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Sigmund Freuds Lehre des psychischen Apparates, des Unbewussten und des Triebes
(Auszug aus „Materialien zur Einführung in Konzepte, Modelle und Theorien der Psychoanalyse zusammengestellt von Gert Lyon“)

 

1.     "psychischer Apparat", Ich, Es, Über-Ich

 

Der "psychische Apparat"

Der "psychische Apparat“  ist eine Modellvorstellung, die Sigmund Freud zur Beschreibung innerpsychischer Vorgänge benutzte. Sie wurde 1923 als "Strukturtheorie" oder "3-Instanzen-Modell" formuliert

Danach ist jeder psychische Akt - sowohl äußeres Verhalten wie Handlungen als auch inneres Verhalten wie Gefühle, Phantasien - das Ergebnis eines innerpsychischen Kräftespiels, in dem das ICH zwischen dem ES, dem Über-ICH und der Außenwelt vermittelt.

Die Funktionen des ICH :

nach außen

Erfahrungen speichern, Gedächtnis

Reizschutz - bei übermächtigen Gefahren durch Flucht, - bei mäßigen Reizen durch Anpassung (autoplastisch) oder Aktivitäten zur Veränderung der Umwelt (alloplastisch)

nach innen

Realitätswahrnehmung, Entscheidung über Abwehr oder Zulassung von

Triebansprüchen, Wahrnehmung von Angst als Gefahrensignal - von innen bei ICH-ES-Konfikten, - von Scham- und Schuldgefühlen als Signal von ICH-Über-ICH-Konflikten, Denkprozesse, Gestaltung von Objektbeziehungen, etc.

Im Ich überwiegt das Realitätsprinzip, das aufgrund der von der Außenwelt auferlegten Bedingungen Triebverzicht, Triebaufschub, Einschränkungen, Modifizierung, Sublimierung herbeiführen muss.  Aber nicht alle Ich-Vorgänge sind bewusst!

Ich-Funktionen wie Denken, Entscheidungs- und Urteilsprozesse, Triebaufschub, Realitätsprüfung, Ausschluss störender Nebenassoziationen etc. werden als Sekundär-Vorgang  zusammengefasst.

 

Topisch gesehen ist das Ich ebenso von den Ansprüchen des Es abhängig wie von den Befehlen des Über-Ichs und den Forderungen der Realität, Obwohl es als Mittler der Interessen der ganzen Person auftritt, ist seine Autonomie doch nur relativ.

Dynamisch gesehen stellt das Ich im neurotischen Konflikt in besonderem Maße den Abwehrpol der Persönlichkeit dar; es verwendet eine Reihe von Abwehrmechanismen, die mit der Wahrnehmung eines unlustvollen Affekts begründet werden (Angstsignal). Ökonomisch gesehen erscheint das Ich als ein Bindungsfaktor der psychischen Vorgänge; aber in den Abwehroperationen mischen sich die Versuche, die Triebvorgänge zu binden, mit den besonderen Merkmalen des Primärvorgangs: sie nehmen eine zwanghafte, repetitive, irreale Form an.

Die psychoanalytische Theorie versucht, die Genese des Ichs auf zwei relativ heterogenen Ebenen zu erklären, indem sie einen adaptiven Apparat in ihm sieht, der sich vom Es aus im Kontakt mit der äußeren Realität differenziert, oder indem sie es definiert als Produkt von Identifizierungen, die zur Bildung eines vom Es besetzten Liebesobjekts im Inneren der Person führen.

Im Hinblick auf die erste Theorie des psychischen Apparates umfasst das Ich mehr als das System Vorbewusst-Bewusst, da seine Abwehroperationen zum großen Teil unbewusst sind. Historisch gesehen ist die topische Auffassung des Ichs das Ergebnis eines Begriffes, der in Freuds Denken von Anfang an vorhanden war.

 

ES

Eine der drei von Freud in seiner zweiten Theorie des psychischen Apparates unterschiedenen Instanzen.  Das Es bildet den Triebpol der Persönlichkeit; seine Inhalte, psychischer Ausdruck der Triebe, sind unbewusst, einesteils erblich und angeboren, andernteils verdrängt und erworben.

Ökonomisch gesehen ist das Es für Freud das Hauptreservoir der psychischen Energie; dynamisch gesehen lässt es sich in Konflikt mit dem Ich und dem Über-ich ein, die, genetisch gesehen, Differenzierungen von ihm sind.

