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Rededuell über die Existenz Gottes

Am 25. April 2005 fand in der Universität München ein Rededuell statt zum Thema

Existiert Gott?

 

Dabei ging es um den Gottesbegriff, wie er für das Christentum typisch ist.
Für die Existenz Gottes sprach Prof. Dr. William Lane Craig. Gegen die Existenz Gottes sprach Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster.

Am 26. April 2005 diskutierte Prof. Dr. William Lane Craig an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit Dr. Michael Schmidt-Salomon (contra).

Zu den Diskussionspartnern:

William Lane Craig  ist Professor der Philosophie an der Talbot School of Theology in La Mirada, California. An der Universität von München (Deutschland)  promovierte er 1984 in Theologie.

Norbert Hoerster lehrte von 1974 bis 1998 als Professor Rechts- und Sozialphilosophie an der Universität Mainz. Er ist Autor zahlreicher Bücher, insbesondere über Bio- und Medizin-Ethik. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Die Frage nach Gott“, Beck-Verlag, ISBN: 3406528058

Michael Schmidt-Salomon ist Doktor der Philosophie und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift MIZ. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit (u.a. als Dozent an der Universität Trier) trat er als Komponist, Musiker, Texter und Autor der Bücher Erkenntnis aus Engagement (1999 im Alilbri-Verlag) und Stollbergs Inferno (2003 im Alilbri-Verlag) in Erscheinung. Er ist Geschäftsführer der Giordano-Bruno-Stiftung  

 I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

1.) Redebeitrag von William Lane Craig
2.) Redebeitrag von Norbert Hoerster
3.) Redebeitrag von Michael Schmidt-Salomon

Gibt es einen Gott?

[Vortrag von Professor William Lane Craig beim Rededuell mit Professor Norbert Hoerster über die Existenz Gottes am 25. April 2005, München

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 Es ist immer eine Freude, wieder in München zu sein, wo ich vor zwanzig Jahren promoviert habe.  Es ist eine Ehre, mit Ihnen diese wichtige Frage nach der Existenz Gottes diskutieren zu dürfen.

Als Reisende auf dem Weg des Lebens sollte es unser Ziel sein, eine richtige Weltanschauung zu bilden, und die Dinge zu verstehen.  Die Hypothese, daß es einen Gott gibt, erklärt viele Tatsachen unserer Erfahrung.  Lassen Sie mich kurz fünf Tatsachen erwähnen, die durch die Gotteshypothese erläutert sind.

 

1. Gott erklärt den Ursprung des Universums.

Haben Sie sich je gefragt, wo das Universum herkommt?  Warum irgend etwas existiert, und nicht vielmehr nichts?  Atheisten haben meist gesagt, daß das Universum ewig ist.  Ende der Diskussion! 

Aber ist das plausibel?  Wenn das Universum keinen Anfang hatte, dann ist die Zahl der vergangenen Ereignisse in der Geschichte des Universums unendlich. Aber Mathematiker erkennen an, daß die Annahme der Existenz einer wirklich unendlichen Zahl von Dingen zu Selbstwidersprüchen führt. Was ist zum Beispiel das Unendliche minus das Unendliche? Aus mathematischer Sicht ergeben sich selbstwidersprüchliche Antworten.  Das zeigt, daß Unendlichkeit nur eine Idee des Geistes ist und nicht etwas, was in der Wirklichkeit existiert.  David Hilbert, vielleicht der größte Mathematiker des 20. Jahrhunderts, drückt das so aus:

Das Unendliche ist nirgends in der Wirklichkeit zu finden. Es existiert weder der Natur, noch ist es eine legitime Grundlage rationalen Denkens. Die einzige Rolle, die für das Unendliche bleibt, ist die einer Idee.

 

Die Ereignisse der Vergangenheit sind jedoch nicht nur Ideen, sondern sie sind real, und daher muß die Zahl der vergangenen Ereignisse endlich sein. Deshalb kann die Reihe der vergangenen Ereignisse nicht unendlich zurückgehen; das Universum muß einmal zu existieren begonnen haben.

Dieser Schluß wird gestützt durch erstaunliche Entdeckungen in der Astronomie und Astrophysik.  Die Indizien der Astrophysik weisen darauf hin, daß das Universum mit einer großen Explosion vor 13 Milliarden Jahren zu existieren begann.  Dieser Anfang des Universums wird “Urknall” genannt.  Der physikalische Raum und die physikalische Zeit entstanden durch dieses Ereignis; ebenso alle Materie und alle Energie des Universums.  Fred Hoyle, Astronom in Cambridge, stellt daher fest, daß die Urknalltheorie die Schöpfung des Universums aus dem Nichts annehmen muß.  Der Grund dafür ist, daß wenn man in der Zeit zurückgeht, dann gelangt man an einen Punkt, an dem, in Hoyles Worten, das Universum „zu nichts geschrumpft“ war.  Was die Urknalltheorie daher erfordert, ist daß das Universum einen Anfang hatte und daß es aus nichts entstand.

Das aber versetzt den Atheisten in eine peinliche Lage. Denn wie der Oxforder Philosoph Anthony Kenny betont, „ein Vertreter der Urknalltheorie, zumindest wenn er ein Atheist ist, muß glauben, daß das Universum aus dem nichts und von nichts kam.“

Das scheint aber doch absurd! Von nichts kommt nichts.  Warum existiert das Universum dann und nicht vielmehr nichts?  Wo kommt es her?  Es muß eine Ursache gegeben haben, die das Universum ins Sein gebracht  hat.

Das Argument ist wie folgt zusammenzufassen:

1. Was einen Anfang seiner Existenz hat, hat eine Ursache.

 

2. Das Universum hatte einen Anfang.

 

3. Daher hat das Universum eine Ursache.

 

In der Natur der Sache liegt es, daß diese Ursache selbst ein unverursachtes, unveränderliches, zeitloses und immaterielles Wesen sein, das das Universum geschaffen hat. Es muß unverursacht sein, denn wir haben gesehen, daß es keinen unendlichen Regreß von Ursachen geben kann.  Es muß zeitlos und daher unveränderlich sein – zumindest ohne das Universum –, denn es hat die Zeit geschaffen. Da es auch den Raum geschaffen hat, muß es nichträumlich und immateriell sein, also nicht physisch.

Außerdem möchte ich dafür argumentieren, daß die Ursache des Universums eine Person sein muß.  Denn wie sonst könnte eine zeitlose Ursache eine zeitliche Wirkung wie das Universum haben? Wenn die Ursache eine mechanisch funktionierende Menge von notwendigen und hinreichenden Bedingungen wäre, dann könnte die Ursache nicht ohne die Wirkung existieren. Wenn die hinreichenden Bedingungen ewig gegenwärtig wären, dann sollte ihre Wirkung auch ewig gegenwärtig sein. Die einzige Möglichkeit, wie die Ursache zeitlos und die Wirkung mit Beginn in der Zeit sein kann, ist, daß die Ursache eine Person ist, die frei eine Wirkung in der Zeit ohne vorangehende Bedingungen geschaffen hat. Daher kommen wir mit unserem Argument nicht nur auf eine transzendente Ursache des Universums, sondern zu seinem persönlichen Schöpfer.

 

2. Gott erklärt die komplexe Ordnung des Universums.

In den letzten drei Jahrzehnten haben Wissenschaftler entdeckt, daß die Existenz von intelligentem Leben wie unserem von einem komplizierten und empfindlichen Gleichgewicht von Anfangsbedingungen beim Urknall abhängt.  Es ist viel wahrscheinlicher, daß ein Universum existiert das Leben verhindert, als daß eines existiert das Leben ermöglicht.  Die Existenz von intelligentem Leben hängt von einer Verschwörung von Anfangsbedingungen ab, die feinabgestimmt sein müssen in einem Grad, der unvorstellbar ist.  Der englische Physiker Paul Davies hat beispielsweise errechnet, daß für eine spätere Entstehung von Sternen (ohne die keine Planeten existieren können) die betreffenden Anfangsbedingungen feinabgestimmt sein müssen (mindestens) mit einer Präzision von einer Eins gefolgt von tausend Milliarden Milliarden Nullen.  Er schätzt auch, daß eine Änderung in der Stärke der Gravitation oder der schwachen Kernkraft um nur ein Teil in Zehn hoch Einhundert die Entstehung eines Universums, das Leben zuläßt, verhindert hätte. Es gibt eine Unmenge solcher Größen und Konstanten beim Urknall, die in dieser Weise feinabgestimmt sein müssen, damit das Universum Leben zuläßt.

Nun gibt es drei Möglichkeiten, die Feinabstimmung des Universums zu erklären: Naturgesetze, Zufall, oder absichtliche Gestaltung (Design).  Welche dieser drei Alternativen ist die plausibelste?

