Buddhas Tod Leitung Mönchsgemeinschaft (Sangha) übernehmen
- Da Buddha keinen Leiter wollte, tut Devadatta sich mit Prinzen Ajatasattu zus.
- Einleitung 3 Mordanschlägen auf Buddha:
Attentäter, herunterfallender Felsblock,
Elefant
Der Buddhismus
- Erst Bewegung buddhistischer Mönche
innerhalb verherrschenden brahmanischen
Tradition
- Wurde bald zu eigener Richtung
- Buddha lehnte bed. Aspekte hinduistischen
Philosophie ab, brach mit Autorität der
Priesterschaft, verneinte Gültigkeit vedischen Schriften sowie den darauf
beruhenden
Opferkult
- Öffnete seine Bewegung allen Kasten, weil er
Gedanken ablehnte, dass spirituelle Wert
eines Menschen durch seine Geburt bestimmt sei
- 2 Hauptrichtungen: Theravada-Buddhismus und Mahayana-Buddhismus
- weltweit ca. 300 Mil. Anhänger, 99% in Asien
- leugnet nicht ausdrücklich Existenz der
Götter, räumt ihnen aber auch keine große Rolle
ein, da sie sich in gleiche Lage wie alle Lebewesen befinden, gehen auch Weg
des Todes
und der Wiedergeburt in eine mglweise niedrigere Daseinsform
- Götter nicht Schöpfer Universums, keine Macht über menschliches Schicksal
- Erleuchtung nur beim Mensch, da Götter von
Vergnügungen beansprucht und dabei
Notwendigkeit Erlösung vergessen, somit Welt der Menschen vorzuziehen
Kennzeichen des Daseins:
- Buddhismus analysiert empirische Person als
Einheit 5 Aneignungsgruppen / Bündeln:
physische Körper, Empfindungen, Wahrnehmungen, Geistesregungen, Bewusstsein
- Person aber nur 2-teilige Kombination
dieser, ständigen Wandel unterworfenen Gruppen
-> Person wandelt im Moment ihres Daseins
- Buddhisten lehnen es ab, Aneignungsgruppen
einzeln oder in Kombination als
beständiges, eigenständig exsistierendes Selbst oder als Seele (s. Atman)
anzusehen,
werten es als Fehler, Elemente, aus denen sich Individuum zus.setzt als
dauerhafte
Einheit anzusehen
- nach Buddha gesamte Dasein von 3 Kennzeichen
geprägt: Anatman (keine Seele),
Anitya (Unbeständigkeit), Dukkha (Leiden)
- Lehre von Anatman fordert somit Neuauslegung
der Indischen Idee vom
Wiedergeburtenkreislauf in Welt der Erscheinungen, also Samsara
- Entstehung der Lehre von Pratityasamutpada, oder von dem bedingten Werden
Nirwana:
- = Endziel buddhistischen Weges
- bedeutet aber nicht vollständige
Auslöschung, bloß nicht zu definierender
Bewußtseinszustand
- Individuum kann nach erreichen des N.
weiterleben und Reste alten Karmas erlöschen
lassen
- Mit Einsetzen Todes Endzustand, das vollkommene Nirwana (Parinirvana), erreicht
- ethischen Normen, die zum Nirwana führen losgelöst und nach innen gerichtet
- umfassen 4 tugendhafte Verhaltensweisen,
bekannt als Paläste des Brahma: Güte,
Mitleid, mitfühlende Freude, Gleichmut
- ethische Normen, die zu verbesserten Dasein
durch Wiedergeburt führen, beziehen sich
auf Erfüllung gesellschaftlicher Pflichten: Wohltätigkeitshandlungen, bes.
Unterstützung
Sangha; Einhaltung von 5 Geboten, die Kernstück des buddhistischen
Moralkodex bilden
= Verbot zu töten, zu stehlen, Vermeidung der Lüge, Enthaltung unkeuschem
Wandel,
Genuss von Rauschmittel
- durch Einhaltung der Gebote 3 Hauptwurzeln
des Bösen ( Gier, Hass, Verblendung )
überwindbar
Zusammenfassung
Buddha
- (Buddha: sanskrit: der Erwachte,
Erleuchtete); Ehrentitel für Siddhartha Gautama (um
563 bis ca. 486v.Chr.),in Kapilavastu, heutigem Nepal geboren, als Sohn
eines Königs
aus Adelsgeschlecht der Shakyas
- meisten buddh. Überlieferungen vertreten
These, Buddhas Leben sei die letzte
Inkarnation in einer Reihe verschiedentlich bezeugter Existenzen
- Erleuchtung mit 29: begegnete nacheinander
Greis, Kranken, Leichenzug -> erkannte,
dass Leid & Vergänglichkeit zur mensch. Existenz gehörten
- später heiteren, in sich ruhenden
Bettelmönch begegnet -> Entschluss Fam. Besitz,
Macht für Suche der wahren Erkenntnis aufzugeben => verließ alle, wanderte
als Bettler
durch Nordindien
- nachdem 6 Jahre lang unter strenger Askese
nach Erleuchtung gestrebt, Nutzlosigkeit
seines Tuns bewusst geworden
- -> schlug grundsätzlich anderen Weg ein =>
mittlere Weg zwischen Extremen
Überfluss und Askese = Versenkung als Lösung von der Welt
- Erleuchtung mit 35, als er in Gaya unter Feigenbaum meditierte
- Legende: Gautama ließ sich eines Abends dort
nieder, um nicht eher aufzustehen, als bis
Nirwana erreicht; erst Besuch vom Dämonenheer der Mara (Verkörperung der
Sinnlichkeit) -> konnte Meditation nicht stören
- Folgenden Nacht durchlief versch.
