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Christliche Sexualethik

 

Die christliche Sexualethik ist ein Fall für sich. Sie hat bis in unsere Zeit hinein großes Leid und Verderben mit sich gebracht. Immer wieder haben Christen in ih­rer Lebensfeindlichkeit alles Geschlechtliche als sündhaft und unmoralisch ver­dammt.

 

 

Sexualethik in der Bibel

 

Die Sexualethik der Bibel ist schlichtweg brutal. Lesen wir das dritte Buch Mose1 Kapitel 20,10 ff.:

,,Wenn jemand die Ehe bricht mit der Frau seines Nächsten, so sollen beide des Todes sterben [...]. Wenn jemand mit der Frau seines Vaters Umgang pflegt und damit seinen Vater schändet, so sollen beide des Todes sterben [...]. Wenn jemand mit seiner Schwiegertochter Umgang pflegt, so sollen beide des Todes sterben [...]. Wenn jemand bei ei­nem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des To­des sterben [...]. Wenn jemand bei einem Tier liegt, der soll des Todes sterben, und auch das Tier soll man töten. [...]. Wenn ein Mann bei einer Frau liegt zur Zeit ihrer Tage und mit ihr Umgang hat [...], so sollen beide aus ihrem Volk ausgerottet werden."

 

Der biblische Jesus äußert sich eigentlich kaum zum Thema Sexualität. Im Johannes-Evangelium schützt er eine Ehebrecherin vor der Todesstrafe mit den Worten: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie." (Joh.8,7). im Matthäus-Evangelium dagegen erklärt er, dass man sich nicht von seinem Partner scheiden lassen dürfe (Matth.19,9), worauf sich die katholische Kirche heute noch beruft und wodurch viel Leid in die Welt gesetzt wurde.

 

Die Paulus-Briefe wiederum sind voller Hetze gegen alles Sexuelle: ,,So tötet nun die Glieder, die auf Erden sind, Unzucht, Unreinlichkeit, schändli­che Lust, böse Begierde und Habsucht   [...]“ (Kol.3,5). ,,Fliehet die Unzucht! Alle Sünden, die der Mensch tut, sind außer seinem Leibe; aber wer Unzucht tut, der sündigt an seinem eigenen Leibe" (1.Kor.6,18). ,,Es ist dem Manne gut, dass er kein Weib berühre" (1.Kor.7,1).

 

 

Sexualethik in der christlichen Geschichte

 

In Anlehnung an die paulinische Forderung - wie überhaupt das Christentum eher Paulustum geworden ist - entwickelten sich im Christentum stark lebensfeindliche, sexualfeindliche Züge. Wie der ehemalige Theologe Joachim Kahl schreibt, galt in der alten Kirche „nahezu einhellig die sexu­elle Enthaltsamkeit höher als die Ehe. Wer es ver­mochte, sollte streng enthaltsam leben. Auch wo die Ehe nicht radikal verworfen wurde - wie bei Marcion und den Montanisten -, wurde sie notge­drungen den Schwachen als etwas nur Erlaubtes gestattet. Als ideale Ehe priesen die Theologen die ,,geistliche Ehe", in der Mann und Frau enthaltsam zusammen lebten (wie angeblich Josef und Maria, daher auch Josefsehe genannt). Bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts schloss nichtehelicher Ge­schlechtsverkehr als unvergebbare Todsünde (wie Mord oder Glaubensabfall) aus der Gemeinde aus. [...] Im 3. Jahrhundert bildete sich langsam der Brauch heraus, dass Bischöfe, Presbyter und Dia­kone nach der Ordination keine Ehe mehr einge­hen durften, weil der Koitus unfähig zum Kultus mache. Die Synode von Elvira in Spanien (um 310) verlangte von verheirateten Altardienern Verzicht auf jeden ehelichen Verkehr. Aus einer ähnlichen magischen Angst vor allem Sexuellen entsprang auch das Verbot.für menstruierende Frauen, am Gottesdienst teilzunehmen. In Syrien wurde Frau­en, die gegen diese Vorschrift verstießen, eine Bu­ße von 7 Jahren auferlegt." 1)

 

Wie Kahl weiter berichtet, fasste Kirchenvater Augustinus  (354-430)  alle wesentlichen  ge­schlechtfeindlichen Anschauungen der alten Kirche zusammen und bestimmte damit aufs tiefste die gesamte weitere Kirchen- und Theologiegeschich­te: „Die Sünde (concupiscentia) gipfelt in der sexu­ellen Lust, der >libido,... qua obscenae partes cor­poris excitantur - der Lust, in der die unanständi­gen Körperteile erregt werden<. Physisch - auf dem Weg des Koitus - wird die Sünde vererbt, weshalb Jesus von einer Jungfrau geboren werden musste, da er sonst nicht sündlos gewesen wäre. Zwischen der fleischlichen Vereinigung unter Eheleuten (copula camalis) und der Vereinigung mit einer Dirne (copule carnalis fomicatoria) besteht dem Wesen nach kein Unterschied. Beide sind gleich sündig. [...]Schließlich wird als einziger Sinn des ehelichen Koitus die Erzeugung von Kindern gestattet (bonum prolis).2)

 

Das ganze Mittelalter hindurch versuchte die Kirche, ihre Untertanen sexuell zu unterdrücken. Sie schuf sexuelle Vorschriften, die von nieman­dem gehalten werden konnten, so dass die Men­schen ,,automatisch" in Sünde gerieten und der Sündenvergebung der Priester bedurften.  Bei­spielsweise war selbst der eheliche Verkehr sonn­tags, mittwochs und freitags verboten, außerdem vierzig Tage vor Ostern und vierzig Tage vor Weihnachten. Dazu war es verboten, beim Ge­schlechtsakt Lust zu empfinden, weshalb man ,,schwere Nachthemden [trug], die lediglich an der nötigen Stelle eine Öffnung ließen, so dass der Mann seine Frau befruchten konnte, ohne sie be­rühren zu müssen und zu können."3) Gerade den ärmsten Menschen nahm die Kirche so noch das einzige Glück, das sie haben konnten - das Glück eines erfüllten Sexuallebens.

