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Über die Entstehung der Religionen

Welche Hinweise gibt uns die Paläontologie?

Vortrag von D. Michalke, 15.5.2004

Gliederung:

  1. Bewusstsein als Voraussetzung zur Schaffung von Religion

  2. Definition und Nachweis von Bewusstsein
    Versuch von Gallup: Fleck auf Stirn
    Bewusstsein als soziales Schachspiel und inneres Auge
    Bewusste Täuschung, Byrne u. Whiten
    Archaisches Bewusstsein als Ursache für Anthropomorphismus

  3. Paläontologische Hinweise auf kultische Handlungen
    Religion wegen Angst vor dem Tode
    Rituelle Bestattungen
    Künstlerische Darstellungen wie in Lascaux und Tuc d'Audoubert vor 50.00 Jahren
    Werke im Jungpaläolitikum, geometrische Muster
    Chimären
    Lewis-Williams und der Schamanismus der Kalahari-Bewohner

  4. Zusammenhang von Geist und Atem – vom Geister- zum Gottesglaube

  5. Zusammenfassung

1. Bewusstsein als Voraussetzung zur Schaffung von Religion

Anthropologen wie etwa Richard Leakey gehen davon aus, dass das Bewusstsein eine unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung von Religion ist. Befassen sich diese doch mit Fragen des eigenen Verhaltens, mit der eigenen Herkunft, dem Schicksal und dem Phänomen des Todes. Daher sind die Frage, was Bewusstsein ist, wann es entstand, welchen Vorteil es den Lebewesen in der Evolution verschafft und welche Merkmale das Bewusstsein hat von Bedeutung.


2. Definition und Nachweis von Bewusstsein

Seit wann der urzeitliche Mensch bereits Bewusstsein hatte, lässt sich direkt nicht beobachten oder beantworten. Aber Versuche an Primaten zeigen, dass Bewusstsein nicht auf Menschen beschränkt ist. Das legt den Schluss nahe, dass auch der frühe Mensch bereits lange, bevor er die ersten Kunst- und Kultwerke schuf, Bewusstsein hatte.
Der Versuch, mit dem Bewusstsein (insbesondere über das eigene Ich) nachgewiesen werden sollte, stammte von Gordon Gallup aus dem Jahre 1970. Es ist der bekannte Test, bei dem dem Versuchstier ein Fleck auf die Stirn gemalt und ihm ein Spiegel vorgehalten wurde. Erkannte es sich selbst im Spiegel, so würde er versuchen, den Fleck zu entfernen oder wenigstens danach greifen. Den Test bestanden nur wenige Tiere: Schimpansen, Orang-Utans, aber überraschenderweise nicht die Gorillas.

Die Frage, wozu Bewusstsein in der Evolution überhaupt gut ist, wurde von Andrew Whiten und Byrne untersucht und beantwortet. Sie beobachteten Tiergruppen mit komplexem Sozialgefüge. Dabei stießen sie auf ein Phänomen, das sie als „taktisches Täuschen“ bezeichneten. Bei der Beobachtung einer Pavianhorde in Südafrika sahen sie eines Tages, wie ein junges Männchen namens Paul das ausgewachsene Weibchen Mel dabei beobachtete, wie es eine schmackhafte Knolle ausgrub. Paul stieß einen lauten Schrei aus, als befände er sich in Gefahr. Seine Mutter, die ranghöher als Mel war, eilte sogleich herbei, weil sie annahm, ihr Junges werde von Mel bedroht. Mel wurde von der Mutter in die Flucht geschlagen und Paul konnte in aller Ruhe die Knolle verspeisen. Whiten und Byrne fragten bei anderen Primatenforschern nach und sammelten rund 300 Beispiele für taktisches Täuschen. Bei diesen Täuschungen muss das Tier in der Lage sein, sich in die Lage des anderen Individuums zu versetzen und seine Reaktionen situationsbezogen vorher zu sagen. Dazu ist ein hohes Maß an Bewusstsein nötig. Überhaupt findet in einer Primatenhorde stets ein „soziales Schachspiel“ statt, bei dem ständig Bündnisse zu anderen Mitgliedern gebildet, überprüft und wieder gelöst werden. Bewusstsein ist dabei überhaupt die Voraussetzung, ein stark differenziertes Sozialgefüge zu bilden und zusammen zu halten. Der evolutionäre Vorteil von Bewusstsein liegt also darin, dass es differenziert funktionierende große Gruppen ermöglicht. Zum Wesen des Bewusstseins gehört für Richard Leakey, dass das eigene Fühlen, Denken und Handeln auf andere Wesen übertragen wird: Wie würde ich in der Situation des anderen handeln. Das beschränkt sich nicht nur auf andere Menschen, sondern auch auf Tiere, ja sogar auf physische Objekte wie Gewitter und Naturerscheinungen, wie aus Untersuchungen alter Mythen hervorgeht. In dieser Eigenschaft des Bewusstseins sieht Richard Leakey die Ursache für Anthropomorphismen, also die Übertragung menschlicher Verhaltensweisen (und Gestalt) auf nichtmenschliche Dinge oder Wesen (Tiere, die Erscheinungen in der Natur, letztlich auch Geister und Götter).

