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Dietmar Michalke, Dietmar.Michalke@gmx.de, Tel.: 0821/880558                                                            2.2.2000

 

1. Giordano Brunos Leben

2.   Giordano Brunos Gedanken

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

3.   Schluß

 

 

Giordano Bruno - Erinnerungen an einen großen Naturphilosophen, Märtyrer und Wandler des Mittelalters zur Neuzeit

anläßlich seines 400. Todestages

 

In diesem Jahre ereignet sich der 400. Todestag des Naturphilosophen Giordano Bruno. Am 17. Februar 1600 wurde er in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, seine von der katholischen Kirche unerwünschten Lehren zu widerrufen. Dieser Jahresstag soll der Anlaß sein, Bruno’s Leben und Wirken zu skizzieren, aus heutiger Sicht zu würdigen und zu kommentieren.

   Das auslaufende 16. Jahrhundert war gekennzeichnet durch Umwälzungen, die das bis dahin unumschränkt herrschende Papsttum in Frage  stellten und  seine  Machtposition  schmälerten. Der calvinistische lutherische Protestantismus hatten sich dauerhaft etabliert. In der Schweiz, in der Tschechoslowakei, in weiten Teilen Deutschlands, aber auch in Groß Britannien und Skandinavien hatte der Vatikan seine geistige Führung an den Protestantismus abgeben müssen. Aber auch aus einer ganz anderen Richtung kamen neue Gedanken, die den Ansichten des damaligen Katholizismusses diametral entgegenstanden. Der Astronom Nikolaus Kopernikus entwickelte ein neues Modell unseres Planetensystems, das in der Lage war, schlüssige Erklärungen für bis dahin rätselhafte Phänomene wie die scheinbaren Schleifenbewegungen der Planeten zu liefern. Brisant daran war, daß sich in diesem Modell die Sonne im Mittelpunkt der Planetenbahnen befand. Das bisherige Weltbild des Griechen Ptolemäus, das vom Vatikan wie ein  Dogma behandelt wurde, sah hingegen die Erde als Mittelpunkt des Planeten-/Sonnensystems, ja des ganzen weltlichen Universums überhaupt an. Das päpstliche Rom stellte wiederum das Zentrum des abendländischen Kulturkreises dar. Dadurch nahmen der Papst und seine Kirche eine formal herausragende Stellung in der ihrer Meinung nach von Gott geschaffenen Welt ein. Das heliozentrische Weltbild des Kopernikus wies nun dem Stellvertreter Gottes auf Erden einen peripheren Platz gleichwertig mit mehreren anderen Planeten im Universum zu. Das neue Weltbild wurde auch deshalb zum Politikum, weil sich bedeutende Denker der damaligen Zeit, wie Johannes Keppler und Galilei, den Ansichten des Kopernikus anschlossen und es verifizierten. Es wurde erstmals offensichtlich, daß systematisches Beobachten, Analysieren und Berechnen dem bloßen Interpretieren der in der Bibel enthaltenen Aussagen zu Naturphänomenen überlegen war. Aber auch die bis dahin uneingeschränkt für gültig gehaltenen Lehren der griechischen Naturphilosophen wie die des Aristoteles gerieten mehr und mehr unter Beschuß.

 

1. Giordano Brunos Leben

2.   Giordano Brunos Gedanken

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

3.   Schluß

 

 

 

 

 

1. Giordano Brunos Leben

 

 Zu Beginn dieser Umwälzungen betrat mit Giordano Bruno ein Mann die Bühne der Geschichte, dessen Leben selbst ein Spiegelbild dieses geistigen Wandels darstellte und der neben Galilei zur zweitwichtigsten Symbolfigur des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit wurde.