Bewusstseinsstufen, erhielt Gewissheit über seine
früheren Leben & ,,göttliche Auge" (> kann Reinkarnation aller verfolgen);
erfuhr die
,,Vier edlen Wahrheiten", um diese zu erkennen ,,Achtfachen Pfad"
beschreiten
- in Kusinagara (Nepal) an Lebensmittelvergiftung gestorben
- sah nahes Ende voraus, wollte aber keine
genauen Anweisungen bezüglich der
Organisation und Verkündung seiner Lehren geben
Colin Goldner
(Autor des Buches „Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs“
Aschaffenburg 1999. Alibri; ISBN 3-932710-21-5)
Aus: MIZ 1/00
(mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift ‚Materialien und Informationen zur Zeit, www.miz-online.de)
Aktuelle Informationen über
Dalei Lama findet man unter http://www.gottkoenig.de/
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Der Ursprung der buddhistischen Lehre
Der Ursprung der
buddhistischen Lehre ist in Dunkel gehüllt. Schriftliche Quellen aus der
Entstehungszeit gibt es nicht, vermutlich hat es nie welche gegeben. Die
ersten greifbaren Zeugnisse, Säulenedikte des nordindischen Maurya-Kaisers
Ashoka (272-237 v.u.Z.), stammen aus einer Zeit, als der Buddhismus bereits
eine etablierte Religion mit fester kirchlicher Organisation, Dogmatik und
Tradition darstellte. Die ältesten buddhistischen Schriften der sogenannte
Pali-Kanon datieren aus dem zweiten und ersten Jahrhundert v.u.Z. Es handelt
sich dabei um eine später formatierte und dreigeteilte Textsammlung, deren
einer Teil sich mit Ordens- und Gemeinderegeln (Vinaya-Pitaka) befasst und
deren beide andere Teile sich um die bis dahin mündlich überlieferten
Lehrreden Buddhas (Sutta-Pitaka) beziehungsweise deren metaphysischen Überbau
(Abhidhamma-Pitaka) drehen. Ausgehend von den in sich schon sehr
legendenhaften Schriften des Sutta-Pitaka diese gaben eine über zumindest
zehn Generationen sich hinziehende und damit zahllosen Fremdeinwirkungen
unterworfene orale Tradition wieder entwickelte sich in den folgenden
Jahrhunderten eine umfängliche und von Text zu Text immer noch phantastischer
ausgestaltete Literatur zur Entstehungsgeschichte des Buddhismus.
Laut Pali-Kanon habe der Gründer des Buddhismus im 6. oder 5. Jahrhundert
v.u.Z. im nördlichen Indien gelebt; sein eigentlicher Name sei Siddharta
gewesen, bekannt geworden sei er aber unter dem Namen Gautama. Als Sohn eines
lokalen Fürsten sei er von seinem Vater mit größtem Luxus umgeben worden, er
habe im Verlaufe seiner Jugend nichts Dunkles, Bedrückendes oder Häßliches
kennengelernt. Er habe geheiratet und zusammen mit seiner Frau einen Sohn
gehabt. Einer späteren Legende zufolge habe er auf einer Vergnügungsfahrt
zufällig einen Greis, einen Kranken und einen Toten gesehen und so erstmalig
vom menschlichen Lose des Altwerdens und Dahinsiechens erfahren sowie von der
Unvermeidbarkeit des Todes. Eine Begegnung mit einem Bettelmönch habe ihn
dessen Beispiel folgen lassen: heimlich habe er seine Familie und den Palast
seines Vaters verlassen und sieben Jahre lang unter strengster Askese und
Selbstkasteiung in einem Walde zugebracht. Nach endlos langem und quälendem
Grübeln sei ihm plötzlich die "Erleuchtung" zuteil geworden, die Erkenntnis
nämlich, daß beide Extreme - ein Leben voller Freuden und Lustbarkeiten und
ein Leben des Verzichtes und des freiwilligen Leidens - vom richtigen Wege
gleichweit entfernt seien: der richtige Weg liege in der Mitte. Die Legende
weiß genau zu berichten, wann und wo dieses umwälzende Ereignis stattgefunden
habe: es sei in der Nacht des Vollmondes im Mai des Jahres 509 v.u.Z. gewesen,
als Siddharta Gautama, unter einem Feigenbaume im nordindischen BodhGaya
sitzend, zum "Buddha" geworden sei (um es zu wiederholen: durch die eminente
Erkenntnis, man solle sich von Extremen fernhalten und stets den "goldenen
Mittelweg" anstreben). Nach seiner "Erleuchtung" habe Buddha eine Tätigkeit
als Wanderprediger aufgenommen, um seine neuerworbene Erkenntnis unters Volk
zu bringen. Eine wachsende Anzahl an Schülern und Anhängern sei ihm
zugeströmt, gegen Ende seines Lebens er sei, 80jährig, im Jahre 464 v.u.Z.
gestorben habe es in Nordostindien bereits zahlreiche buddhistische Gemeinden
gegeben.
Im Gegensatz zu späteren Legenden, in denen es von wundersamen Geschehnissen
nur so wimmelt, die sich um Geburt und Erdenleben Buddhas herumranken,
enthalten die Schriften des Pali-Kanon nichts Übernatürliches. Sie entsprechen
durchaus den Verhältnissen in den nordindischen Fürstentümern des 5. und 6.
Jahrhunderts v.u.Z. und könnten damit auf historischen Gegebenheiten beruhen.