3. Paläontologische Hinweise auf kultische Handlungen

Das Bewusstsein führt nicht nur zu Prognosen über das mögliche Handeln eines anderen Artgenossen. Sondern es bewirkt auch Mitgefühl und Sympathie für andere Menschen in außergewöhnlichen Situationen. Eine besonders quälende Erfahrung ist der Tod eines Nahestehenden. Der Tod und die allmählich wachsende Erkenntnis, dass das Individuum selbst einmal das gleiche Schicksal ereilen wird, spielten in Mythen und Religionen stets eine besondere Rolle. Dieses lässt sich anhand von paläontologischen Funden nachweisen. Schon frühzeitig begannen die Menschen Bestattungsrituale vorzunehmen. Eine sehr rührenden frühe Bestattung fand z.B. vor 60.000 Jahren in der Shanidar-Höhle im Norirak statt.

Ein erwachsener Mann wurde am Höhleneingang bestattet. Aus den umliegenden Pollen schloss man, dass er auf Blumen gebettet war. Noch ältere Bestattungen fand man aus der Zeit von vor 100.000 Jahren – vorgenommen von Neandertalern. Ältere Beisetzungen wurden bisher nicht gefunden.

Zeugen rituelle Bestattungen bereits von einem Todesbewusstsein und somit von Reflektionen über das eigene Sein, so verstärkt sich dieser Eindruck früher kultischer Betätigungen durch Höhlenmalereien und andere Figuren, die etwa in der Zeit vor 50.000 Jahren erstmals auftauchten. So alt sind nämlich die zwei aus Ton modellierten Wisente, die man in der Höhle von Tuc d’Audoubert im französischen Departement Ariège fand. Seltsamerweise fand man Fußabdrücke von Kindern – nicht jedoch von Erwachsenen. Sind das Hinweise auf kultische Handlungen an Kindern? Wir wissen es nicht.

Es gibt zahlreiche Höhlenmalereien aus der Zeit von vor 30000 Jahren, dem beginnenden Jungpaläolithikum. Daneben gab es auch Perlen aus Elfenbein sowie Menschen- und Tierfiguren, die man z.B. in der Vogelherd-Höhle bei Ulm fand. Auch Musik schien es bereits gegeben zu haben, denn man fand aus dieser Zeit eine Flöte aus Knochen.

Etwas 80% aller gefundenen Höhlengemälde stammt aus der Magdalénien-Zeit, der letzten Stufe des Jungpaläolithikums vor 18000 – 11000 Jahren. Dazu gehören die berühmten Höhlen von Lascaux und Altamira. Lange glaubte man, die dort dargestellten Tiere seien Teil eines Jagdzaubers gewesen, wie er etwa von manchen Naturvölkern vorgenommen wird. Aber es fiel auf, dass die abgebildeten Tiere keineswegs zum bevorzugten Jagdwild gehörte. Die steinzeitlichen Maler hatten Pferde und Wisente im Kopf und Rens und Schneehühner im Magen. Aber es gab sogar reine Fantasiewesen wie Chimären, je zur Hälfte Mensch und Hirsch oder Wisent und Mensch oder den Löwenmenschen.

Wisent-Mensch-Wesen am Ende der Chauvet-Höhle (Ardèche/ Frankreich; Aurignacien, 30 000 Jahre v.u.Z.)