 

  Giordano Bruno wurde 1548 in Nola bei Neapel geboren. Eigentlich war sein Name Filippo Bruno. Den Namen Giordano nahm er erst an, als er 1565 dem Dominikanerorden beitrat. Bruno studierte in der von Friedrich II. gegründeten Universität von Neapel. Schon 1566 geriet er in Konflikt mit den offiziellen Vertretern der Kirche. Bruno lehnte die Marien- und Heiligenverehrung  ab. Er duldete keine Heiligenbilder in seiner Zelle. Wegen diesbezüglicher Äußerungen kam es zu einer Anklage. Seinem Ordensvorgesetzten gelang es jedoch noch, die Klage niederzuschlagen. Im Jahre 1572 erhielt Giordano Bruno die Priesterweihe und er begann das Theologiestudium in Neapel. 1575 schloß er dieses Studium ab. Es folgte die Lektüre der damals verbotenen Schriften des Erasmus von Rotterdam. In dieser Zeit geriet er in den Verdacht der Ketzerei in Fragen der Dreifaltigkeit. Bruno tendierte zu einem unitarischen Standpunkt. Er entschloß sich zur Flucht - zuerst nach Rom, dann weiter nach Genua und Noli in Ligurien. Seine Mitgliedschaft im Dominikaner-Orden legte er nieder. Weitere Aufenthalte folgten in Savona, Turin, Venedig, Padua, Brescia und Bergamo.

 

  1578 verließ er schließlich Italien und begab sich nach Genf, das durch Calvin zu einem protestantischen Zentrum geworden war. Dort trat Bruno zum Calvinismus über. Aber auch diese Lehre fand nicht seine vollständige Zustimmung. Jedenfalls verfaßte und verbreitete er eine  Streitschrift gegen den Philosophieprofessor Antoine de la Faye, einem führenden Calvinisten. Dafür mußte er kurzzeitig ins Gefängnis, bis er seine Thesen widerrief. Bruno verließ schließlich Genf und zog 1579 nach Toulouse, wo er zunächst Privatvorlesungen abhielt. Er wurde Ordentlicher Lektor für Philosophie an der Universität von Toulouse. Unter anderem hielt er Vorlesungen über Aristoteles ab. Als 1581 die Konflikte zwischen Hugenotten und Katholiken wieder heftiger wurden, mußte Bruno Toulouse verlassen. Er ging nach Paris. Zwar bekam er dort als Glaubensabtrünniger nicht gleich eine ordentliche Lehrtätigkeit. Aber er erhielt eine Audienz  beim französischen König Heinrich III. Diesen beeindruckte er durch sein hervorragend geschultes Gedächtnis. Eine anschließend verfaßte Schrift über die Gedächtniskunst widmete Bruno dem König. Heinrich III. ernannte  ihn daraufhin zum außerordentlichen Professor an der Universität von Paris. Während dieser Zeit entstand neben einigen fachlichen Schriften auch eine Komödie. 1583 endete Brunos Aufenthalt. Es wird angenommen, daß Konflikte zwischen der Hofpartei des Königs und der katholischen Liga unter der Führung des Hauses Guise Giordano Bruno veranlaßten, nach London zu gehen. Ein Empfehlungsschreiben an den dortigen französischen Botschafter Michel de Castelnau bewirkte, daß Bruno in dessen Haus aufgenommen wurde. Von London aus knüpfte er Kontakte zur Universität Oxford, die aber mit einem Skandal endeten. Anlaß waren Brunos Vorträge über den Renaissance-Philosophen Marsilio Ficino und - was besonders wichtig ist - seine Verteidigung der kopernikanischen Lehre. Fortan betätigte sich Bruno mehr in den gebildeten Hofkreisen, die im Gegensatz zur Universität neuen Gedanken aufgeschlossener gegenüberstanden. In seiner Londoner Zeit entstanden sechs Werke, u.a. die wichtige Schrift Über das Unendliche, das Universum und die Welten, auf die noch näher eingegangen wird. Ende 1585 kehrte Bruno wieder nach Paris zurück. Hier waren es seine Abhandlungen über die Lehren des Aristoteles, die im hohen Maße für Empörung sorgten.