Die vieldebattierte Frage, ob es sich bei Siddharta Gautama, dem späteren
Buddha, um ein mythologisches Konstrukt oder um eine geschichtlich fassbare
Figur handelt, ist insofern relativ unbedeutend. Tatsache bleibt allerdings,
daß es Belege für die Existenz einer Person dieses Namens nicht gibt. Völlig
ungeklärt ist auch die Frage nach der Lebenszeit Buddhas (sofern es ihn denn
gegeben haben sollte). Offiziell scheint man sich auf 543 bis 463 v.u.Z.
geeinigt zu haben: im Jahre 1957 jedenfalls wurde mit großem Pomp sein 2.500
Geburtstag gefeiert.
Die Lehre des Buddhismus entstand zu einer Zeit (im Laufe des 6. und 5.
Jahrhunderts v.u.Z.), als in den nordindischen Fürstentümern erbitterte
Klassenkämpfe tobten. Nicht nur der Widerspruch zwischen dem luxuriösen Leben
der Fürsten, Großgrundbesitzer und Sklavenhalter, allesamt Angehörige der
oberen Kasten, und der Armut und Not der Sklaven, der leibeigenen Bauern und
sonstigen Angehörigen niederer Kasten, sondern vor allem die Machtkämpfe
zwischen der angestammten Priester-Aristokratie der Brahmanen und den
aufkommenden Militärdynastien der Kshatrijas führten zu einer Krise der
überlieferten Weltanschauung. Der Glaube an die Unerschütterlichkeit der
angeblich von Weltenschöpfer Brahman selbst gestifteten Kastenordnung geriet
mehr und mehr ins Wanken. Die Zahl der Einsiedler, Asketen und Wandermönche
auch und gerade aus den oberen Kasten nahm Anfang der 5. Jahrhunderts v.u.Z.
sprunghaft zu; es entwickelten sich zahlreiche ketzerische Lehren, Sekten und
sogar atheistische Glaubenssysteme. Eine der neuen Lehren, in der die
allgemeine Krisenlage, die tiefreichende Unzufriedenheit und Verunsicherung
der Menschen, ihren Ausdruck fand, war der Buddhismus.
Lehrinhalte des Buddhismus
Durch die Überlagerungen aus späterer Zeit läßt sich der ursprüngliche Inhalt
der buddhistischen Weltanschauung nur schwer rekonstruieren. Deren
vielkolportierte Grundlage bilden jedenfalls die sogenannten "Vier erhabenen
Wahrheiten", die Buddha in zahllosen Predigten verkündet habe: Das ganze Leben
bestehe aus nichts anderem als aus Leiden; Ursache dafür sei die Begierde,
deren Abtötung das Leiden beende. Der sogenannte "Edle Achtfache Pfad",
beschreibt die Abtötungsmethoden: wer dem rechten Glauben, den rechten Taten,
der rechten Lebensführung usw. folge was das im Einzelnen sein soll, ist
exakt definiert , gelange zur Vollkommenheit und löse sich auf ins Nichts (sanskrit:
Nirvana). Solche Selbstauflösung, der Ausstieg aus dem Kreislauf leidvoller
Wiedergeburten (sanskrit: Samsara), ist letztes Ziel buddhistischen Strebens.
Die Glaubenslehre des frühen Buddhismus wird gelegentlich als "Religion ohne
Gott" oder als "atheistische Religion" bezeichnet. Tatsache ist, daß die
frühen buddhistischen Schriften die Existenz der brahmanischen Götter nicht
bestreiten, daß sie ihnen allerdings die Macht absprechen, direkt in die
Geschicke des Menschen einzugreifen: Von seinen Leiden erlösen könne der
Mensch sich nur aus eigener Kraft. Auf den ersten Blick erscheint diese Lehre
als emanzipatorischer Aufruf zu selbständigem Handeln, bei Lichte besehen
erweist sie sich indes als das pure Gegenteil, als Aufruf zu Defätismus und
Lebensabkehr: nur wer sich vom Leben lossage, könne vom Leiden des Lebens
erlöst werden.
Die neue Religion fand rasche Verbreitung. Vor allem die unterdrückten und
rechtlosen Massen fühlten sich von ihr angezogen, da sie dem Einzelnen die
Idee eröffnete, sich selbst ohne Zutun von Göttern und Priestern vom Elend
des Daseins befreien zu können. Größten Zulauf aber brachte der Umstand, daß
die buddhistischen Wanderprediger ihre Lehre über alle Kastenschranken hinweg
verkündeten und dies auch noch in einer Sprache, die dem einfachen Volke
verständlich war. Im 3. Jahrhundert v.u.Z. entwickelte sich der Buddhismus in
Nordindien zur dominanten Glaubenslehre. Die seit Beginn des 4. Jahrhunderts
v.u.Z. herrschenden Maurya-Kaiser begünstigten den Buddhismus gegenüber dem
Brahmanismus, da er unabhängig von allen Lokal- und Stammeskulturen über
größten Masseneinfluß verfügte und daher ihrem zentralisierten Großstaat
vorzügliche Konsolidierungsdienste leisten konnte. Zudem predigten die
buddhistischen Lehrer Disziplin und Entsagung, was den Interessen der Maurya
weiter entgegenkam; unter deren drittem Kaiser, besagtem Ashoka, wurde der
Buddhismus zur Staatsreligion erklärt. Eine nicht unerhebliche Rolle spielte
hierbei der Umstand, daß die buddhistische Lehre, die sich wohl über das
herkömmliche Kastenwesen hinwegsetzte, an Sklavenhaltung nichts zu bemängeln
wußte.
Ausbreitung in Asien
Gegen Ende des 3. Jahrhundert v.u.Z. fasste der Buddhismus auch außerhalb
Indiens Fuß; über indische Handelswege gelangte er nach Ceylon und von dort
aus nach Burma und Siam. Weiteren enormen Aufschwung erlebte er im 2. und 1.