Die erste Erklärungsmöglichkeit erscheint äußerst unplausibel.  Diese Konstanten und Anfangsbedingungen sind unabhängig von den Naturgesetzen; daß heißt, in der Welt könnten die gleichen Naturgesetze, aber andere Naturkonstanten und Anfangsbedingungen, gelten.  Also ist es falsch, daß das physische Universum so sein muß, wie es ist. Daher brauchen wir eine andere Erklärung für die Feinabstimmung des Universums.

Wie steht es mit der zweiten Erklärungsmöglichkeit, die besagt, daß die Feinabstimmung des Universums Zufall ist?  Die Schwierigkeit mit dieser Auffassung ist, daß die Wahrscheinlichkeit daß das Universum aus Zufall für Leben feinabgestimmt ist, so klein ist, daß man das nicht vernünftig annehmen kann.  Wer die Feinabstimmung durch die Annahme von Zufall erklären möchte, hat nicht begriffen, in welcher Größenordnung sich die Wahrscheinlichkeiten hier bewegen.  Vielleicht kann ich das illustrieren.  Wenn wir die Breite des Spektrums der möglichen Werte der Konstanten und Anfangsbedingungen mit der Größe des gesammten Universums gleichsetzen, dann entspricht die Breite des Spektrums der Werte, bei denen Leben möglich ist, 2,5 Zentimetern!  Daß alle relevanten Werte durch Zufall so sind, daß Leben möglich ist, ist praktisch unmöglich. 

Angesichts der unglaublichen Unwahrscheinlichkeit der Feinabstimmung des Universums für intelligentes Leben ist es also vernünftig zu schließen, daß diese nicht Zufall ist, sondern Ergebnis einer absichtlichen Gestaltung ist.

Wir können dieses zweite Argument wie folgt zusammenfassen:

1. Die Feinabstimmung des Universums kam durch Naturgesetze, durch Zufall oder durch absichtliche Gestaltung (design).

 

2. Sie kam nicht durch Naturgesetze und nicht durch Zufall.

 

3. Also kam sie durch absichtliche Gestaltung.

 

3. Gott erklärt die objektiven moralischen Werte in der Welt.

Wenn Gott nicht existiert, dann gibt es keine objektiven moralischen Werte.  Daß es objektive moralische Werte gibt, heißt, daß etwas gut oder schlecht ist unabhängig davon, ob jemand glaubt, daß es so ist.  Und meine Behauptung ist, daß moralische Werte nicht objektiv wären, wenn es keinen Gott gäbe.

Viele Theisten und Atheisten sind sich in diesem Punkt einig.  Zum Beispiel Michael Ruse, ein Wissenschafts-theoretiker an der Universität Florida, schreibt:

Moral ist Produkt einer biologischen Anpassung nicht weniger, als es Hände, Füße und Zähne sind. Aufgefaßt als eine Menge rational rechtfertigbarer Aussagen über etwas Objektives ist Ethik eine Illusion. Moral ist nur ein Mittel zum Überleben und ... jegliche tiefere Bedeutung ist Illusion.

 

Friedrich Nietzsche, der große Atheist des neunzehnten Jahrhunderts, der den Tod Gottes verkündigte, verstand, daß der Tod Gottes die Zerstörung allen Sinnes und allen Wertes im Leben bedeutet.

Ich glaube, daß Nietzsche recht hatte.

Aber wir müssen an dieser Stelle sehr vorsichtig sein. Die Frage lautet nicht: „Müssen wir an Gott glauben, um moralisch leben zu können.“  Ich behaupte nicht, daß wir das müssen.  Noch lautet die Frage: „Können wir objektive moralische Werte erkennen, ohne an Gott zu glauben?“  Ich glaube, daß wir das können.

Sondern die Frage lautet: „Wenn Gott nicht existiert, gibt es objektive moralische Werte?“  Wie Ruse sehe ich keinen Grund für die Annahme, daß ohne Gott Moral objektiv wäre.  Denn wenn es keinen Gott gäbe, was ist dann besonderes an dem Menschen?  Der Mensch ist nur ein zufälliges Nebenprodukt der Natur, das sich relativ kürzlich entwickelt hat auf einem Staubkörnchen irgendwo in einem geistlosen Universum und der zum Vergehen in einer relativ kurzen Zeit verurteilt ist.  Nach der atheistischen Auffassung, könnte eine Handlung, sagen wir Vergewaltigung, gesellschaftlich nachteilig sein und deshalb im Laufe der Evolution tabu werden; aber das beweist in keiner Weise, daß Vergewaltigung wirklich böse ist.  Nach der atheistischen Auffassung ist es, abgesehen von den gesellschaftlichen Folgen, nicht wirklich schlecht, jemanden zu vergewaltigen. Ohne Gott gibt es daher kein Richtig und Falsch, das sich unserem Gewissen aufdrängt.

Aber die Schwierigkeit ist, daß objektive moralische Werte existieren, und tief in uns wissen wir das.  Es gibt nicht mehr Grund, die objektive Realität moralischer Werte zu leugnen, als die objektive Realität der physischen Welt.  Handlungen wie Vergewaltigung, Folter, oder Kindesmißbrauch sind nicht bloß gesellschaftlich geächtete Verhaltensweisen – es sind moralische Abscheulichkeiten.  Ruse selbst gibt zu: “Der Mensch, der sagt, daß es moralisch erlaubt ist, kleine Kinder zu mißbrauchen, ist eben so irrig als der Mensch, der sagt, zwei plus zwei macht fünf.”  Manches ist wirklich böse. Liebe, Gerechtigkeit, und Selbstaufopferung sind hingegen wirklich gut. Aber wenn es keine objektiven Werte ohne Gott geben kann, und wenn es objektive Werte gibt, dann folgt logisch und unausweichlich, daß Gott existiert.

Wir können das Argument wie folgt zusammenfassen:

1. Wenn Gott nicht existiert, dann gibt es keine objektiven moralischen Werte.

 

2. Es gibt aber objektive moralische Werte.

 

3. Also existiert Gott.

 

4. Gott erklärt die historischen Tatsachen über das Leben, den Tod, und die Auferstehung Jesu.

Die historische Person Jesus von Nazareth war ein bemerkenswerter Mensch.  Kritische Erforscher des Neuen Testaments sind sich weitgehend einig darin, daß der historische Jesus mit einer unerhörten Bewußtsein göttlicher Autorität auftrat, mit der Autorität, an Gottes Stelle zu stehen und zu sprechen.  Das ist der Grund, weshalb die jüdischen Leiter seine Kreuzigung unter der Anklage der Blasphemie betrieben.  Er behauptete, daß in ihm selbst das Reich Gottes gekommen sei, und als sichtbaren Beweis dieser Tatsache führte er Wunder und Exorzismen aus.  Aber die wichtigste Bestätigung seiner Behauptungen war seine Auferstehung vom Tod.  Wenn Jesus vom Tod auferstanden wäre, dann läge uns ein göttliches Wunder vor und damit ein Indiz für die Existenz Gottes.

Es gibt drei Tatsachen, die von der Mehrheit der neutestamentlichen Forscher anerkannt werden und die die Annahme der Auferstehung Jesu stützen.

Tatsache 1#: Nach der Kreuzigung wurde Jesu Grab von einer Gruppe von Frauen aus seiner Gefolgschaft am Sonntag Morgen leer aufgefunden.  Jakob Kremer, der sich auf die Erforschung des historischen Jesus spezialisiert hat, berichtet: „Die überwiegende Mehrheit der Forscher hält fest an der Verläßlichkeit der biblischen Aussagen über das leere Grab“.

Tatsache 2#: Bei verschiedenen Gelegenheiten haben verschiedene Einzelpersonen und Gruppen Jesus nach seinem Tod lebendig gesehen.  Gerd Lüdemann, ein kritischer Erforscher des Neuen Testaments, sagt „Es darf als historisch gewiß gelten, daß Petrus und die Jünger nach Jesu Tod Erfahrungen hatten, in denen Jesus ihnen als der auferstandene Christus erschien.“  Die Zeuge dieser Erscheinungen waren nicht nur Gläubige, sondern auch Ungläubige, Skeptiker und sogar Feinde.

Tatsache 3#: Die Jünger kamen plötzlich zu der Überzeugung, daß Jesus auferstanden ist, obwohl sie eine Auferstehung keineswegs erwartet haben.

Man stelle sich die Lage der Jünger angesichts des Todes Jesu vor:

1. Ihr Leiter war tot. Und die jüdische Messiaserwartung sah die Idee eines Messias, der anstatt über Israels Feinde zu triumphieren, schmachvoll als ein Krimineller hingerichtet wurde, nicht vor.

2. Nach dem Gesetz des Alten Testaments war Jesus durch die Hinrichtung als Häretiker gekennzeichnet, als ein von Gott verfluchter Mensch.

3. Die jüdische Lehre vom Leben nach dem Tod schloß aus, daß jemand vor der allgemeinen Auferstehung der Toten am Ende der Welt zu Verherrlichung und Unsterblichkeit aufersteht.