Der "Zauberer" aus der Höhle "Les Trois Frères" (Ariège/Frankreich; Magdalenien ca. 17000 Jahre alt).

Löwenmensch" aus Mammutelfenbein aus der Höhle Vogelherdhöhle (Baden-Württemberg; Aurignacien, ca. 30000 Jahre)

Auch gab es Bilder von Einhörnern. Das sind bereits deutliche Indizien für religiöse Vorstellungen. Aber Vorsicht ist geboten! Die Deutung solcher Fantasiefiguren ist im hohen Maße kulturabhängig. Der Löwenmensch könnte schließlich auch „ein Mensch stark wie ein Löwe“ bedeuten. Gibt es kulturunabhängige Hinweise auf frühe Religionen?

Solche sieht David Lewis-Williams in seltsamen geometrischen Mustern und Zeichen, die öfter unter den Höhlengemälden zu finden sind.

Geometrische Zeichen aus der Höhle "El Castillo" (Puente Viesgo/Spanien)

1986 veröffentlichte er seine Schlussfolgerungen über diese Muster, die er aus Studien des Naturvolkes der San in Südafrika zog. Die Malerei dieses Volkes geht auf eine Zeit von vor 10000 Jahren zurück. Auch da gibt es solche Muster. Eine alte San-Frau, Tochter eines Schamanen, berichtete, dass sich Schamanen durch Hyperventilation und Drogen in Trance versetzen. Dabei bekommen sie Halluzinationen, bei denen eben solche geometrischen Muster vorgegaukelt werden. Dabei handelt es sich um enoptische Bilder (innere Visionen), die durch die neurale Struktur des Gehirns bedingt sind. Sie sind daher kulturunabhängig! In einer fortgeschrittenen Phase der Trance sieht der Schamane dann gegenständliche Bilder, u.a. Mensch-Tier-Chimären, die sowohl bei den Malereien der San als auch der Jungpaläolithikern zu finden sind. Diese Verbindung zum Schamanismus dürfte wohl der überzeugenste Hinweis auf das Vorhandensein von Religionen schon vor 30000 Jahren sein.

4. Zusammenhang zwischen Atem und Geist

Wie bereits die rituellen Bestattungen vermuten lassen spielte das Bewusstsein vom eigenen Tod für das Erfinden von Religionen eine wichtige Rolle. Weitere Hinweise finden sich in einigen Sprachen. Es fällt auf, dass oft der Wortstamm für ‚Geist’ und ‚Atem’ gleich ist. Das lateinische Wort ‚Spiritus’ findet man im französischen Verb ‚aspirer’ (= atmen) wieder. Das gilt auch im Hebräischen, wo das Wort ‚ruach’ sowohl Atem als auch Geist bedeutet.

Da beim Tod als offenkundiges Symptom die Atmung aufhörte, gingen die Menschen wohl davon aus, dass mit dem letzten Atemzug der Atem oder so etwas wie Geist den Körper verlässt. Diese Vorstellung findet man auch im Alten Testament der Bibel vor:

1. Mose 2:7

Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.

War der Mensch erst einmal von der Existenz von Geistern überzeugt, so kann man sich leicht vorstellen, wie das vom Anthropomorphismus beherrschte Bewusstsein des Menschen den Faden fortspinnt: Geister brauchen dann natürlich eine Behausung, Nahrung , Kleidung, Geräte oder Gehilfen. Das führte zu Erfindungen wie Himmel oder Hölle (germanisch Hel = Herdstelle, unter der die Toten begraben wurden), Opfergaben, Grabbeigaben wie Waffen, Werkzeuge oder sogar Gehilfen und Ehefrauen. Der Rest dieser Entwicklung ist bekannt. Der Geisterglaube kam, da ungebremst durch nachprüfbare Fakten, zu einer wahren Blüte. Es entwickelten sich ca 3000 verschiedene Religionen während der Menschheitsgeschichte.

5. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Voraussetzungen für Religionen, nämlich das Bewusstsein, wohl schon vor dem Menschen existierte. Ferner stellte die Neigung des Bewusstseins zu Anthropomorphismus einen evolutionären Vorteil dar, da es die Bildung komplexer Gesellschaften ermöglichte. Dann wissen wir noch, dass es seit über 100.000 Jahren Bestattungskulte gibt und seit 30.000 Jahren der Schamanismus sehr wahrscheinlich ist.