Bruno reiste 1586 nach Deutschland, und zwar nach Marburg. Doch auch dort stießen seine Ausführungen über Aristoteles auf Ablehnung, da dessen Lehren gemäß der Tradition für unumstößlich gehalten wurden. So begab sich Bruno nach Wittenberg, wo er Vorlesungen über die Schrift Rhetorica ad Alexandrum abhielt, die wahrscheinlich von Aristoteles stammte. Vermutlich verfaßte Bruno auch hier einige Stellungnahmen zu Aristoteles Werken, die aber erst 1891 veröffentlicht wurden. 1588 hielt sich Bruno für kurze Zeit in Prag am Hofe Kaiser Rudolfs II. auf, dem er eine Schrift widmete. Danach folgte ein Aufenthalt in Helmstedt, wo er vier Arbeiten über die Magie verfaßte. Ab 1590 hielt er sich in Frankfurt auf, wo er aber bereits 1591 durch den Senat der Stadt ausgewiesen wurde. Nach einem Besuch in Zürich kehrte er wieder nach Frankfurt zurück, wo er ein Angebot des venezianischen Patriziers Giovanni Mocenigo erhielt, privaten Unterricht zu erteilen. Vorher ging Bruno aber nach Padua, wo er sich wahrscheinlich um eine Professur in Mathematik bewarb. Diese Stelle wurde jedoch an Galilei vergeben. So begab sich Bruno also 1592 in das Haus des Venezianers Zuane Mocenigo - ein folgenschwerer Fehler, wie es sich bald herausstellen sollte! Bruno war inzwischen mehrfach exkommuniziert worden und hatte sich durch seine kritische Haltung zu Glaubensdogmen, aber auch zu den Schriften Aristoteles sowie seiner Beschäftigung mit der Lehre des Kopernikus die Feindschaft der Kirche und des Bildungsestablishments zugezogen. Während seines fünfjährigen Aufenthaltes in Deutschland konnte er relativ frei seine Lehren vertreten und war vor Verfolgung sicher. Offenbar fühlte sich Bruno in Venedig ebenfalls sicher vor dem Zugriff aus Rom, denn Venedig war damals ein unabhängiger Staat. Brunos Auftraggeber Mocenigo wollte zunächst in der Gedächtniskunst unterrichtet werden. Aber er hielt Bruno wohl für einen großen Magier und versprach sich eine Einweihung in dessen magische Geheimnisse. Da dieses nicht geschehen konnte, fühlte sich Mocenigo hintergangen. Bruno plante indes, seinen alten Konflikt mit dem Vatikan beizulegen. Die Neuauflage eine seiner Schriften wollte er zu diesem Zwecke dem neuen Papst Clemens VIII. widmen. Als Bruno wegen dieser Arbeiten Venedig verlassen wollte, ließ Mocenigo ihn durch seine Gefolgsleute festnehmen. Er drohte ihm, ihn bei der Inquisition wegen Häresie anzuzeigen, würde ihn aber freilassen, falls Bruno ihm sein ganzes Wissen anvertraute. Aber Mocenigos Beichtvater, der diese Vorgänge mitbekommen hatte, drohte Mocenigo mit der Verweigerung der Absolution, wenn Bruno nicht der Inquisition übergeben würde. So wurde Bruno also an den venezianischen Inquisitor Fra Gabriele Saluzzo ausgeliefert. Die Anklage wegen Ketzerei umfaßte eine lange Liste von belastenden Äußerungen Brunos, die aus seinen Schriften, aber auch von Aussagen seiner Mithäftlinge stammten. Es waren mehr theologische Themen als astronomische. So soll Bruno Moses als einen großen Magier bezeichnet haben. Daß Moses mit Gott gesprochen haben soll, sei eine reine Erfindung. Jesus sei Brunos Ansicht nach ein Zauberer und armer Wicht gewesen. An seinen Wundern sei nichts Besonderes, da er - Bruno - in der Lage sei, größere zu vollbringen. Jesus sündigte, als er Gott bat, den Kelch an ihm vorbeigehen zu lassen. Ferner soll Bruno die Auferstehung Christi sowie seine Geburt durch eine Jungfrau verspottet haben. Eine Hölle würde nicht existieren und niemand müsse sich vor ewigen Strafen fürchten. Gebete, Reliquien und Heiligenbilder seien wirkungslos. Laut Mocenigo habe Bruno auf die Frage, an welche Religion er sich denn halte, mit einem Zitat Ariostos geantwortet: „Ich bin ein Feind eines jeden Gesetzes und jeden Glaubens.