Jahrhundert v.u.Z., als er sich über große Teile Zentralasiens bis hinein nach
China verbreitete. Im Zuge seiner Ausbreitung wandelte sich sein jeweiliges
Erscheinungsbild ganz erheblich. Der Wandel vollzog sich teils durch
kulturelle Adaptions- und Assimilationsprozesse, teils durch eigens gefasste
Konzilsbeschlüsse. Schon auf dem zweiten buddhistischen Konzil - es soll
hundert Jahre nach Buddhas Tod stattgefunden haben - soll es zu erbittertem
Streit in der Frage der Gemeindestatuten gekommen sein. Auch um metaphysische
Fragen wurde heftig gestritten, was letztlich zu einer Aufsplitterung des
Buddhismus in mehr als dreißig einander wenig gesonnene Sekten führte. Die
tiefste Spaltung erfolgte im 1. Jahrhundert u.Z., als die Lehre in zwei
Hauptrichtungen zerfiel: des Hinayana (sanskrit: Kleines Gefährt) und des
Mahayana (sanskrit: Großes Gefährt). Die Anhänger des Hinayana traten für eine
strenge Beachtung der Statuten ein und hielten an der "unverfälschten" Doktrin
des ursprünglichen Buddhismus, das heißt: an den Schriften des Pali Kanon,
fest. Die Anhänger des Mahayana hingegen wichen weit von diesem ab: die Lehre
des "Großen Gefährts" bedeutete eine weitgehende Konzession an das in Indien
parallel zum Buddhismus immer noch vorherrschende Brahmanentum; sie spiegelte
den Einfluß der alten Kastenpriester auf die neue Religion wider, die diese
zwar notgedrungen akzeptierten, mit sämtlichen Mitteln aber um den Erhalt
ihres Einflusses und ihrer Privilegien kämpften.
Ein Brahmane namens Nagarjuna verfiel auf die Argumentation, die buddhistische
Glaubenslehre, derzufolge jeder Mensch aus eigener Anstrengung und ohne Zutun
der Götter Nirvana erreichen könne, stelle zu hohe Anforderungen an die
ungebildeten Massen; die große Mehrheit bedürfe einer theistischen und vor
allem idolatrischen Religion mit darstellbaren und zu verehrenden Gottheiten
(samt dazugehöriger Priesterschaft). Mittels eines eigenen Konzilsbeschlusses
wurde Gautama Buddha, der in den Schriften des Pali-Kanon noch in durchaus
profanen Worten beschrieben ist, in den Status eines Gottes erhoben. In der
Folge entwickelte sich ein ungeheuerer Buddha-Kult, man errichtete eine Unzahl
an Tempeln und Standbildern. Der Mahayana-Buddhismus, der auch das pomphafte
Ritualwesen des Brahmanismus übernommen hatte, wurde in seinem
Verbreitungsgebiet zur beherrschenden gesellschaftlichen Kraft. Letztlich
wurde die Idee etabliert, Siddharta Gautama sei als "historischer Buddha" nur
einer von vielen Buddhas gewesen, zu denen nun auch die zahllosen
brahmanischen Götter gerechnet wurden (Gautama selbst wurde zu einer
Inkarnation des Brahmanen-Gottes Vishnu erklärt). Darüber hinaus wurden die
unzähligen Götter all jener Kulturkreise, in denen der Buddhismus Verbreitung
fand, zu Buddhas umdefiniert und dem buddhistischen Pantheon eingegliedert.
Allmählich wuchs die Menge an Buddhas ins Aberwitzige: zigtausende von Buddhas
unterschiedlichster Funktionen bevölkern bis heute die buddhistische
Vorstellungswelt. Zu den bekanntesten zählen neben dem "historischen" Gautama,
verehrt als Buddha Sakyamuni oder Buddha Tathagata, der irgendwann
wiederkehrende Buddha Maitreya oder der Weltenschöpfer Adibuddha.
Himmel und Hölle
Als weitere Neuerung führten die Mahayana-Strategen die Idee des Bodhisattva
ein. Ein Bodhisattva ist ein zur Vollendung gelangtes Wesen, das sich
eigentlich ins wohlverdiente Nirvana auflösen, sprich: zum Buddha werden
könnte, aus grenzenlosem Mitleid mit allen Wesen, die noch nicht so weit
seien, aber noch einmal ins irdische Jammertal herabsteige, um diesen helfend
zur Seite zu stehen. Desweiteren wurde eine Paradies-Lehre entwickelt, die im
ursprünglichen Buddhismus völlig fehlt. Das Mahayana-Paradies besteht aus
prächtigen Gärten, in denen keinerlei Mangel herrscht und in denen die
Gerechten lustwandeln dürfen. In Beantwortung der Frage, wie diese Vorstellung
mit dem ultimativen Ziel des Buddhismus, der Selbstauflösung ins Nirvana, zu
vereinbaren sei, wurde dekretiert, das Paradies stelle eine Art
Aufenthaltsraum für hochentwickelte Wesen dar, denen nur noch eine
abschließende Wiedergeburt auf Erden bevorstehe, ehe sie sich dann ganz
auflösen dürften. Den Massen hingegen, denen ein tieferes Verständnis der
Nirvana-Lehre abgesprochen wurde, verkaufte man das Paradies als
anzustrebenden Endzustand schlechthin. Hand in Hand mit der Paradies-Lehre
wurde eine ausgeklügelte Höllen-Lehre entworfen: um die Gläubigen
einzuschüchtern, erfand man die furchtbarsten Qualen und Strafen, die jenen
zuteil würden, die sich gegen die "Gesetze Buddhas", sprich: gegen die Doktrin
des Mahayana versündigt hätten.