Dieser lange Zeitraum bedeutet, dass Religion in sehr verschiedenen Gesellschaftsformen vorkam: Bei Jägern und Sammlern ebenso wie bei kleineren Dorfgemeinschaften, Ackerbauern und Viehzüchtern, Handel treibende Stämme, Feudalgesellschaften und heutigen Demokratien. Das spricht dagegen, dass Religionen das Ergebnis spezieller Gesellschaftsformen sind, wie Karl Marx es postulierte. Das soll natürlich nicht heißen, dass es für eine herrschende Klasse nicht äußerst sinnvoll ist, die Interpretationshoheit über die Religion anzustreben. Denn die meisten Religionen sind ja normengebend und verbinden auch Jenseitsverheißungen mit Forderungen an das Individuum. Damit lassen sich die Untertanen natürlich perfekt kontrollieren.

Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins weist auf einen anderen als gesellschaftlichen Grund für Religionen hin. Er sagte:

Ich [R.Dawkins selbst] sagte ihm [einem atheistischen Philosophen], ich könne mir nicht vorstellen, wie man zu irgendeiner Zeit vor 1859, dem Datum der Veröffentlichung von Darwins Origin of Species, Atheist gewesen sein konnte. ”Was ist dann mit Hume?” war die Antwort des Philosophen. ”Wie erklärte Hume denn die Komplexität der lebenden Welt?” fragte ich. ”Er erklärte sie nicht”, sagte der Philosoph. ” Warum sollte sie einer besonderen Erklärung bedürfen?” [ ... ] Ein Atheist  vor Darwin hätte in Anlehnung an Hume sagen können: ”Ich kann komplexe biologische Baupläne nicht erklären. Ich weiß nur, dass Gott keine gute Erklärung dafür ist; so müssen wir eben warten und hoffen, dass jemand eine bessere vorbringt.” Wie soll eine solche Meinung, auch wenn sie logisch gesehen vernünftig ist, irgend jemanden sehr zufrieden gestellt haben? Auch wenn der Atheismus vor Darwin logisch haltbar war, so ermöglichte Darwin es dem Atheisten, auch intellektuell zufrieden zu sein.

 

Vor 1859 gab es also keine stichhaltige Erklärung für eine der zentralen Fragen der Menschheit: Wie sind wir selbst und alle anderen Lebewesen entstanden? Eine weitere zentrale Frage, die nach der Entstehung unserer Welt, wurde sogar erst rund hundert Jahre später geklärt. 1965 entdeckten Penzias und Wilson die Hintergrundstrahlung, die der entscheidende Nachweis für die Entstehung des Universums durch den Urknall darstellt. Vor diesen beiden Entdeckungen (Urknall und Evolution) wurden diese Wissenslücken von zahllose Religionen mit Schöpfungsmythen ausgefüllt. Diese Mythen sind bis heute noch stark im Denken und in der Kultur der Menschen verankert. Die neuen Erkenntnisse brauchen eben ihre Zeit, bis sie sich in der Bevölkerung verbreitet haben und allgemein akzeptiert sind.

Literaturhinweis:

[1] Die ersten Spuren – Über den Ursprung des Menschen, Richard Leakey,
Goldmann Verlag ISBN 3-442-15031-0
[2] Entstehung und Entwicklung der Religion, Willi Henkel,
Angelika Lenz Verlag ISBN 3-9802799-2-8

[3] Höhle von Lascaux, http://www.culture.gouv.fr/culture/arcnat/lascaux/en/

 

Entstehung der Religionen

(von Prof. Dr. Vallabhbhai J.Patel, 17.9.2005)

 

Was verstehen wir unter dem Wort Religion? Die wörtliche Deutung bringt uns nicht weiter. Re heißt zurück und Ligio heißt binden, also "zurückbinden". Ich habe im Oxford English Dictionary nachgeschaut. Da wird folgendes geschrieben:" Eine der existierenden Systeme des Glaubens und Anbetung, z.B. im Islam, Christentum. " Weiter heißt es: Anerkennung einer übermenschlich kontrollierenden Instanz, besonders dies des persönlichen Gottes der Unterordnung, die Unterordnung verlangt und dadurch unsere mentale Einstellung und Verhalten bestimmt".