“ Vor der Inquisition widerrief Giordano Bruno vollständig seine beanstandeten astronomischen und theologischen Thesen. Er hoffte wohl, mit einer leichten Bestrafung davonzukommen. Aber inzwischen hatte Rom von Brunos Verhaftung erfahren. Der oberste Inquisitor Kardinal Santaseverina forderte von Venedig die Auslieferung Brunos. Zunächst zögerte die venezianische Regierung, gab aber dann dem Verlangen der Kurie nach. So wurde Bruno also Anfang 1593 nach Rom überführt. Er sollte noch weitere sieben Jahre im Gefängnis verbringen. Es herrschten entsetzliche Verhältnisse dort. Er durfte weder schreiben noch lesen. Er litt erheblich an Unterernährung, denn damals mußten Angehörige für das Essen eines Häftlings aufkommen und Giordano Bruno hatte niemanden. Es wurden allerlei Zeugenaussagen gegen ihn zusammengetragen. Diese wie auch Brunos Werke wurden genauestens von dem Kardinal Robert Bellarmin untersucht, der die Leitung des Inquisitionsverfahrens hatte. Es war derselbe Bellarmin, der elf Jahre später das Strafverfahren gegen Galilei einleitete. Dem Papst wurde 1595 eine Liste sämtlicher Werke Brunos vorgelegt. Zwei Jahre später mußte Bruno zu einer Liste beanstandeter Thesen Stellung nehmen. Bis 1599 arbeitete Kardinal Bellarmin acht Anklagepunkte heraus. Zuerst war Bruno bereit zu widerrufen. Aber dann wollte er wohl einige ihm besonders wichtige philosophische Aussagen davon ausklammern. Papst Clemens VIII. sah jedoch davon ab, den Widerruf mittels Folter zu erzwingen. Bruno reichte vergeblich mehrere Gesuche ein, mit dem Papst direkt zu sprechen. Am 9. September 1599 verhandelte das Inquisitionsgericht ein letztes Mal in seiner Angelegenheit. Es wurde ihm ein Ultimatum von 40 Tagen gestellt, um seine Thesen zu widerrufen. Es wurde ihm mit Folter gedroht. Aber Giordano Bruno machte nun keinerlei Anstalten mehr zu widerrufen. Vielleicht hatte er die Hoffnung aufgegeben, sich durch Widerruf zu retten. Möglicherweise glaubte er auch, sein Märtyrertod würde die Ausbreitung  seiner Ideen fördern. Von seinen Beweggründen ist heute nichts mehr überliefert. Ein großer Teil der Prozeßakten des Falles Bruno ging nämlich verloren, als Napoleon ihn in Rom in seinen Besitz brachte und nach Frankreich bringen ließ. Überliefert ist nur noch die Tatsache, daß Bruno nach Ablauf des Ultimatums erklärte, er habe nichts zu widerrufen und er habe nichts geschrieben, das widerrufen werden müsse. Am 20. Januar 1600 ordnete Papst Clemens VIII. seine Verurteilung als Ketzer an und übergab ihn dem Scharfrichter, dessen oberster Dienstherr er war, zur Hinrichtung. Am 8. Februar wurde das Urteil gegen Bruno verlesen: Er wurde als reueloser, starrköpfiger und verbissener Häretiker bezeichnet. Seine Priesterschaft wurde ihm aberkannt und er wurde aus der Kirche ausgestoßen. Seine Werke sollten öffentlich auf den Stufen des Petersdomes verbrannt werden und wurden auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Bruno antwortete auf seine Verurteilung mit dem Satz: „Ihr, die ihr meine Verurteilung verkündet, habt mehr Angst als ich, der sie entgegennimmt.“ Seine Hinrichtung wurde noch aus unbekannten Gründen verschoben. Aber am Morgen des 17. Februars 1600 wurde er auf den Platz Campo dei Fiori gebracht. Er war ausgemergelt und körperlich zerbrochen. Eine Gruppe Geistlicher begleitete ihn und versuchte bis zum Schluß, ihn zum Widerruf seiner ketzerischen Ideen zu bewegen. Als er ein ihm hingehaltenes Kruzifix küssen sollte, wendete er sich ärgerlich ab. Er sagte, er sterbe bereitwillig als Märtyrer und seine Seele werde mit dem Feuer ins Paradies hinaufsteigen. Er wurde nackt ausgezogen, an den Scheiterhaufen gefesselt und bei lebendigem Leibe verbrannt, während Kirchenvertreter fromme Lieder und Litaneien sangen.