Im Mahayana-Buddhismus, der sich vom 4. Jahrhundert u.Z. an über ganz
Südostasien verbreitet hatte, blieb von der ursprünglichen buddhistischen
Lehre (soweit sie über die Schriften des Pali-Kanon rekonstruierbar ist) nur
wenig erhalten. Durch seine Assimilationsfähigkeit, verbunden mit geschickten
politischen Schachzügen seiner Missionsstrategen, konnte der Mahayana eine für
ihn selbst sehr vorteilhafte Wechselbeziehung mit den in China und Korea
vorherrschenden Denksystemen des Konfuzianismus und des Taoismus eingehen, die
ihm zu hoher Blüte und Machtfülle verhalfen. Zu üppigster Blüte allerdings
gelangte der Mahayana-Buddhismus in Tibet, wohin er Ende des 10. Jahrhunderts
u.Z. gelangte.
Rezeption in Europa
Nach Europa drangen bis Mitte des 19. Jahrhunderts nur sehr vereinzelte
Informationen über die buddhistische Lehre, Berichte jesuitischer Missionare
oder früher Asien-Reisender zeichneten ein unvollständiges und vielfach auch
heillos verzerrtes Bild. Denker wie Rousseau oder Herder freilich erkannten
deren prinzipiell antihumanististische Ausrichtung, sie kritisierten den
Buddhismus als rückständigen Wahn, der lediglich den Interessen feudaler
Herrschaftsstrukturen diene. In Deutschland wurde der Buddhismus in den frühen
1880er Jahren Gegenstand akademischer Auseinandersetzung als Vorreiter tat
sich bezeichnenderweise der krankhaft misanthrope Philosoph Arthur
Schopenhauer hervor , insbesondere die tibetische Variante des Buddhismus
erregte größtes Interesse. Nährboden hierfür waren mithin die Schriften der
Theosophin Helena P. Blavatsky (1831-1891) gewesen, deren spiritistische
Hirngespinste von tibetisch-buddhistischen Okkultismen durchzogen waren.
1903 gründete der Leipziger Privatgelehrte Karl Seidenstücker die erste
buddhistische Organisation, den sogenannten Buddhistischen Missionsverein in
Deutschland, der, zusammen mit einer ganzen Reihe nachfolgender Gruppen und
Zirkel, die bürgerlichen Schichten des Kaiserreiches für die
kulturpessimistische Doktrin des Pali-Kanon zu gewinnen suchte. In den 1920er
Jahren wurden mehrere buddhistische Glaubensgemeinschaften ins Leben gerufen,
in denen nun nicht mehr der philosophische Diskurs im Vordergrund stand,
sondern dessen "praktische Umsetzung": die Übung einer asketischen,
quasi-monastischen Lebenszucht. Der Mediziner Paul Dahlke erbaute 1926 das
heute noch bestehende Buddhistische Haus in Berlin, das zum Zentrum der
buddhistischen Bewegung in Deutschland wurde. Während der NS-Zeit wurden
Buddhisten ausdrücklich nicht verfolgt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete sich das Augenmerk vor allem auf
Zen-Buddhismus, Daisetz Suzukis Abhandlungen oder Eugen Herrigels Zen in der
Kunst des Bogenschießens wurden zu ungeahnten Bestsellern; entscheidenden
Anteil an der Verbreitung des Zen (der in der japanischen Gesellschaft seit je
als Instrument autoritärer Zurichtung diente) in Deutschland hatte auch der
ehemalige SA-Mann und NS-Kulturattaché in Japan, Karlfried Graf Dürckheim, der
im Schwarzwald ein eigenes Übungszentrum errichtete. Daneben etablierten sich
in den 1950er Jahren weitere Strömungen des (japanischen) Buddhismus in
Deutschland, beispielsweise die shin-buddhistische Gruppierung Jôdo Shin-Shû
oder wenig später der rechtslastige Massenverblödungskult Sôka Gakkai. Auch
der tibetische Buddhismus fand in den 1950ern erstmalig einen
organisatorischen Rahmen: 1952 wurde in Berlin ein Ableger des Arya Maitreya
Mandala-Ordens (AMM) gegründet, eine Vereinigung, die auf den selbsternannten
deutschen Lama Anagarika Govinda (bürgerlich: Ernst-Lothar Hoffmann, der sich
u.a. auch als Reinkarnation des Dichters Novalis vorkam), zurückgeht.
Ende der 1990er lag die Anzahl deutscher BuddhistInnen (sämtlicher Schulen und
Richtungen) bei rund 40.000 Menschen (zuzüglich etwa 120.000 BuddhistInnen
asiatischer Herkunft), organisiert in etwas mehr als 400 Zentren und
Ortsgruppen. Die in den Medien ständig kolportierte Zahl von 300.000 bis
500.000 bundesdeutschen AnhängerInnen des Buddhismus bezeichnet nicht die
organisierten BuddhistInnen, sondern die weitaus größere Gruppe an Menschen,
die dem Buddhismus mit Sympathie und mehr oder minder engagiert
beziehungsweise sachkundig (Meditation, Lektüre einschlägiger Publikationen,
Besuch von Schulungen etc.), aber unorganisiert, gegenüberstehen. Den
einzelnen Dachverbänden ist es trotz großen Aufwandes bislang nicht gelungen,
dieses Riesenheer an Sympathisanten organisatorisch an sich zu binden.