Diese Auslegung darf für weite Teile des Westens und West-Asiens stimmen, aber nicht für die ganze Welt. Buddhismus, Jainismus und Konfuzianismus z.B. kennen das Konzept Gott nicht. Auch im Hinduismus ist das Konzept Gottes nicht obligat. Der oberste Grundsatz hier lautet:" Solange Du Deine Pflicht tust, ist es egal ob Du an Tausend Götter, an einen Gott oder an keinem Gott glaubst". In der etwa 120,000 Jahre dauernden Geschichte der Menschheit ist das Konzept Gottes relativ jung. Gehen wir stufenweise zurück in der Geschichte.

In dem späteren Zeitalter der Menschheit, wo sich die großen Religionen herausbildeten, finden wir, dass die Menschen unbedingt den

Schöpfungszeitpunkt festlegen wollten. Fast in jeder Religionsliteratur lesen wir zuerst immer die Beschreibung und Erklärung, wann die Schöpfung stattfand und wann den Menschen die Herrschaft der Welt gegeben wurde,

In unseren Breitengraden wird in manchen alten Berichten behauptet, dass die Schöpfung genau 4004 Jahre vor Christus stattfand. Manch andere meinen, dass sie viel später stattfand. In Indien sind viele der Meinung, dass die Welt ein Teil von einem Prozess ist, der keinen Anfang und kein Ende hat. Entstehen und Vergehen ist ein nie endender Prozess, wie Tag und Nacht. In altindischer religiöser Literatur ist festgelegt, dass der Tag vom Schöpfer Brahmma 4 Milliarden und 32 Millionen Jahre dauert. Der jetzige Tag, genannt Eisenzeit, begann vor 30,101 Jahre vor Christus. Nun überlegen Sie mal was diese Leute meinen wie alt die Welt ist!

Nun gehen wir weiter in die Geschichte zurück. In der Morgenröte der Menschheit waren die Menschen an der Schöpfungsgeschichte nicht interessiert. Sie hatten andere Sorgen.

Eigentlich war der Primitiv-Mensch eine sehr eigenartige Kreatur. Wie die anderen Tiere auf der Welt aß, trank und schlief er. Wie alle anderen wünschte er Wärme wenn er fror und Kälte wenn es heiß war. Aber im Gegensatz zu anderen Kreaturen stellte er Fragen. "Warum" war eine der ersten Worte, die er gebrauchte. Und dies tat er ständig. Vom Morgen bis zum Abend stellte er Fragen. Warum scheint die Sonne tagsüber und nicht nachts, wo geht sie nachts hin? Warum wird der Mond mal dick und mal dünn? Wo bleibt der Wind wenn er nicht weht? Und schließlich wer hat alle diese Dinge gemacht? Er hat nicht nur Fragen gestellt, er versuchte sie auch zu beantworten. Da fängt die Schwierigkeit an. Fragen stellen ist eine Sache, sie zu beantworten ist etwas ganz anderes. Jeder kann fragen: Warum ist die Banane krumm? Warum blinken die Sterne, was passiert wenn wir tot sind? Aber nicht jeder kann darauf richtig antworten. Als Fragesteller war der Frühmensch sehr sehr gut. Aber beim antworten hat er es nicht so genau genommen. Wie auch die heutigen Menschen hat er dann seine Fantasie in Anspruch genommen. Wenn er die Antwort nicht wusste, dachte er sich etwas aus und sagte dies sei die Antwort. (Ist es heute anders?) Stellen Sie sich eine Steinzeithöhle der Jäger und Sammler an einem Steilufer der Donau vor. Der Älteste, der jetzt nicht mehr jagen ging, saß in der Höhle und hatte jede Menge Zeit um sich Geschichten auszudenken, wurde dadurch zum großartigen Geschichtenerzähler. Einmal am Lagerfeuer fragte ein Grünschnabel:" Und, warum kommt die Sonne jeden morgen und geht abends weg?

"Ach mein Kind, das ist doch einfach zu beantworten. Die Sonne im Himmel ist ein Feuerrad. Der Sonnengeist reitet auf ihn um uns von oben anzuschauen. Nachts bewahrt er ihn in der großen Halle der Dunkelheit und geht dann schlafen. Wenn er einmal, keine Lust hat oder wütend ist dann wird er nicht ausreiten und die Sonne würde nicht scheinen. Das ist doch klar".