Trotz all dem, gelangten die Jünger plötzlich zu der Überzeugung, daß Gott Jesus auferweckt hat, und diese Überzeugung war so stark, daß sie bereit waren, im Vertrauen auf die Wahrheit dieser Überzeugung zu sterben.  Luke Johnson, ein Erforscher des Neuen Testaments an der Emory Universität, schreibt dazu: „Nur ein sehr eindrückliches, veränderndes Erlebnis kann eine Bewegung in Gang setzen, wie sie das frühe Christentum war.“  Thomas Wright, ein renommierter englischer Forscher, zieht den Schluß: „Deshalb kann ich als Historiker die Entstehung des frühen Christentums nicht erklären ohne anzunehmen, daß Jesus auferstand und ein leeres Grab hinterließ.“

Die Versuche, diese drei Tatsachen wegzuerklären – etwa durch die Annahme, die Jünger hätten den Leichnam gestohlen oder Jesus sei nicht richtig tot gewesen – werden in der heutigen Forschung allgemein verworfen.  Es gibt keine plausible natürliche Erklärung dieser Tatsachen.  Daher scheinen mir Christen eine starke Rechtfertigung für die Annahme zu haben, daß Jesus vom Tod auferstanden ist und daß er war, wer er zu sein behauptete.  Daraus aber folgt, daß Gott existiert.

Wir können dieses Argument wie folgt zusammenfassen:

1. Es gibt drei etablierte Tatsachen zum Schicksal von Jesus: Die Entdeckung seines leeren Grabes, sein Erscheinen nach seinem Tod, und der Auferstehungsglaube der Jünger.

 

2. Die Hypothese „Gott hat Jesus vom Tod auferweckt“ ist die beste Erklärung dieser Tatsachen.

 

3. Die Hypothese „Gott hat Jesus vom Tod auferweckt“ impliziert, daß der von Jesus offenbarte Gott existiert.

 

4. Also existiert der von Jesus offenbarte Gott.

 

 

5. Man kann Gott unmittelbar kennenlernen und wahrnehmen.

Das folgende ist eigentlich kein Argument für die Existenz Gottes, sondern es ist die Behauptung, daß man unabhängig von Argumenten und Indizien, erkennen kann, daß Gott existiert, indem man ihn erfährt.  Wie John Hick erklärt war dies die Art und Weise, wie die Menschen in der Bibel Gott kennengelernt haben.  Er schreibt:

Gott war ihnen bekannt als ein lebendiger Wille, der ihrem eigenen Willen gegenüber handelte ... Für sie war Gott nicht ... eine vom Geist ersonnene Idee, sondern eine Erfahrungswirklichkeit, die ihrem Leben Bedeutung gab.

 

Philosophen nennen solche Überzeugungen „berechtigterweise grundlegende Überzeugungen“. Sie gründen nicht auf anderen Überzeugungen, sondern sie gehören zu den Fundamenten des Systems der Überzeugungen eines Menschen.  Andere grundlegende Überzeugungen sind die Überzeugung von der Wirklichkeit der Vergangenheit, von der Existenz der externen Welt, und von der Gegenwart anderer geistiger Wesen wie man selbst. Keine dieser Überzeugungen kann durch Indizien bewiesen werden.  Wie will man, zum Beispiel, beweisen, daß die Welt nicht erst vor fünf Minuten geschaffen wurde, komplett mit den Erscheinungen des Alters, wie Nahrung vom Frühstück in unseren Mägen, die wir nie gegessen haben, und mit Erinnerungsspuren in unseren Gehirnen von Ereignissen, die wir nie wirklich erlebt haben?

Obwohl solche Überzeugungen für uns grundlegend sind, sind sie nicht willkürlich.  Sie haben ihren Grund in einem Hintergrund von Erfahrungen.  Vor dem Hintergrund des Sehens, Fühlens und Hörens bestimmter Dinge, bilde ich natürlicherweise die Überzeugung, daß es bestimmte physische Gegenstände gibt, die ich wahrnehme.  Meine grundlegenden Überzeugungen sind daher nicht willkürlich, sondern angemessen in Erfahrungen eingebettet.  Es mag keine Möglichkeit geben, solche Überzeugungen zu beweisen, und dennoch ist es völlig vernünftig, sie zu haben. Solche Überzeugungen sind nicht nur grundlegend, sie sind berechtigterweise grundlegend.

Auf dieselbe Weise ist die Überzeugung von Gott für die, die Gott suchen, eine berechtigterweise grundlegende Überzeugung, die ihren Grund in unseren Gotteserfahrungen hat.

Wir können diese Überlegungen wie folgt zusammenfassen:

1. Überzeugungen, die einen angemessenen Grund haben, können rationaler Weise als grundlegende Überzeugungen angenommen werden, die sich nicht auf Argumente und Indizien stützen.

 

2. Die Überzeugung, daß Gott existiert hat einen angemessenen Grund.

 

3. Also kann die Überzeugung, daß Gott existiert, rational angenommen werden als eine grundlegende Überzeugung, die sich nicht auf Argumente und Indizien stützt.

 

Wenn das aber stimmt, dann besteht die Gefahr, daß die Argumente für die Existenz Gottes einen von Gott selbst ablenken können.  Wenn Sie aufrichtig Gott suchen, wird Gott Ihnen seine Existenz offensichtlich machen.  Die Bibel sagt „Suchet Gott, so wird er sich finden lassen“ [Jer. 29:13]. Wir dürfen uns nicht so auf die Argumente konzentrieren, daß wir die Stimme Gottes in uns überhören.  Für die, die hören, wird Gott eine unmittelbare Wirklichkeit im Leben.

[Ich fasse zusammen. Wir haben gesehen, daß es fünf gute Gründe für die Annahme gibt, daß Gott existiert:

1. Gott erklärt den Ursprung des Universums.

2. Gott erklärt die Feinabstimmung des Universums für intelligentes Leben.

3. Gott erklärt objektive moralische Werte in der Welt.

4. Gott erklärt das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu.

5. Gott kann unmittelbar erfahren werden.]

            Zusammengenommen ergibt sich eine starke Beweislage für die Existenz Gottes.  Daher meine ich, daß der christliche Theismus eine plausible Weltanschauung ist, die jeder vernünftige Mensch aufrichtig erwägen sollte.

 

Translation of W.L. Craig „Does God Exist?“, by Daniel von Wachter, 28.3.2005

Copyright W.L. Craig


 

Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster

Argumente gegen den Gottesglauben

 

Beitrag zur Debatte mit Dr. William Lane Craig (München, 25.4.05)

 

Ist es vernünftig, an Gott zu glauben? Viele Menschen würden heute auf diese Frage antworten:

Das muß jeder für sich entscheiden. Man kann weder die Existenz noch die Nicht-Existenz Gottes beweisen. Wer Gott zur Bewältigung seines Lebens braucht, der soll halt an Gott glauben. Wer auch ohne Gott zurecht kommt, der soll es lassen.

Diese Sichtweise der Dinge ist nicht völlig falsch. Sie macht es sich jedoch zu einfach. Das wird deutlich, wenn wir uns etwa fragen, wie wir mit dem Glauben an die Astrologie umgehen würden, der ja auch für manche Menschen eine wichtige Funktion in ihrem Leben hat. Hier würden doch die meisten intelligenteren Menschen sagen: Bevor ich mein Leben nach irgendeinem Horoskop ausrichte, möchte ich zunächst einmal Argumente dafür sehen, daß die Sterne wirklich unser Leben beeinflussen.

Ebenso aber sollte ein intelligenter Mensch, so schein mir, dem Gottesglauben begegnen. Er sollte sich fragen, ob es nicht vielleicht gewisse Argumente für den Gottesglauben gibt, die diesen Glauben jedenfalls als rationaler oder vernünftiger erweisen als den Unglauben.  

Wenn ich hier von Gott spreche, so meine ich ausschließlich den monotheistisch verstandenen Gott, insbesondere den Gott der Christen. Dieser Gott läßt sich wie folgt definieren:

1. als ein ewig existentes geistiges Wesen ohne einen Körper;

2. als ein Wesen, das absolut vollkommen, also insbesondere allmächtig und allgütig ist; und

3. als ein Wesen, das in seiner Allmacht und Allgüte die Welt mitsamt dem Menschen erschaffen

hat und lenkt. -

Ich komme nun zu einigen zentralen Argumenten der Monotheisten oder einfach Theisten für die Existenz dieses Gottes. Da ist vor allem das Argument aus der Existenz der Welt: Da es eine Welt gibt, muß es auch jemanden geben, der die Welt erschaffen hat. Denn alles in der Welt (jedes Ereignis in der Welt) hat, wie uns die Wissenschaft lehrt, eine Ursache. Also muß auch die Welt als ganze eine Ursache haben; und diese Ursache ist Gott.

Der erste Einwand gegen dieses Argument liegt auf der Hand: Warum kann die Welt, also das Universum, nicht zeitlich unendlich, also ohne Anfang und Ende sein, eine unendliche Abfolge stets neuer Ursachen und Wirkungen? Schließlich ist zum Beispiel auch die Reihe aller geraden Zahlen unendlich: Man kann immer noch eine weitere Zahl hinzudenken.