Den größten Boom erlebt der Buddhismus seit Beginn der 1990er Jahre innerhalb
der Esoterik- und Psychoszene; zahllosen New-Age-Bewegten gilt er (bzw. das,
was man davon weiß oder dafür hält) als übergeordnete "spirituelle Leitlinie".
Ernsthafte Auseinandersetzung (womit auch immer) gibt es in dieser Szene
freilich nicht, die oberflächliche Kenntnis von ein paar Begriffen und ein
"Gefühl" für die Sache reichen völlig aus, sich "zugehörig" vorzukommen;
vielfach versteht man sich dann schon als "engagierter Buddhist", wenn man
einen Free-Tibet-Aufkleber auf dem Kofferraumdeckel spazierenfährt.
Vorangetrieben wird der gewinnträchtige Boom durch eine Unzahl einschlägiger
Publikationen: eingepasst in das übliche Sortiment an Astrologie-, Bachblüten-
und Wunderheil-Literatur findet sich jede Menge "buddhistisch" aufgemachten
Unsinns auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt.
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Buchbesprechung
Colin Goldner: Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs
Aschaffenburg 1999. Alibri; 455 Seiten,
Abbildungen, kartoniert, DM 39.-, ISBN 3-932710-21-5
Der Dalai Lama und die von ihm vertretene
tibetische Variante des Buddhismus steht in den Augen der meisten Menschen für
Toleranz, absolute Gewaltfreiheit, ökologisches Bewusstsein und scheinbar
unendliche Weisheit. Dieses stark idealisierte Bild des tibetischen Buddhismus
wird uns seit Jahren von den Medien verkauft und hat sich in den Köpfen der
Menschen festgesetzt. Colin Goldner wagt es nun einen kritischen Blick hinter
die von den Massenmedien produzierte Fassade zu werfen. Was er dabei zu Tage
gefördert hat ist keine leichte Kost und dürfte viele Menschen schockieren.
Chronologisch zeichnet der Autor das Leben des Dalai Lama nach und beachtet
dabei auch jene Episoden aus dem Leben des "Gottkönigs", die andere Autoren
unter den Tisch fallen gelassen haben. Das Buch beginnt mit der Geburt des
Dalai Lama und seiner Entdeckung durch einen Suchtrupp von tibetischen
Mönchen, widmet sich dann der klösterlichen Erziehung des jungen Dalai Lama
und untersucht seine Rolle nach dem Einmarsch der Chinesen. Es wirft einen
kritischen Blick auf den Aufbau der tibetischen Exilregierung in Indien und
beleuchtet den Aufstieg seiner "Heiligkeit" zum Medienstar und zur Kultfigur
der Esoterikszene. Hinzu kommen 18 ausführliche Exkurse, die sich bestimmten
Aspekten der tibetischen Geschichte widmen und dem Leser
Hintergrundinformationen bieten.
Auch in den Exkursen werden dem Leser schwer zu verdauende Brocken serviert.
Goldner entlarvt vorsätzliche Geschichtsfälschungen, klärt den Leser über den
religiösen Wahnwitz Karma und Reinkarnation auf, zeichnet die diktatorische
Geschichte des tibetischen Buddhismus nach und stellt die klösterliche
Erziehung von Kindern an den Pranger. Er deckt die Beziehung des Dalai Lama
Massenmörder und Sektenführer Shoko Ashara auf, untersucht die zweifelhafte
Rolle der westlichen Medien und ihrer Filmstars beim Aufbau des Mythos Tibet
und widmet sich der Phallokratie der Lamas. Entgegen der allgemeinen Meinung
leben die Lamas nämlich keineswegs zölibatär. Tantrische Sexualpraktiken, wie
der Verzehr der fünf Arten von Fleisch Stier-, Hunde-, Elefanten-, Pferde- und
Menschenfleisch, sowie der Genuss der fünf Nektarsorten Kot, Gehirn,
Sexualsekret, Blut und Urin gehören ebenso zu dieser Religion wie das absurde
Staatsorakel, das die Politik der Gelbmützenmönche mitbestimmt.
Goldner ist es mit seiner Studie gelungen ein wirklich wichtiges und
fundiertes religionskritisches Buch zu verfassen. Der Ansatz ist dabei ein
ähnlicher wie der von Karlheinz Deschner. Bewusst verzichtet der Autor auf die
Darstellung positiver Aspekte der buddhistischen Religion und schafft somit
ein Gegengift zu den verherrlichenden Büchern der Tibet-Szene. Doch hier ist
auch genau das Problem des Buches. Der teilweise abfällige und spöttische Ton
des Autors und die bewusst einseitige Darstellung dürften dazu führen, dass
das Buch kaum Leser außerhalb der religionskritischen Szene finden dürfte.
Leider!
Frank Welker
Lange Zeit herrschte in der "kritischen Öffentlichkeit" die Meinung vor, der
Buddhismus sei der Prototyp einer sanften Religion. Er galt als weitgehend
undogmatisch, antiautoritär, friedliebend, menschenfreundlich. Nicht wenige
sahen in ihm eine wohltuende Alternative zu den imperialistischen Weltreligionen
Islam und Christentum. Es ist sicherlich das große Verdienst von
Buddhismuskritikern wie Colin Goldner, dass sie mit diesen hehren Mythen
aufgeräumt haben und die verdrängten, hässlicheren Züge dieser in alternativen
Bevölkerungskreisen außerordentlich beliebten Religion zu Tage förderten.