"Ohje, ohje" sagten die anderen. "Wenn die Sonne nicht scheint wie können wir dann jagen gehen? Wir würden dann verhungern!".

"Hm", sagte der Geschichtenerzähler, " Das weiß ich auch nicht. Aber wir können etwas tun damit er nicht zu faul oder wütend wird."

"Was sollen wir denn tun?" fragte der Grünschnabel.

"Sehr einfach. Früh morgens, wenn die Sonne herauskommt, gehen wir auf die höchste Bergspitze, damit wir der Sonne sehr nahe sind. Dann singen wir ein Loblied auf ihn, und damit er nicht faul ist. Das wird ihn gefallen und er wird sich dann nicht auf die müde Haut legen."

" Was? Morgens früh in der Kälte müssen wir da hinauf? Das ist ja furchtbar! Aber uns bleibt wohl nichts anderes übrig" Das taten sie dann auch ganz fleißig. Aber wenn die Sonne einen Geist hat, der gelobt werden muss, dann muss der Mond doch auch einen Geist haben der nach Verehrung verlangt. So kam es, dass der Mondgeist auch verehrt wurde. Und die kleinen Sterne? Die werden dann wohl auch Geister haben, vielleicht nicht so groß wie die der Sonne und des Mondes aber immerhin. Und so nahm die Zahl der Geister stetig zu. Der zornige Geist des Donners und der Geist des Windes kamen dazu. Die Flüsse, der Wälder,. des Feuers, der Ozeane wurden in die Lobpreisung eingeschlossen. Die Anbetung der Geister der Natur war also die erste Religion der Weh.

Im Verlauf der Geschichte nahm die Zahl der Menschen zu und die Zahl der Geister nahm ebenfalls zu. Der Geschichtenerzähler sagte dann eines Abends überraschend: " Es gibt ja nicht nur Naturgeister sondern auch andere"

"Was? Auch noch andere?" fragten die verängstigten Zuhörer. Denn eigentlich mochten sie die Geister nicht. Sie fühlten sich nicht wohl wenn es dunkel wurde. Dann hatten sie nämlich Angst vor den Geistern.

"Ja, ja. Es gibt sehr wohl andere Geister" sagte der Erzähler.

"Woher weißt Du es?

"Ich kann mich sehr gut erinnern. Ein mal waren wir auf der Jagd. Da kam uns eine ganze Horde von Säbelzahntigern entgegen und wir wussten nicht wie wir uns retten sollten. Da erschien uns der Geist von meinem Großvater und der anderen verstorbenen Familienmitglieder und wisperte leise:" klettert auf den nächsten Baum und seid mucksmäuschenstill". Das taten wir auch und so wurden wir gerettet. Also, auf diese Art hat der Familiengeist uns gerettet." "Der Geist der Sonne lebt auf der Sonne, der von Mond auf dem Mond. Aber wo lebt der Geist Deiner Familie?"

Unser Familiengeist lebt in einem Frosch. Natürlich nicht so ein einfacher Frosch. Er ist so groß wie ein Hügel, hat ein großes Auge und auf der Stirn hat er ein riesiges goldenes Horn. Wir haben es doch selber gesehen als wir angegriffen wurden!"

Die Zuhörer schüttelten die Köpfe und sagten:" Wir haben nie so einen Frosch gesehen.

"Natürlich nicht sagte der Erzähler ruhig. "Aber ich werde mein Freund Tindoo-Dindoo bitten eine Statue zu machen, damit ihr ihn sehen könnt".

Also machte Tindoo-Dindoo eine Statue aus Stein und malte das Horn golden. Die Leute meinten dann: "Wenn diese Familie einen Geist hat, müssen wir doch auch einen haben, der uns schützt."

Und sie fingen an Statuen ihrer Familiengeister zu machen. Innerhalb kürzester Zeit entstanden so Tausende solcher Statuen der Familiengeister. Da war Fantasie gefragt, wie in allen religiösen Dingen. Statuen aus Holz oder Stein, Statuen die wie Mammut, Wölfe, ja später sogar wie ein goldenes Kalb aussahen. Manche sahen aus wie Wolpertinger, also etwa was man nie gesehen hat.

Sie beteten jetzt nicht die Naturgeister sondern auch die Statuen an, die man

jetzt abfällig "Götzen" nennt. Damit war die Religion der Götzenanbetung geboren.