Manche Theisten meinen, daß die moderne Physik gezeigt habe, daß das Universum tatsächlich einen Anfang in der Zeit hatte. - Dies ist offenbar auch die Auffassung von Herrn Craig. - Und zwar wird behauptet, der Beginn des Universums falle mit dem sogenannten Urknall vor etlichen Milliarden Jahren zusammen.

Nun, ich bin zwar kein Physiker. Die Behauptung aber, daß es vor dem sogenannten Urknall definitiv nichts gegeben hätte, ist schon prinzipiell, verstanden als eine Behauptung der Naturwissenschaft, kaum belegbar und wird auch meines Wissens von den meisten Physikern gar nicht aufgestellt. Was man als Wissenschaftler guten Gewissens eventuell behaupten kann, ist dies:

Vor dem Urknall hat es tatsächlich keine Materie und keine Energie in der späteren, uns geläufigen Form gegeben. Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß wir eines Tage vielleicht sogar erklären können, wie eine frühere Form von Materie bzw. Energie näherhin beschaffen war und wie es auf der Basis dieser früheren Form von Materie bzw. Energie dann zum Urknall kam.

Wir benötigen also die Gotteshypothese nicht, um den Urknall zu erklären. Und wir benötigen die Gotteshypothese ebenso wenig, um die Entstehung von Leben auf dieser Erde zu erklären. Auch hier reicht eine rein naturalistische Erklärung aus.

Wenn das Universum nämlich - in dieser oder jener Form - schon ewig existiert hat und wenn es außerdem vor dem Urknall möglicherweise schon eine unendliche Vielzahl von mit Materie und Energie sehr unterschiedlich ausgestatteten Welten gegeben hat, warum sollte dann nicht eine dieser unendlichen Welten - nämlich unsere Welt - tatsächlich die für die Entstehung von Leben erforderliche spezielle Ausstattung aufweisen? Unter Millionen von Lottospielern gibt es ja auch immer mal wieder diesen oder jenen einzelnen Gewinner!

Ich gebe gerne zu: Diese von mir angestellten Überlegungen sind nicht zwingend. Doch die angeblich aus den Naturwissenschaften abgeleitete Lehre vom Beginn des Universums in der Zeit ist sicher ebenso wenig zwingend. Der Theist aber ist es, den für seine These die Beweis- oder Argumentationslast trifft. -

Nehmen wir nun aber argumentationshalber einmal an, es ließe sich tatsächlich wissenschaftlich zeigen, daß das Universum vor etlichen Milliarden Jahren buchstäblich aus dem Nichts entstanden ist. Dann wäre dieser Beginn des Universums in der Tat ein mysteriöses, als solches unerklärliches Ereignis. - Ich möchte jedoch behaupten: Dieses Ereignis bleibt im Grunde ebenso mysteriös und unerklärlich, wenn wir zur Auflösung des Mysteriums einfach einen Gott postulieren, der dieses Ereignis angeblich verursacht hat.

Denn 1. wie kann ein rein geistiges Wesen Materie aus dem Nichts schaffen? Und 2. wie kann ein rein geistiges Wesen auf die von ihm geschaffene Materie in irgendeiner Weise gestaltend einwirken, ohne zu diesem Zweck seinen eigenen materiellen Körper - der Gott aber per definitionem fehlt - benutzen zu müssen?

Ich kenne keine befriedigende Antwort auf diese Fragen. - Bitte bedenken Sie: Die einzigen uns bekannten Wesen, die durch ihren Geist etwas schaffen oder bewirken können, sind Menschen - in einem gewissen Sinn auch Tiere - vor allem aber Menschen.

So kann ein besonders intelligenter Erfinder sich vielleicht ein Fernsehgerät ausdenken, das nicht größer als eine Armbanduhr ist. Doch kein noch so intelligenter Erfinder, meine Damen und Herren - niemand überhaupt - kann ein solches Fernsehgerät wirklich herstellen, ohne dabei 

1. irgendwelches Rohmaterial, also irgendwelche Materie zu benutzen - und zwar Materie, die er nicht etwa selbst mithilfe seines Geistes geschaffen hat, sondern die er als Materie bereits vorfindet. Und kein noch so intelligenter Erfinder kann ein solches Gerät wirklich herstellen, ohne sich dabei 

2. nicht etwa nur seines Geistes, sondern auch seines Körpers zu bedienen.

Mit anderen Worten: Jeder uns bekannte, also jeder menschliche Geist, der Materie in irgendeiner Weise gestalten will, muß zu diesem Zweck erstens bereits Materie vorfinden und zweitens die Materie seines eigenen Körpers - seine Augen, seine Hände, seine Muskeln usw. - bei seiner Tätigkeit zum Einsatz bringen.

Die Vorstellung, daß ein körperloser Geist so etwas wie Sterne aus dem Nichts formen kann, erscheint mir nicht weniger mysteriös als etwa die astrologische Vorstellung, daß Sterne den menschlichen Geist formen können.

Außerdem: Hat Gott, indem der das Universum angeblich speziell für den Menschen erschaffen hat, nicht reichlich viel Aufwand getrieben angesichts der Tatsache, daß er diesen Menschen im unendlichen Universum einzig auf unserer kleinen Erde erscheinen ließ - und dies im zeitlichen Rahmen eines Vorspiels von Milliarden Jahren (bevor der Mensch überhaupt auf der Erde auftaucht) und eines vermutlich ebenso langen Nachspiels (nachdem der Mensch wieder von der Erde verschwunden ist)? Wenn nicht - von unserer menschlichen Warte aus betrachtet - lieber weniger Quantität, dafür aber etwas mehr Qualität? Was hat eine große Familie davon, allein in einem wunderbaren, riesigen Schloß zu wohnen, wenn sie nur zwei Zimmer in dem Schloß nutzen kann und wenn diese beiden Zimmer außerdem noch dürftig ausgestattet sind? Schließlich und endlich: Es spricht absolut nichts dafür, daß das Universum, selbst wenn es von einem Geist erschaffen wurde, nur von einem einzigen Geist erschaffen wurde. Könnten sich nicht ebenso gut mehrere Götter die Arbeit geteilt haben - vielleicht sogar (angesichts der unzureichenden Qualität dieser Welt), ohne daß diese Arbeitsteilung sehr professionell organisiert war?  

Die unzureichende Qualität, die Unvollkommenheit dieser Welt. - Damit bin ich an dem vielleicht entscheidenden Punkt meiner Einwände gegen den Theismus angelangt. Können wir wirklich aus der Beschaffenheit der Welt jemals auf den monotheistisch verstandenen, den christlichen Gott schließen? Bitte erinnern Sie sich:

Dieser Gott ist definiert nicht etwa nur als Schöpfer der Welt, sondern als Schöpfer der Welt, der gleichzeitig durch eine höchste Vollkommenheit jeder Art, also insbesondere durch eine vollkommende Macht und durch eine vollkommende Güte ausgezeichnet ist. Die göttliche Allmacht sowie die göttliche Allgüte sind für jeden Monotheisten neben der göttlichen Schöpferkraft die wesentlichen und unverzichtbaren Eigenschaften seines Gottes.

Nun: An der Allmacht eines Gottes, der die Welt aus dem Nichts erschaffen hat, scheint in der Tat kein Weg vorbeizugehen. Aber wie steht es mit der moralischen Vollkommenheit, der Allgüte dieses Gottes? Ich frage mich: Wie kann ein vernünftiger Mensch, der mit offenen Augen die Welt betrachtet, überhaupt auf die Idee kommen, daß diese Welt das Werk eines Gottes ist, den man ohne weiteres als allgütig bezeichnen kann?

Was ich hier anspreche, ist bekanntlich das sogenannte Problem des Übels oder Theodizee- Problem, das Problem also der Rechtfertigung Gottes angesichts des unbezweifelten Übels in der von Gott geschaffenen Welt. Nach meiner Überzeugung ist dieses Problem bislang von keinem Theisten auch nur annähernd gelöst worden. Ohne die Lösung dieses Problems aber hängt der monotheistische Gottesglaube begündungstheoretisch in der Luft.

Warum können die gängigen Lösungsversuche nicht überzeugen? Betrachten wir vor allem das natürliche Übel, also jenes Übel, das - anders als das sogenannte moralische Übel - auch ohne Zutun des Menschen in der Welt vorhanden ist. Wieso konnte ein dem Menschen in unendlicher Allgüte zugetaner Gott die Welt so erschaffen und gestalten, daß sie so offenkundige Übel enthält wie Krankheiten, Seuchen und Naturkatastrophen vielfältigster Art?

Man denke in diesem Zusammenhang etwa an die Krebskrankheit, an das Malariafieber, an Erdbeben, Hungerkatastrophen, Überschwemmungen usw. In jüngster Zeit wird dieses Problem des Übels von Theologen und Philosophen oft nur noch in Form der Frage formuliert: Kann man nach Auschwitz noch an einen allmächtigen und allgütigen Gott glauben? Diese ausschließliche Fixierung auf das moralische, also von Menschen wie einem Adolf Hitler verursachte Übel stellt jedoch eine gewaltige Verkürzung des Problems, ja sogar eine gewisse Irreführung dar.