Die scharfe Kritik am Buddhismus ist in der Tat schwerlich von der Hand zu
weisen: Die vom historischen Buddha dargelegte Karmalehre (wonach gute und
schlechte Taten vermeintlich vorangegangener Inkarnationen das Schicksal im
gegenwärtigen Leben bestimmen), die von ihm kolportierte Vorstellung, Leben sei
gleichbedeutend mit Leiden, sowie die daraus gezogene Schlussfolgerung, man
solle sich durch kontemplatives Nichthandeln dem schrecklichen Kreislauf der
Wiedergeburten entziehen, wirkten unbestritten alles andere als emanzipatorisch.
(Rechtsgerichtete Esoteriker z.B. haben konsequenterweise auf der Basis dieses
Denkens ein neues, schreckliches Legitimationsargument für Auschwitz erfunden:
Die gequälten, ermordeten Juden wollten ihrer Meinung nach im KZ nur ihr
schlechtes Karma abarbeiten (!)).[1]
Colin Goldner hat sicherlich zu Recht den autoritären Duktus des Zen-Buddhismus
kritisiert, oder - wie zuletzt in seinem wichtigen Buch über den Dalai Lama [2]
- den menschenverachtenden Irrationalismus des tibetischen Mahayana-Buddhismus
bloßgestellt. In gewisser Weise stellen Goldners Arbeiten hier durchaus
vergleichbar mit den kirchenkritischen Werken Deschners ein notwendiges
Gegengift dar zu den verschleiernden Mythen der religiösen Apologeten, die
leider immer noch den gesellschaftlichen Diskurs weitgehend bestimmen.
Allerdings sollte man nicht vergessen, dass jedes Gegengift von seiner Dosierung
lebt. So verheerend (herrschaftsstabilisierend/unterdrückend) der Buddhismus in
seiner Geschichte auch gewirkt hat, die buddhistische Lehre enthält doch
einiges, was auch heute noch bedenkenswert ist. So hat Ulrich Schneider in
seiner Einführung in den Buddhismus [3] darauf hingewiesen, dass die
ursprüngliche Lehre Buddhas philosophischen und nicht religiösen Charakter
hatte: "Man vermißt einen echten Glauben ebenso wie eine Bindung an Gott oder
Götter oder an irgendeine höhere Macht, sei sie auch noch so schwer zu
definieren; und es fehlt auch ein Kult. [...] Buddha steht in einer
philosophischen Tradition; ja er bildet [...] mit seiner Lehre den Abschluss
einer bestimmten philosophischen Entwicklung." [4] Gegenüber dem damals
vorherrschenden brahmanischen Denk- und Herrschaftsystem stellte Buddha heraus,
dass allein der individuelle Lebenswandel - nicht die Geburt in einen bestimmten
Stand! - der Maßstab zur Bewertung eines Menschen sein müsse, er proklamierte
eine Lehre, die entgegen brahmanischen Standesdünkel alle Menschen prinzipiell
ethisch gleichsetzte (freilich ohne hieraus politische Forderungen abzuleiten).
Die ursprüngliche buddhistische Lehre kam ohne jegliche Form religiöser
Hierarchie aus. In ihrem Zentrum stand allein das Individuum, das seinen Weg zur
Überwindung des Leidens mit Hilfe der buddhistischen Lebenstechniken selbst
finden musste. (Dies alles änderte sich erst nach Buddhas Tod, als die
buddhistischen Gemeinden neue Organisationsformen wählten und sich durch die
Integration fremder religiöser Kulte mehr und mehr von der buddhistischen
Ursprungsidee entfernten.)
Die humanistische Interpretation des Buddhismus im 20. Jahrhundert
Mitte des 20. Jahrhunderts trat der Buddhismus endgültig seinen Siegeszug in den
westlichen Ländern an. Wegbereiter dieser Entwicklung waren nicht nur
Reaktionäre und esoterische Wirrköpfe Goldner verweist u.a. auf Blavatsky und
Graf Dürkheim , sondern auch kritische Intellektuelle, wie z.B. der
humanistische Soziologe und Psychoanalytiker Erich Fromm. Fromm, der als
Vertreter der frühen kritischen Theorie und internationaler Bestsellerautor
(Furcht vor der Freiheit, Die Kunst des Liebens, Haben oder Sein) neben Herbert
Marcuse, Wilhelm Reich und Ernst Bloch zu den wichtigsten Ideengebern der
internationalen Studentenbewegung gehörte, veröffentlichte Anfang der sechziger
Jahre gemeinsam mit dem bekannten Zen-Buddhisten Daisets T. Suzuki ein Buch mit
dem Titel Zen-Buddhismus und Psychoanalyse.[5]
In seinem Beitrag versuchte Fromm aufzuzeigen, dass die Beschäftigung mit dem
Zen-Buddhismus auch für säkular denkende Mensch gewinnbringend sein kann.
Zentrales Anliegen des Buddhismus sei die Aufhebung von Verdrängung und
Entfremdung, eine von Illusionen und Selbstzweifeln befreite Sicht auf das
eigene Selbst und sein Verhältnis zur Welt. Hierin erkannte Fromm eine
notwendige Voraussetzung für die Etablierung einer schöpferischen
Weltorientierung, die nicht nur dem Individuum dazu verhelfen könne, "die eigene
Mitte zu finden". Entscheidender waren für den unorthodoxen Marxisten Fromm
allemal die politischen Konsequenzen: Der von Buddha angestrebte "Mittlere
Pfad", der auf eine Überwindung von Gier und Sucht abzielt, erschien ihm als
notwendiges Gegenprinzip zum kapitalistisch verordneten Konsumzwang. (Vor allem
in seinem Spätwerk Haben oder Sein stellte Fromm diesen Konsumzwang als zentrale
Ursache für die verheerenden sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit
heraus.)