 

 

ÜBER-ICH

Eine der Instanzen der Persönlichkeit, wie Freud sie im Rahmen seiner zweiten Theorie des psychischen Apparates beschrieben hat: Ihre Rolle ist vergleichbar mit der eines Richters oder Zensors des Ichs.

Funktionen des Über-Ich:

·        Gewissen,

·        Selbstbeobachtung,

·        Idealbildungen.

In klassischer Sicht wird das Über-Ich als "Erbe des Ödipuskomplexes" verstanden; es bildet sich durch Verinnerlichung der elterlichen Forderungen und Verbote.

Manche Psychoanalytiker setzen die Bildung des Über-Ichs früher an, indem sie diese Instanz bereits auf den prä-ödipalen Stufen am Werk sehen (Melanie Klein) oder wenigstens sehr frühe Verhaltensweisen und psychische Vorgange beschreiben, die Über-Ich-Vorläufer darstellen (zum Beispiel Glover, Spitz)

 

Fig.: Ich, Es, Über-Ich

                

 


2.     Das Unbewusste

 

Das psychische Leben ist  "erfüllt mit wirksamen aber unbewussten Gedanken.  Von ihnen stammen alle Symptome ab" (S.Freud)

Im weitesten Sinn kann man das Unbewusste als einen besonderen seelischen Ort annehmen, den man sich als ein System von Inhalten, typischen Funktionsweisen ("Mechanismen" wie Verschiebung, Verdichtung) und vielleicht mit einer spezifischen Energie ausgestattet vorstellen kann.

 

Wesentliche Merkmale des Unbewussten:

·        Seine Inhalte sind im Kein vererbte Inhalte (dazu gehört etwa auch das "kollektive Unbew."), weiters Triebrepräsentanzen (unbew.  Bilder und Gefühle) und schließlich die aus den Vorgängen der Verdrängung stammenden Inhalte

·        Das Unbewusste kennt keine Negation, es ist zeitlos, es ist durch die Verschieblichkeit seiner Besetzungsenergie (Kathexis) gekennzeichnet

·        Die Funktionsweise des Unbewussten wird als Primärvorgang bezeichnet, dazu gehören die Fähigkeiten zur Verschiebung. Verdichtung Symbolbildung Gesetze von Logik, Raum und Zeit sind aufgehoben.

·        Im Unbewussten herrscht das Lustprinzip, das nur ein Ziel kennt - nämlich Unlust vermeiden und Lust zu verschaffen.

·        Die ins Unbewusste unvollständig verdrängten Inhalte werden mit Triebenergie besetzt und neigen dazu, wieder ins Bewusstsein und in Aktion zu gelangen.  Sie können aber erst nach Bearbeitung durch die im Ich geleistete ebenfalls unbewusst ablaufende Abwehr in Form von Kompromissbildungen, zB auch in Form von Symptomen zum System Vorbewusst/Bewusst Zugang erlangen. (der sog.  "Auftrieb" des Unbewussten)

·        Vor allem (früh-)kindliche Wünsche können eine Fixierung im Unbewussten erfahren.

 

3.  Der Begriff des Triebes

 

S. Freud zum Trieb-Begriff:

"Die Kräfte, die wir hinter den Bedürfnisspannungen des Es annehmen heißen wir Triebe. Sie repräsentieren die körperlichen Anforderungen an das Seelenleben."

 

"Die Trieblehre ist sozusagen unsere Mythologie. Die Triebe sind mythische Wesen, großartig in ihrer Unbestimmtheit."

 

"Ein Trieb kann nie Objekt des Bewusstseins werden, nur die Vorstellung, die ihn repräsentiert. Er kann aber auch im Unbewussten nicht anders als durch die Vorstellung repräsentiert sein. Würde der Trieb sich nicht an eine Vorstellung heften oder nicht als ein Affektzustand zum Vorschein kommen, so könnten wir nichts von ihm wissen." (1915, S 275f)

 

"Das psychoanalytische Konzept der Triebe befasst sich mit den leidenschaftlichen Wünschen, Phantasien und Gefühlen, die im sinnlichen Kontakt mit der Außenwelt Befriedigung und Erfüllung finden."

(H. Müller-Pozzi, S 72)

Die psychische Repräsentanz des Triebes ist der Wunsch. Die Psycho-Analyse heute interpretiert und fasst die Triebtheorie als Konzept des Wunsches und als Affekttheorie auf.