Der bekannte katholische Philosoph Robert Spaemann hat eindeutig unrecht, wenn er etwa behauptet: "Die natürlichen Leiden sind ja kaum erwähnenswert gegenüber denen, die der Mensch dem Menschen antut".

Ich möchte das Gegenteil behaupten: Die natürlichen Leiden sind die schlimmeren - abgesehen davon, daß ja auch ein Adolf Hitler letztlich ein Produkt der von Gott geschaffenen Natur ist. In diesem Zusammenhang nur zwei Fakten: Es ist keine Besonderheit, daß ein Erdbeben, wie kürzlich das Seebeben in Asien, mehrere 100.000 Opfer fordert. Schon ein Erdbeben in China im Jahr 1976 forderte 250.000 Tote und ca. 1 Million Verletzte. Noch mehr zu denken aber gibt die folgende Zahl: Seit Jahren gehen weltweit täglich circa 35.000 Kinder an Hunger und Krankheit jämmerlich zugrunde. Täglich 35.000, das macht etwa 13 Millionen pro Jahr. - Derartige Opferzahlen hat selbst ein Hitler oder Stalin nicht erreicht. Hätte ein allgütiger Gott die Welt nicht ohne solche Grausamkeiten der Natur erschaffen können, ja erschaffen müssen? Richtig ist zwar: Diese Grausamkeiten der Natur sind die Folge von Gesetzen, denen die Natur unterworfen ist, die Folge von Naturgesetzen. Gott aber ist es doch, der die Welt einschließlich all ihrer Naturgesetze aus dem Nichts erschaffen hat. Und Gott in seiner Allwissenheit hat ebenfalls sämtliche Auswirkungen und Folgen der von ihm geschaffenen Naturgesetze vom Weltanfang bis zum Weltende bereits vorausgesehen. Hätte er also, falls er tatsächlich auch ein allgütiger Gott ist, die Welt nicht mit anderen, dem menschlichen Wohl zuträglicheren Naturgesetzen erschaffen müssen?

Ich frage Sie: Wie kann man angesichts des tatsächlichen Zustandes der Welt rationalerweise überhaupt auf den Gedanken kommen, daß der Schöpfer der Welt ein allgütiges, dem Menschen wohlgesonnenes Wesen ist? - Der wichtigste Versuch der Theisten, mit diesem Problem fertig zu werden, sieht so aus.

Jene Naturgesetze, die zu den genannten natürlichen Übeln führen, haben in Wahrheit auch positive Konsequenzen, das heißt sie führen in der von Gott geschaffenen Welt auch zu Gütern - und zwar zu Gütern, die die genannten Übel mehr als aufwiegen. - Dies ist in der Tat, das muß man zugeben, denkbar.

Tatsächlich hat aber kein Theist bislang zeigen können, daß mit solchen Übeln wie Naturkatastrophen und Krankheiten irgendwelche größeren Güter wirklich verbunden sind. Und außerdem: Es würde nicht genügen, wenn der Theist solche Güter tatsächlich benennen könnte. Denn: Ein Gott, der allmächtig ist, hätte ja die bestehenden Naturgesetze in der Weise ändern oder modifizieren können, daß die Güter zwar erreicht, die Übel aber vermieden worden wären. Was hätte Gott denn daran hindern können, die uns benannten Naturgesetze rechtzeitig so zu verändern, daß Übel wie Krebs und Erdbeben vermieden worden wären? Daß auf der anderen Seite jedoch die betreffenden Güter, die diese Naturgesetze ebenfalls hervorbringen - falls es solche Güter überhaupt gibt - erhalten geblieben wären? Es hat sich im Laufe der Zeit - glücklicherweise - herausgestellt, daß es sogar dem Menschen mit seinen eher bescheidenen Fähigkeiten möglich war, jedenfalls einige Krankheiten und Naturkatastrophen auszurotten bzw. in ihren Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Für einen allmächtigen Gott aber, der dasselbe Ziel gehabt hätte, wäre dieses Ereignis doch noch viel leichter zu erreichen gewesen.

Hierauf nun lautet die Antwort einiger Theisten so: Gott wollte dieses Ziel bewußt gar nicht erreichen. Er wollte vielmehr dem Menschen als einem mit einem freien Willen ausgestatteten Wesen die Chance geben, sich im Kampf mit dem natürlichen Übel moralisch zu bewähren. Der hohe Wert einer gelungenen moralischen Bewährung aber wiegt den Unwert der zu diesem Zweck erforderlichen Übel mehr als auf. - Diese Antwort jedoch erweist sich schon bei geringem Nachdenken als völlig unzureichend.

1. Ist ein jahrelanges Leiden von kranken Kindern wirklich damit zu rechtfertigen, daß sie ein mitleidiger Arzt auch ohne Honorar nach Jahren schließlich heilt und sich dadurch vor Gott moralische Verdienste erwirbt?

2. aber: Gegen sehr viele natürliche Übel kann der Mensch - selbst bei äußerster Anstrengung - überhaupt nichts ausrichten! Kann er zum Beispiel Erdbeben samt ihren Folgen verhindern? Kann er den natürlichen Tod jedes Menschen besiegen? So viel zu diesem misslungenen Lösungsversuch des Theisten. Die sonst noch gängigen Antworten von Gläubigen, insbesondere von Theologen auf die Herausforderung des Problems des Übels sind leider so realitätsfern, daß man nicht näher auf sie eingehen muß.

So las ich kürzlich in einer bekannten Zeitschrift in einem Beitrag, der Ratschläge zur religiösen Unterweisung von Kindern gab, man solle Kindern auf die Frage "Warum läßt es Gott zu, daß die Menschen krank werden oder sterben?" zur Antwort geben: "Wenn es keine kranken Menschen geben würde, würden wir gar nicht wissen, daß wir gesund sind. Wenn niemand sterben würde, wüßten wir nicht, daß wir leben".

Diese wahrhaft geniale Lösung des Theodizee-Problems hat, das sei hinzugefügt, sogar den Vorteil, daß sie gleichzeitig auch für die Problemlösung des moralischen, also des von Menschen verursachten Übels den Schlüssel liefert. So sollte man auf die Frage "Warum hat Gott es zugelassen, daß Adolf Hitler Millionen Menschen umgebracht hat?" den Kindern vermutlich antworten: "Damit ihr wißt, wie gut ihr es heute unter Gerhard Schröder habt". Kindererziehung zum Gottesglauben im Jahre 2005!

Natürlich wäre speziell zum Problem des moralischen Übels noch manches zu sagen. Alles in allem sehe ich jedoch nicht annähernd, wie der Theist uns zeigen kann, daß jener Gott, der die Welt in seiner Allmacht aus dem Nichts erschaffen haben soll, gleichzeitig ein moralisch vollkommenes, allgütiges Wesen ist. Wenn der Theist dies aber nicht zeigen kann, dann verliert der Gottesglaube offenbar für die menschliche Lebenspraxis jegliche Relevanz.

Dies war auch die entschiedene Meinung des großen Aufklärungsphilosophen David Hume, für den ein Gottesglaube, der rational vertretbar sein will, sich reduzieren läßt auf die These, daß das Universum nicht notwendig nur aus Materie besteht, sondern daß (ich zitiere) "das ursprüngliche Ordnungsprinzip im Universum eine gewisse, entfernte Ähnlichkeit mit menschlicher Intelligenz hat". Am Wohlergehen der Menschen scheint dieser Gott für David Hume so wenig interessiert zu sein wie am Wohlergehen der Ameisen oder der Elefanten.

Ganz ähnlich sah es übrigens Albert Einstein, der in einem Interview einmal sagte, er glaube zwar an einen Gott, der (ich zitiere) "sich in der planmäßigen Harmonie dessen, was ist, offenbart" - nicht aber an einen Gott, der "sich um die Schicksale und Handlungen von Menschen kümmert".

Und der zeitgenössische amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Steven Weinberg schreibt speziell im Zusammenhang mit dem Problem des Übels: "Ich kann für Versuche, Gottes Umgang mit den Menschen zu rechtfertigen, kein Verständnis aufbringen. Falls es einen Gott gibt, der besondere Pläne mit den Menschen hat, dann hat dieser Gott sich wirklich große Mühe gegeben, sein Interesse an uns nicht sichtbar werden zu lassen. Es erschiene mir unhöflich, wenn nicht gar respektlos, einen solchen Gott mit unseren Gebeten zu behelligen".