 

 

Sexualethik im heutigen Chri­stentum

 

Wenn auch die Haltung der Kirchen gegenüber früher humaner geworden ist (was auch hier wie­der frei denkenden Aufklärern zu verdanken ist, die von den Kirchen zunächst erbittert bekämpft wur­den), so gibt es doch immer noch eine Menge menschenverachtender Auswirkungen der kirch­lich-christlichen Sexualmoral. Hier ist besonders die weltfremde, in antiken Dogmen befangene ka­tholische Kirche zu nennen. Auf das Konto der ka­tholischen Kirche gehen die Tode von jährlich Mil­lionen von verhungerten Kindern, die überhaupt nicht hätten geboren werden dürfen, da ihre Eltern sie nicht ernähren konnten. Doch die katholische Kirche verbietet Empfängnisverhütung und Abtrei­bung. [...1 Der Kirchenkritiker Karlheinz Deschner schreibt: ,,Noch am 28. November 1970 brachte das Deutsche Ärzteblatt (!) kommentarlos eine Pu­blikation der Katholischen Nachrichtenagentur, worin Kardinalstaatssekretär Villot betont, selbst bei Lebensgefahr der Mutter könne die Abtreibung aus so genannten ,,therapeutischen Gründen" nicht geduldet werden."4) In der Catholica heißt es: ,,Es ist besser, die Mutter stirbt nach Gottes Willen, als dass das Kind absichtlich getötet wird durch Fre­vlerhand."5)

 

Deschner fasst die Problematik der christlichen Moral so zusammen: ,,Obwohl das Christentum heute geistig beinahe bankrott ist, prägt es immer noch entscheidend unsere Sexualmoral, sind die formalen Beschränkungen unseres Geschlechtsle­bens grundsätzlich noch fast wie im 15. oder 5. Jahrhundert, wie zur Zeit von Luther oder Augustin. Das aber betrifft jedermann in der westlichen Welt, selbst Nichtchristen und Antichristen. Denn noch immer bestimmt, was irgend welche nomadisieren­de Ziegenhirten vor zweieinhalbtausend Jahren dachten, die offiziellen Kodices von Europa bis Amerika; besteht ein handgreiflicher Zusammen­hang zwischen Sexualanschauungen der alttesta­mentlichen oder des Paulus und der strafrechtli­chen Verfolgung der Unzucht in Rom, Paris oder New York. [...],,  Und weiter: ,,Ganz unabhängig aber vom herrschenden Recht bzw. Unrecht (be­kanntlich immer das Recht bzw. Unrecht der Herr­schenden): die tradierte Sexualmoral wirkt weiter, die Tabus gelten fort. Sie sitzen in allen Schichten noch viel zu tief. Freizügigkeit und Toleranz wer­den nach wie vor unterdrückt, Moral ist noch immer weithin Sexualmoral, selbst in Schweden. Über die Theologie, die Justiz, ja gewisse Gebiete der Me­dizin und Psychologie beeinträchtigt biblischer Aberglaube auch unser Sexualleben und damit un­ser Leben überhaupt.“ 6) [...]

 

Gerade als ich diese Zeilen niederschreibe, wird die verabscheuungswürdige Moral gerade der ka­tholischen Kirche durch eine aktuelle Radiomel­dung unterstrichen. In der WDR-Sendung ,,Aus Re­ligion und Kirche" vom 22.10.1989 wird bekannt gegeben, dass sich die katholischen Bischöfe in den USA aus „moralischen" Gründen gegen die Verwendung von Kondomen zum Schutz vor AIDS ausgesprochen hätten. Diese menschenverach­tende Einstellung der katholischen Kirche zum Problem des Schutzes vor Geschlechtskrankheiten hatte schon Bertrand Russell angeprangert: „Nehmen wir an, dass in unserer heutigen Welt ein unerfahrenes Mädchen einen syphilitischen Mann heiratet. In diesem Fall sagt die katholische Kirche:

>Das Sakrament ist unauflösbar. Ihr müsst bis an euer Lebensende zusammen bleiben<. Und die Frau darf nichts unternehmen, um zu verhindern, dass sie syphilitische Kinder zur Welt bringt. So sagt die katholische Kirche. Ich aber nenne das ei­ne unmenschliche Grausamkeit. Niemand, dessen natürliches Mitgefühl nicht durch das Dogma ver­kümmert oder dessen moralisches Empfinden nicht für alles Leiden vollkommen tot ist, kann behaup­ten, es sei recht und billig, dass dieser Zustand weiterhin bestehen bleibt."7)



1)   Joachim Kahl: Das Elend des Christentums, Ro­wohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 1968, 5.51

2)   Kahl: a.a.O 5.52

3)   Kahl: a.a.O. 5. 53

4)   Karlheinz Deschner: Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums,
      2. Aufl. Econ Verlag, Düsseldorf  Wien 1974, S.446

5)   zitiert nach: Deschner Das Kreuz mit der Kirche, S. 298

6)   Deschner: Das Kreuz mit der Kirche, S.402/403

7)   Benrand Russell: Warum ich kein Christ bin, Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg,1968, S.32/33











 

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