Freilich lässt sich über die Buddhismus-Interpretation Fromms streiten. (Wie so
häufig, fokussiert Fromm auch im Falle des Buddhismus allein die Elemente, die
seinem eigenen Denkansatz entsprechen, Widersprüche werden leichtfüßig
umgangen.) Allerdings ist kaum zu ignorieren, dass seine durch die Beschäftigung
mit Buddha, Marx und Freud gewonnene Unterscheidung von Haben- und
Seins-Orientierung (d.h. von entfremdeter und nicht-entfremdeter
Lebensperspektive) auch heute noch erhellend wirkt, was u.a. demonstriert, dass
der Buddhismus eben nicht nur reaktionäre, sondern auch progressive Denkanstöße
vermitteln kann.
Philosophie statt Religion
Das zentrale Problem des Buddhismus besteht zweifellos darin, dass er zur
Religion entartete. Diese unschöne Tatsache sollte skeptisch denkende Menschen
aber nicht daran hindern, den Buddhismus als Philosophie kritisch
wertzuschätzen. Nebenbei: Liest man Buddha philosophisch, kann man interessante
Parallelen zu anderen bedeutenden Philosophen feststellen, z.B. zu dem in
konfessionslosen Kreisen zu Recht hochgeschätzen Epikur. Wie Epikur wollte auch
Buddha den Menschen die Angst vor dem Einfluss (vermeintlicher) Götter nehmen
und den Machtanspruch religiöser Hierarchien schwächen. Wie Epikur versuchte
auch Buddha einen Weg jenseits der Extreme zu etablieren. (Sicherlich wählte
Epikur hierbei einen hedonistischeren Zugang, aber auch die epikureische
Philosophie zielte nicht auf ein hemmungsloses Ausleben wilder Triebe, wie man
später von christlicher Seite den "Epikureern" gegenüber gerne unterstellte,
sondern auf einen bewußten Weg der Mitte - und das bedeute für Epikur vor allem
die Überwindung von Leidenschaften, die Leiden schaffen.) [6] Welche Schlüsse
können wir nun aus unserer kurzen Beschäftigung mit Buddhismus und
Buddhismuskritik ziehen? Meines Erachtens spricht vieles dafür, dass
Religionskritiker Abstand davon nehmen sollten, Religionen in ihrer Gänze zu
verdammen. Das heißt natürlich nicht, dass Religionen als Religionen nicht
weiterhin in aller Schärfe zu kritisieren sind (ihr falscher Wahrheitssanspruch
muss demaskiert werden, das säkulare Prinzip Offenheit an die Stelle des
religiösen Prinzips Offenbarung treten usw.). Wir sollten dabei aber nicht
übersehen, dass Religionen ungeachtet ihrer oftmals menschenverachtenden Theorie
und Praxis zweifellos wichtige kulturelle Schatzkammern der Menschheit sind, in
denen sich vieles findet, was sicherlich auch heute noch bemerkenswert ist.
Dies gilt selbstverständlich nicht nur für den Buddhismus, sondern auch für das
Christentum. Auch in der Bibel finden sich einige Stellen, die über den
gegenwärtigen Status quo des Denkens produktiv hinausweisen. (Man denke zum
Beispiel an einige - freilich auf keinen Fall sämtliche! - [7] Passagen aus der
sogenannten Bergpredigt (z.B. das Gebot der Feindesliebe, Mt 5,44) oder an die
eindrucksvolle Geschichte vom Manna (Exodus 16,13-31), das man sammeln und
verzehren, aber nicht horten konnte. (Mancher Politiker möge sich hieran
vielleicht ein Beispiel nehmen...))
Fazit: Es sollte Religionskritikern um eine dialektische Aufhebung - nicht um
den Versuch einer plumpen Zerstörung - der Religion gehen, d.h. um eine
Weiterführung ihrer humanen Aspekte, die bei der notwendigen Kritik ihrer
inhumanen Neben- oder sagen wir besser: Hauptwirkungen nicht übersehen werden
sollten. Anders formuliert: Wir brauchen nicht nur eine weltweite religiöse
Abrüstung (diese ist für den Weltfrieden mindestens ebenso bedeutsam wie die
militärische!), sondern auch eine weltweite religiöse Umrüstung, eine religiöse
Konversionspolitik, die darauf abzielt, das potentiell Lebensdienliche, das in
jeder religiösen Tradition zu finden ist, vom Lebensfeindlichen zu trennen und
in eine säkulare, auf das Menschliche beschränkte Umgebung zu verpflanzen.
Entreißen wir den Pfaffen, Mönchen und Schriftgelehrten also die halben
Wahrheiten, mit deren Hilfe sie in der Vergangenheit ganze Erfolge feierten.
Erst wenn dies gelungen ist, hat Religionskritik ihre Aufgabe erfüllt.
Anmerkungen:
[1] vgl. MIZ 1/97, S. 15 und Goldner, Colin (1994): Das Geschäft mit der
Verblödung. In: Psychologie
heute 7/1994
[2] Goldner, Colin (1999): Dalai Lama. Fall eines Gottkönigs. Aschaffenburg.
[3] Schneider, Ulrich (1997): Der Buddhismus. Eine Einführung. Darmstadt.
[4] Schneider 1997, S. 57
[5] Fromm, Erich/Suzuki, Daisetz/de Martinio, Richard (1971): Zen-Buddhismus und
Psychoanalyse.
Frankfurt/M.
[6] vgl. Epikur (1988): Philosophie der Freude. Briefe, Hauptlehrsätze,
Spruchsammlung, Fragmente.
Frankfurt/M.
[7] vgl. Schmidt-Salomon, Michael (1999): Erkenntnis aus Engagement.
Grundlegungen zu einer
Theorie der Neomoderne. Aschaffenburg, S. 226f.