Fazit: Selbst ein ewiges geistiges Wesen oder Gestaltungsprinzip, auf das die Welt, wie wir sie kennen, zurückgeht, bleibt für unser moralisches Handeln und für die praktische Bewältigung unseres Lebens bedeutungslos. -

Es verwundert unter diesen Umständen nicht, daß jene Theisten, die sich zur Rechtfertigung ihrer moralischen Überzeugungen gern auf Gott berufen, nicht selten zu außerordentlich unterschiedlichen, ja widersprüchlichen Urteilen kommen. Man hat den Eindruck, daß die Betreffenden ihren jeweiligen moralischen Einstellungen dadurch eine besondere Legitimation verschaffen wollen, daß sie diese moralischen Einstellungen einfach in einen fingierten göttlichen Willen hineinlegen. - Die möglichen Beispiele für dieses Phänomen sind Legion. Ich beschränke mich auf das folgende Beispiel.

Wer, so fragt man sich, hat den göttlichen Ratschluß eigentlich auf seiner Seite: Papst Benedikt XVI., der sich kürzlich sehr deutlich gegen den Krieg der USA gegen den Irak ausgesprochen hat; oder Präsident George W. Bush, der, wie er der Welt mehrfach versichert hat, unmittelbar von Gott beauftragt wurde, im Kampf gegen das Böse die islamischen Staaten die wahren Werte Gottes zu lehren - und dies selbst unter Inkaufnahme von mehr als 100.000 unschuldigen Opfern?

Übrigens hat auch der an Gott glaubende Adolf Hitler nie einen Zweifel daran gelassen, daß er, Hitler, mit seiner Politik eine ihm - ich zitiere aus Hitlers Buch "Mein Kampf" - "vom Schöpfer des Universums zugewiesene Mission" erfülle.

Derartige Beispiele zeigen: Selbst dann, wenn wir ausreichenden Grund hätten, an einen Gott zu glauben, der in vollkommener Güte den Menschen zugetan ist (was nicht der Fall ist), so würden wir ganz offenbar für unsere Lebenspraxis immer noch nicht wissen, wie dieser Gott, an den wir glauben, sich unser Leben, vor allem unser soziales Zusammenleben, eigentlich vorstellt.

Anmerkung: Eine ausführliche Erörterung aller angesprochenen Fragen enthält das Buch:

 

"Norbert Hoerster, Die Frage nach Gott", Beck-Verlag, München 2005, ISBN: 3406528058
 


Dr. Michael Schmidt-Salomon, Trier

„Existiert Gott?“

Beitrag zur gleichnamigen Debatte mit dem amerikanischen Intelligent-Design-Vertreter Dr. William Lane Craig

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 26.4.2005

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich bedanke mich herzlich für die freundliche Einladung nach Düsseldorf. Selten genug kommt es zu einem gedanklichen Austausch zwischen religiösen und nicht religiös denkenden Menschen. Insofern bietet die heutige Veranstaltung die seltene Chance, voneinander lernen zu können.

 

Obgleich ich also unsere heutige Debatte als prinzipiell sinnvoll einschätze, komme ich paradoxerweise nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass die Frage, die dieser Veranstaltung den Titel gibt, „Existiert Gott?“ in dieser allgemeinen Form sinnlos ist. Warum? Weil die Frage nach der Existenz Gottes solange unbeantwortbar bleibt, solange nicht klar ist, was man unter dem Begriff „Gott“ versteht. Um entscheiden zu können, ob ein Begriff einen realen Sachverhalt beschreibt oder nicht, muss man wissen, welches Bündel von Eigenschaften diesem Begriff zugeordnet werden soll.

 

Nehmen wir einmal an, Sie definierten Gott im Sinne der Mystiker als „Summe allen Seins“, als metaphysisches Wesen, das jenseits unserer Wahrnehmung den gesamten Kosmos erfüllt. Würde ich als Atheist die Frage „Existiert Gott?“ vor dem Hintergrund dieser Gottesdefinition mit „Nein“ beantworten? Gewiss nicht, denn es wäre im höchsten Maße unsinnig, eine Aussage über die Existenz oder Nichtexistenz eines Wesens machen zu wollen, das per definitionem nicht wahrgenommen werden kann! Das einzige rationale Argument, das man gegen diese Gottesvorstellung vorbringen könnte, wäre, dass man im alltäglichen Sprachgebrauch auf einen solchen Begriff von Gott getrost verzichten kann. Denn ein Gott, der alles umfasst, ist begrifflich von nichts mehr unterscheidbar. Er wäre Alles und Nichts, Bestandteil von Bibel und Kommunistischem Manifest, von Ringelröschen, Bandwürmern und Vernichtungslagern, von Klöstern und Sexshops, Gottesdiensten und Abtreibungskliniken, Priesterseminaren und Swingerclubs. Auf einem solchen, alle Eigenschaften umfassenden und damit eigenschaftslosen Gott lässt sich keine Religion begründen, weshalb auch kein Atheist mit Verstand starke Bedenken gegen eine solche Gottesvorstellung vorbringen sollte.

 

Wie Sie an diesem Beispiel sehen können, muss ein entschiedener Atheist wie ich nicht jede Gottesvorstellung rigoros ablehnen, ebenso wenig wie ein entschiedener Theist wie Dr. Craig jeden Gottesglauben akzeptieren muss. Tatsächlich leugnet Dr. Craig fast ebenso viele Gottesvorstellungen wie ich. (Man denke nur an die unzähligen hinduistischen Götter oder die Götter indianischer Stämme.) Der Unterschied zwischen dem christlichen Theismus, den Dr. Craig vertritt, und meinem „Atheismus“ besteht im Kern darin, dass er die Existenz von vielleicht 500.000 Göttern bestreitet, ich hingegen die von 500.001…

 

Ich betone dies deshalb so stark, weil wir uns bewusst sein müssen, dass Dr. Craig hier nicht versucht, die Möglichkeit der Existenz Gottes oder göttlicher Wesen per se zu verteidigen. Es geht ihm vielmehr um eine spezifische Gottesvorstellung, nämlich jene, die ihm zufälligerweise als Kind nahe gebracht wurde, die christliche.

 

Der Gott, dessen Existenz Dr. Craig beweisen will, ist also keinesfalls der eigenschaftslose, unpersönliche, eigentlich rein metaphorische „Gott“ Albert Einsteins, von dem der Physiker nur eines zu wissen glaubte, nämlich dass dieser Gott nicht würfelt. Craig schwebt ein als Person gedachter Gott mit spezifischen Eigenschaften und Interessen sowie recht eigentümlichen ethischen Maßstäben vor. Dies müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir die Argumente beurteilen wollen, die Dr. Craig vorbringt, um die Existenz Gottes zu verteidigen.

 

Craigs kosmologische „Gottesbeweise“ (Thesen 1-3)

 

In seinen ersten drei Thesen versucht Craig seinen Gottesglauben mit kosmologischen Argumenten zu untermauern. Craig meint, dass das Universum eine Erstursache haben müsse, die größer sei als das Universum selbst. Diesen kreativen Ursprung nennt er Gott. Natürlich kann er das Problem der Erstverursachung durch diesen Kniff nicht lösen, er verlagert es bloß um eine Stelle nach hinten. Eigentlich müsste man jetzt fragen: Was ist der Ursprung Gottes? Diese Frage aber hält Dr. Craig für unzulässig, da er Gott als ein ewiges Wesen definiert, das in sich selbst seine Ursache habe.

 

Was Craig auf diese Weise „Gott“ zubilligt, könnte man natürlich ebenso gut für das Universum einklagen. Auch das Universum könnte als ewig existent und in sich selbst begründet definiert werden. Um dieses elegante Argument abzuwenden, behauptet Craig, dass die Theorie des Urknalls dem Postulat eines ewig seienden, aus sich selbst entstandenen Universums widersprechen würde. Hier jedoch irrt er gewaltig!

 

Die Mehrheit der Forscher geht heute nämlich davon aus, dass vor dem sogenannten Urknall ein energiereiches, möglicherweise ewig existentes Vakuum vorherrschte, dessen Energiefluktuationen zu jenem inflationären Ereignis führten, das wir heute als Big Bang beschreiben. Das heißt: Auch wenn wir den Urknall als Auslöser der Entstehung des uns bekannten Kosmos begreifen können, so war er doch keinesfalls ein Anfang ohne entsprechende physikalische Voraussetzungen. Ein göttlicher Erstverursacher zur Erklärung des Urknalls ist also keineswegs vonnöten, ein energiereiches Vakuum, dessen gewaltige Kräfte wir (im Unterschied zur fabulierten Gottesmacht) an Hand von Supernova-Messungen empirisch nachvollziehen können, reicht hierzu völlig aus.

 

Etwas raffinierter als das Argument des notwendigen Erstverursachers ist Craigs drittes Argument, welches besagt, dass die sog. „Feinabstimmung des Universums“ die Vorstellung nahe lege, dass ein „intelligenter Designer“ seine Hände im Spiel habe. In der Tat ist es auf den ersten Blick erstaunlich, wie genau die Parameter des von uns beobachtbaren Universums auf die Erfordernisse des Lebens abgestimmt sind. Wenn zum Beispiel die Entropie nach dem Urknall nicht so gering gewesen wäre, befände sich das Universum längst in einem thermodynamischen Gleichgewicht und es hätten sich keine komplexen Strukturen bilden können…

 

Wer aber nun meint, die sog. Feinabstimmung sei ein zwingendes Argument zur Annahme der Existenz eines intelligenten Planers, der unterliegt einem trivialen, finalistischen Fehlschluss. Zwar stimmt es, dass wir nur deshalb existieren, weil entsprechende kosmologische Bedingungen vorliegen. Das heißt jedoch nicht, dass diese Bedingungen vorherrschen, damit wir existieren können.