 

1. Giordano Brunos Leben

2.   Giordano Brunos Gedanken

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

3.   Schluß

 

 

 

 

2.   Giordano Brunos Gedanken

 

Giordano Bruno war mit seiner Methodik noch in der Tradition des mittelalterlichen Gelehrtentums verwurzelt. Er beschäftigte sich mit Theologie, Magie, Philosophie und Naturwissenschaften gleichermaßen. Darin unterschied er sich von  Galilei, Keppler oder etwas später Newton, die sich bereits auf die Naturwissenschaften spezialisierten. Als Mittel der Erkenntnisfindung diente Bruno die Logik, der Disput und das Aufdecken von Widersprüchen in bestehenden Weltbildern. Die genaue Beobachtung, das Experiment, das Messen und Wägen natürlicher Phänomene und Größen zählte noch nicht zu seinen wissenschaftlichen Vorgehensweisen. Sie erlangten erst ihre Bedeutung durch die Erfolge, die Galilei damit erzielte - kurz nach Brunos Tod. Anders als seine Methodik waren jedoch seine inhaltlichen Positionen ausgesprochen fortschrittlich und wiesen ihn zweifellos als einen Vorreiter des neuzeitlichen Denkens aus, auch wenn es ihm noch nicht immer möglich war, seine Thesen zu beweisen.

 

1. Giordano Brunos Leben

2.   Giordano Brunos Gedanken

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

3.   Schluß

 

 

 

 

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

 