 

Dynamischer, in einem Drang bestehender Prozess (energetische Ladung, motorisches Moment), der den Organismus auf ein Ziel hinstreben lässt.  Nach Freud ist die Quelle eines Triebes ein körperlicher Reiz (Spannungszustand); sein Ziel ist die Aufhebung des an der Triebquelle herrschenden Spannungszustandes; am Objekt oder dank diesem kann der Trieb sein Ziel erreichen.

Der Freudsche Begriff des Triebes entwickelt sich an der Beschreibung der menschlichen Sexualität. Freud, der sich besonders auf das Studium der Perversionen und die Formen der infantilen Sexualität stützt, schlägt eine Bresche in die populäre Meinung, wonach dem Geschlechtstrieb, den man in den Genitalapparat mit seinen Reizen und seinem Funktionsablauf lokalisiert, ein Ziel und ein spezifisches Objekt zugeschrieben wird. Er weist im Gegenteil darauf hin, wie variabel und zufällig das Objekt ist, das seine endgültige Gestalt erst durch das wechselnde Geschick des Individuums erhält.  Er zeigt ebenfalls, wie vielfältig, parcellär (siehe: Partialtrieb) und eng von somatischen Quellen abhängig die Ziele sind.  Auch diese sind vielfältig und geeignet, für das Subjekt eine vorherrschende Funktion zu übernehmen und zu behalten (erogene Zone), weil erst am Ende einer komplexen Entwicklung, die nicht durch die biologische Reife gewährleistet ist, die Partialtriebe der Genitalzone untergeordnet und in die Erfüllung des Sexualaktes einbezogen sind.

Das letzte Element, das Freud hinsichtlich des Triebbegriffs einführt ist „Drang“, den er als einen quantitativen, ökonomischen Faktor begreift, „eine Arbeitsanforderung, die dem Seelischen infolge seines Zusammenhangs mit dem Körperlichen auferlegt ist“ . In Triebe und Triebschicksale(1915) steckt Freud die vier Grundbegriffe- „Drang“, „Quelle“, „0bjekt“, „Ziel“ - nochmals ab und gibt eine Gesamtdefinition des Triebes.

 

Was die Triebe voneinander unterscheidet und mit spezifischen Eigenschaften ausstattet, ist deren Beziehung zu ihren somatischen Quellen und Zielen. Die Quelle des Triebes ist ein erregender Vorgang in einem Organ, und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung dieses Organreizes (= Triebbefriedigung). Körperliche Triebquellen sind entweder unspezifisch (Sexualerregung als "Nebenwirkung" von Vorgängen im Organismus, sobald die Intensität dieser Vorgänge nur gewisse quantitative Grenzen überstiegen hat) oder werden dann als spezifisch sexuell bezeichnet, wenn das betreffende Organ als die erogene Zone des von ihm ausgehenden (Partial-)Triebes erkannt wurde Eine erogene Zone ist eine Haut- oder Schleimhautstelle, an der bestimmte Reizungen eine Lustempfindung auslösen können.  "Obgleich jede beliebige Haut- oder Schleimhautstelle die Dienste einer erogenen Zone auf sich nehmen kann", sind bestimmte Zonen dazu besonders prädestiniert die orale. die anale und die phallische erogene Zone.  Die von den erogenen Zonen ausgehenden Partialtriebe entwickeln sich während der Kindheit in einer bestimmten Reihenfolge, bestehen zeitweilig nebeneinander, vereinen sich schließlich zur sexuellen Organisation des Erwachsenen, bei dem sie in der sexuellen Vorlust oder als Perversion ihre Befriedigung finden.  Die von Freud postulierte psychische Energie der Sexualtriebe wird als Libido bezeichnet. Die psycho-sexuellen Entwicklungsstufen - die so genannten Libidostufen (orale, anale, phallische, genitale) sind durch das Vorherrschen eines jeweiligen Partialtriebes gekennzeichnet.

Neben sexuellen Triebäußerungen werden auch aggressive angenommen, wobei für den Aggressionstrieb bis jetzt weder eine genaue Entwicklungslinie, wie sie die zeitliche Abfolge der Libidostufen darstellt, noch dessen sichere Triebquellen (Muskulatur?) bekannt sind.  Das Ziel des Aggressionstriebes ist die Zerstörung des Objektes.  Aggressionstrieb und Todestrieb werden häufig synonym verwendet, das (klinische) Phänomen "Aggressivität" kann Ausdruck oder Folge des Wirkens aggressiver Triebspannungen sein, kann aber auch eine Reihe anderer Ursachen (und Erklärungen) haben.

 

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