 

Ich will die hier zum Vorschein kommende Verwechslung von Ursache und Zweckbestimmung an einem Beispiel verdeutlichen: Ich wage zu behaupten, dass niemand in diesem Raum existieren würde, wenn es Adolf Hitler Anfang der Dreißiger Jahre nicht gelungen wäre, sein verbrecherisches Regime in Deutschland zu etablieren. Warum? Weil ohne die weltweiten Irritationen, die durch dieses geschichtliche Ereignis ausgelöst wurden, unsere Eltern, sofern sie überhaupt existiert hätten, niemals zusammengekommen wären – und wenn doch, hätten sie wohl nie in exakt demselben Moment miteinander sexuell interagiert, so dass exakt diese Samenzelle auf exakt jene Eizelle hätte treffen können, deren Kombination wir unsere eigene Existenz verdanken.

 

Heißt das nun, dass Hitler mit seiner Machtergreifung bezweckte, dass Sie, liebe ZuhörerInnen, irgendwann einmal geboren werden und somit u.a. einer Debatte zur Existenz Gottes an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beiwohnen können? Nun, ich hoffe nicht, dass irgendjemand hier im Raum tatsächlich auf den absurden Gedanken kommt, Hitler als intelligenten Designer dieser Veranstaltung zu begreifen…

 

Fest seht, dass selbst kleinste Abweichungen im Lebensweg unserer Eltern, Großeltern, Urgroßeltern etc. dazu hätten führen können, dass wir nie geboren worden wären. Mit anderen Worten: Es ist nichts weiter als ein einmaliger – und in Anbetracht der vielen alternativen Möglichkeiten höchst unwahrscheinlicher! – historischer Zufall, dass ausgerechnet wir hier heute zusammentreffen. Ebenso handelt es sich wohl auch nur einen kosmologischen Zufall, dass das uns bekannte Universum genau jene Kriterien aufweist, die unsere Existenz ermöglichen. In anderen Universen (mittlerweile geht ja ein Großteil der Forscher nicht mehr von einem Universum, sondern von unzählig vielen Universen aus!) könnte dies völlig anders aussehen, d.h. die kosmologischen Parameter so bestimmt sein, dass Leben dort per se nicht möglich ist.

 

Bis hierhin, habe ich versucht aufzuzeigen, dass es zwar denkmöglich, aber weder zwingend noch sinnvoll ist, von einem wie auch immer gearteten Designer des Universums auszugehen. Aber Craigs Designer ist nicht bloß „irgendwie geartet“, er hat spezifische Eigenschaften, vor allem ist er „intelligent“, ja, mehr als das: das Optimum an Intelligenz, ein allwissender, allmächtiger Gott! Mit dieser Annahme nun wird Craigs Argumentation noch problematischer, als sie ohnehin schon ist.

 

Denn angenommen, dass ein allwissender, allmächtiger Gott tatsächlich das Universum geschaffen hätte, damit Menschen darin leben und dem von ihm vorgegebenen Heilsplan folgen können, warum hat Gott zur Erreichung dieses Ziels bloß soviel sinnlosen Aufwand betrieben? Warum erschuf er ein gigantisches Multiversum, das ja in weiten Teilen keinerlei Leben ermöglicht, wenn es doch eigentlich nur um das Seelenheil jener affenartigen, auf zwei Beinen laufenden Säugetiere geht, die einen winzig kleinen Planeten am Rande der Milchstraße bewohnen? Hätte es für die ihm unterstellten Zwecke nicht völlig genügt, eine kleine Scheibe mit darüber gewölbtem Firmament zu erschaffen – etwa so wie sich die Verfasser des biblischen Schöpfungsmythos die Welt vorstellten? Wie sollen wir uns erklären, dass dieser angeblich hyperintelligente Designer zunächst a) eine ungeheure Vielfalt von Dinosauriern erschuf, später b) einen riesigen Felsbrocken auf deren Heimatplanet einschlagen ließ, damit c) die Dinosaurier wieder aussterben, um so d) Platz zu schaffen für die vermeintliche Krönung der Schöpfung, Homo sapiens sapiens?

 

Wie „intelligent“, bitteschön, kann ein „Designer“ sein, der eine derartig groteske Arbeitsweise an den Tag legt?! Keine noch so chaotische Grafikagentur, kein Fahrzeughersteller, keine Modefirma, kein Mensch, der halbwegs bei Verstand ist, würde einen Designer mit einer derart verheerenden Kosten-Nutzen-Bilanz einstellen!

 

Halten wir fest: Schon die Theorie eines kosmologischen Designers ist rational schwerlich zu begründen, die Unterstellung aber, dass dieser angebliche Kosmos-Designer angesichts seiner völlig chaotischen Arbeitsmethode auch noch „intelligent“ vorgegangen sein soll, ja dass es sich bei ihm sogar um einen allwissenden, allmächtigen Gott handelt, lässt sich in punkto Absurdität kaum noch überbieten..

 

 

Der moralische „Gottesbeweis“ (These 4)

 

Mit seiner vierten These verlässt Dr. Craig die Kosmologie und betritt den Boden der Moralphilosophie. Hier versucht er, die Existenz Gottes über die Existenz vermeintlich „objektiver moralischer Werte“ zu begründen. Diese These scheitert daran, dass a) Werte weder objektiv sind noch b) über eine Gottesvorstellung vernünftig begründet werden können.

 

Auf Letzteres hat schon Sokrates 400 vor Christus hingewiesen, was zeigt, dass Craigs Argument, wenn es denn stimmen würde, keineswegs ein hinreichender Grund dafür wäre, warum wir aus dem reichen Fundus menschlicher Gottesvorstellungen nun ausgerechnet auf die christliche zurückgreifen müssten.

 

Sokrates’ Argumentationsfigur beruht im Kern auf zwei einfachen Fragen: 1. Sind Gottes Gebote deshalb gut, weil Gott sie gebietet? 2. Wenn ja, wäre es dann moralisch gerechtfertigt, Kinder zu foltern oder zu ermorden, wenn Gott ein entsprechendes Gebot aufstellte?

 

Diese Fragestellung bringt den Gläubigen in ein ethisches Dilemma. Entweder er gibt die These auf, Werte seien über Gottes Gebote begründet (was eventuell seinem Glauben widersprechen würde) oder aber er muss akzeptieren, dass Gottes Gebote auch dann noch gültig sind, wenn sie offensichtlich Inhumanes einfordern.

 

Um sich aus diesem Dilemma zu befreien, könnte der Gläubige nun behaupten, dass ein allgütiger Gott niemals derartig grausame Gebote erlassen würde (was übrigens im Falle des Christengottes nicht stimmt, der beispielsweise im alten Testament die Ausrottung ganzer Völker befohlen hat!). Eine solche Argumentation würde allerdings nur zeigen, dass der Gläubige – losgelöst von allen vermeintlichen göttlichen Vorgaben! – über eigene moralische Standards verfügt, anhand derer er selbst Gottes Güte beurteilt. Damit wiederum wäre bewiesen, dass der Gläubige seine eigenen Werte bloß auf Gott projiziert - und nicht, wie er meint, eigene Werte von diesem ableitet.

 

Tatsächlich haben Menschen in der Geschichte immer wieder ihre historisch gewachsenen Wertvorstellungen als Gebote Gottes ausgeben und dadurch argumentativ unangreifbar gemacht, was meist mit fatalen gesellschaftlichen Konsequenzen verbunden war. Weil sich Menschen Gott stets nach dem eigenen historischen Ebenbild schufen, musste der Gott des alten Testamentes in erschreckender Permanenz Vernichtungskriege gegen die generischen Völker Israels führen, glaubten Christen bis in die jüngste Vergangenheit hinein, ihre heilige Pflicht vor Gott bestünde darin, Juden als vermeintliche Gottesmörder zu verfolgen, wurde nach den schrecklichen Erfahrung der beiden Weltkriege in Europa ein pazifistisch anmutender Gott der Nächstenliebe aus der Mottenkiste hervorgezaubert, während die amerikanische Version des Christengottes seinen Segen spendet für völkerrechtswidrige Kreuzzüge wider das sog. „Böse“.