  Die Vorstellungen, die Bruno von Gott hatte, wichen kraß von den Vorstellungen des Christentums seiner Zeit ab. Für ihn gab es keinen Wesensunterschied zwischen Gott und der Welt. In seiner Schrift Die Vertreibung der triumphierenden Bestie von 1584, die auch ein Grund zu seiner Verurteilung durch die Inquisition war, schrieb er: ‘Göttlichkeit offenbart sich in allen Dingen’ und ‘Jedes Ding hat Göttlichkeit latent in sich’. Weiter heißt es ‘Tiere und Pflanzen sind lebende Effekte der Natur; diese Natur ... ist nichts anderes als Gott in den Dingen. Hier wurde auf deutliche Weise eine Gleichsetzung der Begriffe Gott und Natur  vorgenommen, wie sie charakteristisch für den Pantheismus ist. Vielleicht war Bruno noch nicht das materielle Wesen der Natur bewußt. So sah er noch Materie und Geist als getrennte Dinge an, die aber für ihn gemeinsamer Ausdruck eines verborgenen göttlichen Prinzips waren. Im Zeitalter Giordano Brunos hatte man ja noch keine Kenntnisse über die Veränderungen materieller Substanzen durch chemische Vorgänge, geschweige denn von den chemischen Bausteinen des Lebens oder dem Leben selbst. Deshalb mag Bruno die Vorgänge in der Natur noch in einem geheimnisvollen, mystischen oder göttlichen Licht gesehen haben. Die Tatsache, daß ihm von der Inquisition vorgeworfen wurde, er würde Beten als wirkungslos ansehen, läßt jedoch vermuten, daß er sich längst von einem personalen Gottesbegriff verabschiedet hatte. Ganz deutlich wird Brunos Einstellung in seinem Werk Über das Unermeßliche, in dem es heißt: ‘Er (=Gott) ist nicht der Gegenstand eines numerischen Gesetzes, eines Gesetzes einer Messung oder einer Ordnung. Er selbst ist Gesetz, Zahl, Maß, Grenze ohne Schranke, Ende ohne Ende, Handlung ohne Form.’ Hier scheint Bruno Gott mit dem gleichzusetzen, was wir heute als die  Naturgesetze bezeichnen würden und die Bruno damals noch nicht kennen konnte. Dieser Pantheismus, bei dem der Begriff Gott als Synonym für die Naturgesetze verwendet wird, hat nun aber keinerlei Abgrenzungen mehr zu einem Atheismus, bei dem die Erscheinungen in der Natur allein aus den Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Materie ohne Einwirken eines übernatürlichen göttlichen Wesens abgeleitet werden. Schopenhauer bezeichnete später solch einen Pantheismus als ‘höflichen Atheismus’.

 

1. Giordano Brunos Leben

2.   Giordano Brunos Gedanken

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

3.   Schluß

 

 

 

 

 

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

 

Eine weitere für die damalige Zeit provozierende These Giordano Brunos war seine Vorstellung eines unendlichen Universums. Diese Idee übernahm er von dem römischen Dichter Lucretius. In Brunos Schrift Über das Unendliche, das Universum und die Welten wird die Unendlichkeit des Universums behandelt und begründet. Heute wissen wir, daß das Universum nicht unendlich ist. Deshalb ist es interessant, Brunos Begründung zu erfahren und zu sehen, wo der Fehler steckt. Stark verkürzt argumentiert er mit einer Definition des Begriffes Ort, die von Aristoteles stammte. Mit dieser Definition führte Bruno einen Widerspruch im Falle einer endlichen Welt herbei. Aus diesem Widerspruch folgerte er daher die Unendlichkeit der Welt. Jedoch sagt dieser Gedankengang nicht wirklich etwas über das Universum aus, sondern lediglich über eine nicht widerspruchsfreie Definition Aristoteles. Heute wird der Begriff Ort in der Geometrie anders definiert. Ein zweites Argument von Bruno zielte auf die Vollkommenheit unserer Welt ab. Wenn diese Welt nun endlich wäre, so könnten doch auch separat davon andere vollkommene Welten existieren. Diese würden sogar die Vollkommenheit steigern. Am größten wäre die Vollkommenheit aber, wenn die Welten die Unendlichkeit vollständig ausfüllen würden. Da das Universum ein Höchstmaß an Perfektion darstellt, muß es also unendlich sein. Hiermit unterstellte Bruno zu unrecht, daß die Natur irgendwelchen von Menschen erdachten Idealen entsprechen müsse. Ausgehend von der Unendlichkeit des Universums leitete Bruno einige wichtige Aussagen ab. Er schrieb weiter: Im Universum sind unzählige Globen wie der, auf dem wir leben und wachsen. ... Einem Körper von unendlicher Größe (Anm.: wie das Universum) kann man kein Zentrum zuordnen... Demzufolge ist weder die Erde noch irgendeine andere Welt das Zentrum. Mit dieser Behauptung ging Bruno noch viel weiter, als der von ihm verehrte Kopernikus. Im Planetensystem des Kopernikus tritt lediglich die Sonne an Stelle der Erde in das Zentrum. Alle Sterne befanden sich weiterhin auf einer das Planetensystem umgebenden Kugelschale. Bei Bruno war nun unsere Sonne einer der vielen tausend Sterne, die man nachts mit bloßem Auge sehen konnte. Viele würden Planeten haben. Die Bedeutung der Erde verringerte sich nach kosmologischen Maßstäben zur Bedeutungslosigkeit - ein eklatanter Widerspruch zur christlichen Lehre, nach der die Menschheit die Krone der Schöpfung darstellte.