Die Leute, die an Götzen glaubten, glaubten nun, dass diese, wenn sie durch Gebete und Opfergaben gnädig gestimmt wurden, ihre Kraft ihnen selbst zu gute kommen lassen, würden aber auch Böses tun an ihren Feinden. Also wenn einer mit seinem Nachbarn im Streit lag, bat er seinen Götzen die Nachbarskuh sterben zu lassen oder ihn sonst wie zu schaden. Aber die Nachbarn hatten auch ihre eigene Götzen Während er versuchte ,durch seinen Götzen dem Nachbarn zu schaden, hatte er gleichzeitig Angst, dass die Geister der Nachbarsgötzen ihm Schaden zufügen könnten. Um sich davor zu schützen fingen sie an kleine Abbildungen ihrer Götzen am Hals oder Handgelenk zu tragen. Sie werden heute Amuletten oder Talisman genannt. Manche haben heute eine Form von einem Kreuz. Damit kann sogar der Teufel vertrieben werden! Die Leute waren der Meinung, dass man mit Hilfe der Amulette und mit lauten Rufen nach ihren

eigenen Geistern, auf andere Menschen einen Bann werfen kann und Magie hervorrufen. Als dieser Glauben sich verbreitete verbrauchten die Menschen viel von ihrer Zeit sich mit Magie zu befassen um ihren Feinden zu schaden. Die Zunft der Zauberei und Hexerei gedieh. Nun hatte jeder Mensch Feinde. Und deshalb hatten alle Angst, dass diese damit beschäftigt sein könnten böse Kräfte zu rufen um ihnen selbst Schaden zu fügen. Wenn einer krank wurde glaubte er, seine Feinde hätten versucht ihn durch bösen Zauber umzubringen. Auch heute ist noch der Voodoo Zauber in manchen Erdteilen anzutreffen. Da ist man überzeugt davon, dass wenn man einer Puppe, die man nach dem Vorbild von dem Gegner macht in der Herzgegend mit einer Nadel sticht, der Gegner stirbt. Also fing der Mensch an nachzusinnen wie er selbst Rache ausüben kann.

Einige weise Männer überlegten und sannen nach, dass die Wurzeln des Übels in dem Götzendienst lagen. Und flugs dachten sie sich eine höhere Instanz aus und nannten ihn Gott. So entstanden auf der Welt verschiedene Religionen die mehrere Götter oder nur einen Gott hatten. Später entwickelten sich Religionen, die den Missbrauch der Religionen durch die Priester, die für sich das Monopol für Gott beanspruchten, beanstandeten und schufen den Gott ab, wie z.B. im Buddhismus.

Im laufe der Zeit entstanden viele Religionen und verschwanden ebenso viele. Alle glaubten aber ihre Religion sei die einzig wahre.

In der Geschichte der Menschheit hat es viele Zeitalter gegeben. Zunächst war das Zeitalter des Abenteuers. Das Überleben der Menschheit war ein einziges Abenteuer. Das dauerte lang. Dann kam das Zeitalter des Glaubens. Das dauerte wieder eine lange Zeit, auch wenn der Charakter des Glaubens sich stets änderte, und ist immer noch omnipräsent. Aber auch dieses Zeitalter bereitet sich in vielen aufgeklärten Ländern vor sich zu verabschieden. Das Zeitalter des logischen Denkens, des Verstandes und der Vernunft hat das Stadium der Morgenröte schon überschritten. Mit der Entwicklung der Naturwissenschaften, die auf dem Fundament der bewiesenen und beweisbaren Erkenntnisse beruht hat sich das logische Denken auch in anderen Bereichen der Gesellschaft breit gemacht. Der heutige Mensch fragt immer häufiger wieso und warum. Er möchte fundierte Antworten haben. Ihm genügt die Antwort nicht wie z.B. wenn der Papa dem Sohn sagt:" weil ich es sage". Die Aussage, die wahr sein soll, weil der Papa, Papst oder sonst irgendeine vermeintliche Autorität, einschließlich der Heiligen Schriften vieler Religionen, es behaupten, wird immer mehr von wenigen Menschen akzeptiert. Das Zeitalter der Vernunft und des Verstandes bricht an. Und wir alle haben das Glück dies mit zu erleben und vor allem mit zu gestalten. Deswegen freue ich mich in diesem Kreis der weltoffenen, denkenden und humanitär gesinnten Mitmenschen, mitarbeiten zu dürfen.