 

Kommen wir nun zu jenen sog. „objektiven moralischen Werten“, die Dr. Craig zu erkennen glaubt. Rational betrachtet handelt es sich hierbei bloß um überkulturell gültige Verhaltensvorgaben, die ihren Ursprung nicht in Gott, sondern in den Prozessen der biologischen Evolution haben. So beruht zum Beispiel das interkulturell gültige Inzesttabu auf einem relativ schlichten biologischen Prägemechanismus, der vor einigen Jahren entdeckt wurde. Dass jede in Sozialverbänden lebende Spezies (nicht nur der Mensch!) bestimmte soziale Verhaltenskodices ausbilden muss, um sich im immer währenden Kampf ums Überleben behaupten zu können, versteht sich von selbst: Hätten sich beispielsweise bei Ameisen, Bienen, Wölfen, Schimpansen oder Menschen keinerlei Formen von altruistischem Verhalten entwickelt, wären die entsprechenden Sozietäten (und damit auch die in ihnen gebundenen Individuen) nicht überlebensfähig gewesen.

 

Auf dieser biologischen Basis aufbauend entfaltete sich bei Homo sapiens zunächst sehr langsam, dann aber mit zunehmender Beschleunigung eine kulturelle Evolution, die über die Jahrtausende hinweg höchst unterschiedliche ethische Wertsysteme hervorbrachte – abhängig von den jeweils vorherrschenden sozioökonomischen, ökologischen und kulturellen Rahmenbedingungen. Wir Heutigen besitzen erstmals einen recht umfassenden Überblick über die diversen Modelle menschlicher Normkonstruktion inklusive ihrer biologischen wie kulturellen Entstehungsfaktoren. Schon allein dieses Wissen nötigt uns zur Einsicht, dass die Idee objektiver, ewig verbindlicher Werte bloße Fiktion ist.

 

Für moderne Ethiker ist ohnehin klar, dass wir weder in der Natur noch in der Kultur objektiv gültige moralische Werte vorfinden können. Wir können aber sehr wohl intersubjektiv gültige, ethische Maßstäbe erfinden, d.h. normative Richtlinien, die a) von den biologisch wie kulturell geprägten Individuen akzeptiert werden können und von deren Durchsetzung wir uns b) eine Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse versprechen. Dass die Annahme objektiver, gar von Gott vorgegebener Werte einem solchen Projekt der Humanisierung im Wege steht, sollte angesichts der verheerenden Kriminalgeschichten der Offenbarungsreligionen und ihrer Neigung, sich gegen jede Form der Kritik zu immunisieren, einsichtig sein.

 

 

„Gottesbeweise“ per Bibelzitat bzw. subjektiver Erfahrung (Thesen 5-6)

 

Craigs fünfter Gottesbeweis ist der einzige, der, sofern er zutreffend wäre, wirklich die Existenz des spezifisch christlichen Gottes nahe legen würde. Craig behauptet, dass die biblisch dokumentierte Auferstehung Jesu die Existenz des Wunder wirkenden christlichen Gottes belegen würde. Leider muss man sagen, dass Craigs Versuch, die Bibel als historischen Tatsachenbericht zu begreifen, angesichts der vielen Forschungsergebnisse zu diesem Thema geradezu haarsträubend naiv ist. Offensichtlich ist die gesamte historisch-kritische Forschung an Dr. Craig spurlos vorbeigerauscht…

 

Ich will hier aus Zeitgründen nur einige wenige Ergebnisse zusammenzutragen, um zu demonstrieren, dass die Bibel alles andere als ein glaubwürdiger Tatsachenbericht ist: Wir wissen heute u.a., dass es keinen massenhaften Auszug des Volk Israels aus Ägypten gab, keine Volkszählung, die Maria und Joseph nach Bethlehem führte, kein Passahvorrecht, das es den Juden gestattete, einen Gefangenen (Barabbas statt Jesus!) freizubekommen. Auch die Silberlinge, die Judas angeblich für seinen Verrat an Jesus erhielt, sind pure Erfindung. Silberlinge waren zu diesem Zeitpunkt schon 300 Jahre lang nicht mehr im Umlauf. Welche katastrophalen Folgen die dennoch über Jahrhunderte verbreitete Mär vom geldgierigen, treulosen Schacherjuden Judas hatte, brauche ich hier wohl nicht auszuführen.

 

Dass Craig angesichts dieser hier nur angedeuteten historischen Unzulänglichkeiten der Bibel ausgerechnet den biblischen Auferstehungsberichten Authentizität zubilligt, mutet fast schon komisch an. Offensichtlich sind ihm weder die gravierenden Widersprüche in den einzelnen Evangelien aufgefallen noch die Tatsache, dass das Wunder der jesuanischen Auferstehung nichts weiter ist als eine 1zu1-Kopie antiker Mythen. Nicht nur die Göttersöhne Herakles und Dionysos mussten leiden, sterben, auferstehen wie der christliche Messias. Das gleiche Auferstehungswunder glückte vor Jesus u.a. auch dem babylonischen Tammuz, dem syrischen Adonis, dem phrygischen Attis sowie dem ägyptischen Osiris. Die letzten drei standen übrigens wie der synoptische Jesus am dritten Tag von den Toten auf.

 

Kurzum: Craigs Versuch, den Gottesmythos des Christentums über den Verweis auf eine hinreichend widerlegte Legendensammlung beweisen zu wollen, ist in sich derart grotesk, dass sich jede weitere Argumentation zur Widerlegung dieses vermeintlichen „Gottesbeweises“ erübrigt.

 

Kommen wir also zum letzten, dem 6. vermeintlichen Gottesbeweis, den Craig anführt. Hier meint Craig die subjektive Erfahrung Gottes als Beleg für seine tatsächliche Existenz werten zu können. Was ist davon zu halten?

 

Nun, jede ordentliche psychiatrische Klinik beherbergt heute Insassen, denen entweder Elvis, Jesus oder ET erschienen sind oder die zumindest detailliert über Entführungen durch Außerirdische erzählen können. Das menschliche Gehirn ist ein ungeheuer komplexes System, das offensichtlich relativ leicht in Ungleichgewicht geraten kann. So gibt es Menschen, die aufgrund neuronaler Anomalien ihr eigenes Gesicht nicht mehr erkennen, Menschen, die ihr Bein amputieren lassen wollen, weil sie das unbezwingbare Gefühl haben, ihnen sei ein falsches Bein über Nacht angenäht worden, Menschen, die in einer Art Zeitschleife leben, Menschen, denen aufgrund von Schädellappenepilepsien am helllichten Tag Pamela Anderson, Allah oder die Jungfrau Maria erscheinen usw.

 

Worauf ich hinaus will: Wir sollten unseren eigenen subjektiven Empfindungen keineswegs blind vertrauen. Dies gilt insbesondere für sog. religiöse oder spirituelle Erfahrungen, die, wie Studien von Hirnforschern gezeigt haben, u.a. dadurch ausgelöst werden, dass die neuronalen Aktivitäten im oberen Scheitellappen, der für die Orientierung des Individuums im physikalischen Raums verantwortlich ist, partiell abgeschaltet werden

 

Auch wenn das Argument der subjektiven Erfahrung schwerlich ein Argument für die Existenz Gottes ist (ansonsten müsste jede Elvis-Erscheinung als Beleg für die leibliche Auferstehung des King of Rock’n Roll gewertet werden!), so deutet es doch an, warum es so ungemein schwierig ist, rational über die Existenz oder Nichtexistenz Gottes zu streiten. Für Gläubige stehen in solchen Debatten nämlich nicht Argumente, sondern subjektive Erfahrungen im Vordergrund. Diese haben für sie deshalb solch starkes Gewicht, weil sie meist schon in frühster Kindheit mit religiösen Glaubensinhalten konfrontiert wurden, das heißt zu einem Zeitpunkt, an dem sie die Tragweite dieser Ideen nicht abschätzen, geschweige denn in irgendeiner Weise kritisch hinterfragen konnten.

 

In diesem Zusammenhang muss ich zugeben, dass ich mir während der Ausarbeitung dieses Vortrags mehrmals die Frage stellte, ob es überhaupt sinnvoll ist, zu versuchen, Menschen mittels Argumenten von Glaubensüberzeugungen abzubringen, zu denen sie nicht durch Argumente gefunden haben. Kann man strenggläubige Menschen mit rationalen Überlegungen erreichen? Oder ist all das Argumentieren am Ende nichts weiter als verlorene Liebesmüh’?

 

Nun, ich möchte an dieser Stelle keineswegs zu pessimistisch klingen und schon gar nicht als „atheistischer Missionar“ erscheinen. Auch wenn ich meine Position in diesem Beitrag deutlich bestimmt und mitunter auch recht scharf formuliert habe, bin ich mitnichten der Meinung, dass nicht-theistische Philosophen wie ich zwingend im Recht sein müssten. Im Gegenteil! Durch die Schärfe der Formulierungen wollte ich vielmehr die Chancen erhöhen, dass Sie mich widerlegen können, sofern ich mich tatsächlich irgendwo geirrt haben sollte. Denn genau darin besteht ja der eigentliche Wert einer rationalen Diskussion: Wir alle haben hier nicht mehr zu verlieren als unsere Irrtümer – und von diesen sollten wir uns lieber heute als morgen verabschieden.

 

In diesem Sinne freue ich mich auf eine anregende Diskussion und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit…

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