 

  Später stellten sich Brunos Aussagen von dem unendliche Universum als falsch heraus. Der erste, der überhaupt eine stichhaltige Aussage über die Endlichkeit des Universums machen konnte, war Isaac Newton einige Jahrzehnte später. Newton hatte inzwischen mit dem Gravitationsgesetz eine mathematische Beschreibung der Anziehungskräfte zwischen Massen gefunden. Er konnte damit die Aussage belegen, daß das Universum entweder unendlich sein müsse oder aber nicht statisch sein könne. Er argumentierte, in einem unendlichen Universum ist jeder Massepunkt in jeder Richtung von unendlich vielen Massen umgeben. Ihre Anziehungskräfte wirken aus jeder Richtung gleichermaßen auf den Massenpunkt, so daß dieser sich im Ruhezustand befinden kann. In einem endlichen Universum hingegen gibt es ein Massezentrum. Die Kräfte, die vom Zentrum aus auf einen Massepunkt wirken, sind größer als die vom Rande des Universums. Der Massepunkt würde also ins Zentrum stürzen, es sei denn, die Massen würden rotieren oder durch eine Explosion auseinandergetrieben. Jedenfalls könne ein endliches Universum nicht statisch sein. Den nächsten Schritt zur Klärung dieser Frage war das Olbers-Paradoxon, benannt nach dem Bremer Astronomen Olbers. Der rechnete aus, daß es in einem unendlichen Universum auch nachts taghell sein müsse, weil die Anzahl der Sterne mit der Entfernung schneller anwächst, als die Helligkeit abnimmt. Da es nachts aber dunkel wird, muß das Universum folglich endlich sein. Zusammen mit Newtons Aussage ergab sich also ein endliches Universum, das entweder explodierte, kollabierte oder rotierte. 1916 verfaßte Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie. Zu seiner Bestürzung wollte sich aus seinen Gleichungen kein statisches Universum ergeben. Er mogelte eine Größe, die als kosmologisches Glied bekannt wurde, in die Gleichungen ein, um die Statik herbeizuführen. Er hoffte, später noch eine Erklärung dafür zu finden. 1929 entdeckte Hubble, daß entfernte Galaxien eine Rotverschiebung des Lichtspektrums aufwiesen, die eine Folge ihrer Fluchtgeschwindigkeit war. Die Geschwindigkeiten nahmen mit der Entfernung der Galaxien zu, wie man es von einem explodierenden Weltall erwarten würde. Einstein ließ das kosmologische Glied wieder verschwinden und nachfolgende Physiker vervollständigten diese Entdeckungen zur sogenannten  Urknalltheorie, nach der das Universum aus einer Explosion heraus entstanden ist und seit dem expandiert. Diese Theorie hat sich bis heute als konsistent mit zahlreichen Beobachtungen wie der Hintergrundstrahlung oder der Verteilung der Elemente im Universum erwiesen. Wenn sie auch noch einige Lücken insbesondere über die ersten Bruchteile einer Sekunde nach  dem Urknalls aufweist, so gleicht der Stand der Forschung doch heute einem Puzzle, bei dem nur noch wenige Teile fehlen, das Gesamtbild aber bereits deutlich hervortritt.