 

Schlussbemerkungen

Wir haben gesehen, dass die Menschheit verschiedene Entwicklungsstadien durchgemacht hat. Götzenglaube folgte den Ahnen und Naturgeisterglaube.

Diese machten dann dem Gottesglauben in einigen Erdteilen den Platz frei. Wenn aber genau hinschaut, sind die Überreste der alten Glaubensformen in den großen Religionen der Welt zu entdecken. Im Hinduismus sind die Elemente der Naturglaube, Ahnenglaube Geisterglaube etc. zu entdecken. Auch im Christentum sind solche Elemente noch vorhanden. Was bedeutet eigentlich Schutzpatronen? Diese sollen vor Feuer, Regen, schlechte Ernten usw. schützen. Waren diese auch nicht einmal lebendigen Personen? Ist dieser Art von Auffassung nicht eine Art abgewandelte Ahnenglaube? Und Schutzengel? Diese müssen doch auch wohl abgewandelte Geister, die einen in der Not helfen, sein genauso wie die Familiengeister den Unmenschen vor Säbelzahntiger gerettet haben soll. Götzendienste? Warum muss man vor der gekreuzigten Christ-Statue oder vor Maria-Bildnis beten? Ist diese nicht auch eine Art von Götzenanbetung. Gott soll schließlich überall präsent sein. Es steht ja auch in der Bibel " Wenn Du beten willst, gehe in Dein stilles Kämmerlein - - -". Schließlich die Anbetung vom Heiligen Geist und Gott sind wohl auch eine Anbetung von Geistern da Gott zwar zuweilen als persönlicher Gott aber auch als der höchste und perfekteste Geist dargestellt wird.

Egal welcher Art von Religion, Geisterglaube, Ahnenglaube, Gottesglaube oder Glaube der Wiedergeburtsreligionen - alle beruhen auf nicht bewiesene und nicht beweisbare Annahmen, also Hypothesen. Ist es aber vernünftig sein Handeln nach Hypothesen zu richten? Wir alle, auch die religiösen Menschen benutzen tagtäglich die Errungenschaften der Wissenschaften, die auf bewiesenen und beweisbaren Erkenntnisse beruhen, z.B. wenn man eine Waschmaschine benutzt. Da steckt die Arbeit von abertausenden Wissenschaftlern dahinter. Die Gläubigen können durchaus in Ihrem eigenen Gebiet durchaus kompetent und logisch handeln. Wenn es aber um Glaubensfrage geht, dann schließen sie den Verstand und die Vernunft aus. Sie handeln nach dem Motto "Es kann nicht sein was nicht sein darf'. Aber wenn Gott uns die erwähnten Eigenschaften gegeben hat warum soll man sie nicht benutzen, wenn es um wichtige Fragen geht?

Der frühe Mensch glaubte an den Geist des Feuers oder Feuergott. Da kam ein Wissenschaftler und zeigte wie man Feuer selbst machen kann. Ihn haben sie, unter der Leitung des Hauptschamanen bestimmt gesteinigt, genauso wie manche Wissenschaftler in Europa in der Vergangenheit auf dem Scheiterhaufen landeten. Gott sei Dank, dass dies in so eklatanterweise heute nicht mehr möglich ist. Dies ist der Grundcharakter des Glaubens, nämlich die vorliegenden Beweise zu ignorieren, wenn sie mit ihrer vorgebildeten Meinung nicht übereinstimmen. Ein Glaube ist nichts anderes als ein in der Kindheit eingepflanztes Vorurteil. Und die Vorurteile sind leider sehr schwer zu bekämpfen, wenn diese als solche nicht erkannt werden. Seit der Aufklärung ist die gläubige Überzeugung vieler Menschen als gesellschaftlich bestimmende Kraft zum großen Teil verloren gegangen. Menschen nehmen zunehmend Verstand und Vernunft in Anspruch. Ich bin Optimist und bin der Meinung, dass die Sonne der Vernunft und des Verstandes in Bälde im Zenith stehen wird um die Dunkelheit der Unvernunft zum verschwinden zu bringen.

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