 Mehr Glück hatte Giordano Bruno mit seiner Aussage, daß die Sterne Sonnen wie unsere sind und daß diese oftmals Planeten wie unsere Erde haben. Zwar war diese Behauptung zu Brunos Zeiten überaus kühn. Aber seit wenigen Jahren ist man nun in der Lage, mittels sehr empfindlicher Meßmethoden die Existenz von Planeten anhand kleiner Pendelbewegungen ihrer Sonnen nachzuweisen. Bereits neun Sterne wurden entdeckt, um die Planeten oder Protoplaneten kreisen - zuletzt der Stern Rho Coronae Borealis im Sternbild Krone.

 

1. Giordano Brunos Leben

2.   Giordano Brunos Gedanken

2.1 Das Gottesbild bei Bruno

2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums

3.   Schluß

 

 

 

 

3.   Schluß

 

Giordano Brunos Bedeutung liegt weniger darin, daß er endgültige Wahrheiten geliefert hat. Seine Möglichkeiten, Aussagen zu verifizieren, waren noch sehr begrenzt. Sein Verdienst war es vielmehr, daß er selbstverständlich gewordene Vorstellungen und philosophische Autoritäten in Frage stellte. Damit trug er entscheidend dazu bei, eine Epoche von 2000 Jahren zu überwinden, in der so gut wie keine naturwissenschaftlichen Fortschritte erzielt wurden. Bis zur Zeit Brunos begnügte man sich, die Werke von Aristoteles und die Aussagen der Bibel zu zitieren, ohne Fehler, Widersprüche und offene Fragen aufzuarbeiten. Leute wie Bruno wurden durch ihre undogmatische Sicht zu Vordenkern der Neuzeit. Bis zum auslaufenden 16. Jahrhundert haben sich Astronomie, Philosophie und Theologie um gemeinsame Themen gekümmert. Seit Bruno trennten sich die Wege jedoch. Die Religion beharrte weiterhin trotz neuer Erkenntnisse auf ihren Dogmen, so daß noch heute Theologen wegen Auffassungen ihre Lehrerlaubnis verlieren, die bereits von Bruno vertreten wurden. Deutliches Zeichen dieser starren Haltung ist die späte Karriere, die dem Inquisitor Robert Bellarmin zuteil wurde. Bellarmin war ja für die Hinrichtung Brunos verantwortlich. Auch eröffnete er noch das Verfahren gegen Galilei. Dieser Inquisitor wurde noch im Jahre 1930 vom Vatikan heilig gesprochen! Die Nachfolger Brunos hingegen lösten sich von der Metaphysik. Sie machten eine stürmische Entwicklung durch, während der die Entschlüsselung der Himmelsmechanik, der Struktur der Materie, der Entstehung des Universums, der Galaxien, Sterne und Planeten, der Bausteinen des Lebens und mit der Evolutionstheorie der Entwicklung des Lebens und der Artenvielfalt weit vorangetrieben wurde. So vollzog sich allmählich ein Wandel im Denken der Menschen, den der Physiker Harald Fritzsch so beschrieb: „Er (der Mensch) erkennt, daß er sich nicht im Mittelpunkt des Alls befindet, sondern am Rande einer recht unauffälligen Galaxie. Noch hat er keinen Kontakt zu anderen Bewohnern des Alls in anderen Sternensystemen, aber er ahnt, daß er nicht allein ist. Auch hat der Mensch erkannt, daß er das Produkt eines zwar komplizierten, aber rational erfaßbaren Entwicklungsprozesses ist, geprägt durch den Lauf der Geschichte und durch das Wechselspiel zwischen Zufall und Notwendigkeit. Er versteht, daß er in Zukunft ohne Götter leben muß und daß er für sein Schicksal selbst verantwortlich ist. Er beginnt zu ahnen, daß das Weltall für seine Fragen nach dem Sinn des Lebens keine Antwort bereithält, sondern daß er sich diese Antwort selbst geben muß.“

 

 

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